Hintergrund

Google Stadia bringt die Zukunft, aber Microsoft hat die besseren Karten

Philipp Rüegg
25.11.2019

Google hat das Rennen um die Game-Streaming-Zukunft eröffnet. Die Resonanz ist verhalten. Kann Google den zeitlichen Vorsprung nutzen oder werden Microsoft, Sony und Valve das Feld von hinten aufrollen? Ein Überblick.

Mit Google Stadia kannst du von jedem Gerät, das über Chrome verfügt, Games spielen. Egal, ob am PC, Notebook, Smartphone oder Fernseher. Du brauchst keine Konsole oder teuren Gamer-PC. Du kannst einfach ohne Installation die neusten Spiele in voller Grafik-Pracht spielen. So zumindest das Versprechen: Die Realität sieht anders aus. Das hat der Launch von Google Stadia diese Woche gezeigt.

Fehlstart zum Trotz geben Google und Co. den Glauben an die Game-Zukunft im Streaminggeschäft noch lange nicht auf. Zeit, einen Blick auf den Status Quo zu werfen und eine Prognose zu wagen.

Google Stadia legt vor

Google Stadia ist seit Dienstag in 14 Ländern verfügbar. Du weisst es vermutlich schon, aber die Schweiz gehört natürlich nicht dazu. Die Resonanz der Tester, die den Dienst bereits ausprobieren konnten, ist durchzogen. Nicht, dass Google Stadia nicht funktioniere – das Aber hat es jedoch in sich. Bei stabiler Internetverbindung sei praktisch kein Inputlag feststellbar. Selbst bei den reaktionsintensiven Fighting Games wie «Mortal Kombat».

Spiele gibt es gerade mal 22, wovon du alle ausser «Destiny 2» und «Samurai Shodown» kaufen musst – zusätzlich zum monatlichen Abopreis. Google löst das Versprechen in Punkto Cloud-Gaming ein, versagt aber in allen anderen Bereichen.

Eine Beta in allem ausser der Bezeichnung

Zu den technischen Mängeln kommen reihenweise fehlende Features hinzu, die zwar angekündigt, aber wenige Wochen vor Launch zurückgezogen wurden.

Ein paar Beispiele:

  • Achievements
  • Stadia Connect, das interaktive Streaming Feature
  • Crowd Play. Zuschauer können direkt mit ihren Streamern zocken
  • Wifi-Funktionalität des Stadia Controllers (funktioniert aktuell nur mit Google Chromecast Ultra)

Klingt nach Beta? Es ist auch eine. Nur, dass Google sie nicht beim Namen nennt und sie sich auch noch bezahlen lässt: Nur wer 130 Euro hinblättert, kriegt Zugriff. Ob die Verantwortlichen so bewusst den Nutzeransturm einschränken wollten oder ob bei der Planung was schiefgelaufen ist, kann ich nur mutmassen. Eine geschlossene Beta hätte es auch getan. Fakt ist, dass der Launch alles andere als rund läuft.

Hat Google das Rennen um die Cloud-Gaming-Zukunft bereits verloren?

Die Frage ist, ob Google den zeitlichen Vorsprung auf weitere Konkurrenten nutzen kann. Vieles hängt davon ab, wie schnell Stadia in einen voll funktionierenden Dienst mit allen Features, die Gamer heutzutage erwarten, ausgebaut werden kann. Und ob das à-la-Carte-System wirklich das Richtige ist, bleibt auch abzuwarten. Netflix, Spotify und Co. haben uns mit ihrem All-You-Can-Eat-Modell längst verdorben.

Aber es könnte eben auch viele Spieler geben, die im nächsten April «Cyberpunk 2077» zocken wollen, aber noch keine Konsole oder einen PC haben, der die nötigen Hardware-Voraussetzungen erfüllt. Wenn sie vor der Wahl stehen, ein neues Gerät zu kaufen oder bei Stadia lediglich für das Spiel zu bezahlen und anschliessend direkt auf irgendeinem bestehenden Gerät loslegen zu können, könnte Google Stadias Konzept aufgehen.

Wer aber die beste Bild- und Soundqualität beim Gamen haben will, der wird noch warten müssen: Noch übertrumpft Cloud-Gaming klassische Game-Methoden nicht. Aber auch das wird kommen. Am Ende siegt die Bequemlichkeit, und die liefert Stadia. Oder wie viele kennst du noch, die sich UHD-Blu-Rays kaufen, weil dort die Qualität ein Quäntchen besser ist?

Erfolgschancen: Hoch

Microsoft xCloud steht in der Pole Position

Die grösste Konkurrenz für Google ist Microsoft. Der Xbox-Hersteller steht aktuell in der besten Position um die Cloud-Gaming-Krone. Der eigene Dienst heisst xCloud und befindet sich in der Beta in den USA, Grossbritannien und Südkorea. xCloud kostet bisher nichts und du kannst über 50 Spiele spielen. Das sind gleich drei Vorteile gegenüber Stadia.

  1. Die Erwartungen sind tiefer
  2. Es ist gratis (noch)
  3. Es hat die grössere Spielauswahl

Das grosse Manko: Es funktioniert nur auf Android-Geräten. Microsoft hat aber an der Hausmesse X019 bekannt gegeben, dass der Dienst im nächsten Jahr auf PC und iOS ausgeweitet wird. Zudem soll bald auch Westeuropa mittesten dürfen. Vielleicht sogar die Schweiz.

Microsoft sagte weiter, dass xCloud mit dem Game Pass verknüpft werde. Game Pass ist Microsofts Equivalent zu Netflix und wird 2020 über 200 Games anbieten. Du bezahlst einen monatlichen Fixpreis und erhältst uneingeschränkten Zugriff auf eine umfangreiche Spielebibliothek. Je nach Abo kannst du die Spiele dank plattformübergreifenden Savegames auf der Xbox, dem PC oder mit xCloud auf dem Smartphone spielen.

Und anders als bei Stadia kannst du ein gekauftes Spiel auch einfach auf der Xbox spielen, wenn dir xCloud nicht zusagen sollte. Du hast also eine Rückzugsmöglichkeit.

Erfolgschancen: Sehr hoch

Playstation wartet noch ab

Es könnte eine Gegenreaktion auf Googles Einstieg in die Branche sein. Nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Andererseits war wohl Amazon AWS als Alternative auch nicht sonderlich attraktiv. Denn Amazon arbeitet offenbar auch an einem eigenen Streaming-Dienst. Dass es um Sonys Bestrebungen noch ruhig ist, dürfte daran liegen, dass man schlicht noch nicht so weit ist. Oder, dass die Japaner den Service mit der PS5 kombinieren möchten.

Erfolgschancen: Hoch

Nvidia Geforce Now bleibt eine Nische

Geforce Now bietet wie Stadia UHD-Auflösung und HDR, aber flüssig oder lagfrei ist das ganze längst nicht. Der Dienst ist verfügbar auf Smartphones, PC oder Android TV. Die Umsetzung ist aber noch nicht wirklich sauber. Kommt hinzu, dass Nvidia schlicht zu klein ist, um den Massenmarkt zu durchdringen. Das Angebot dürfte eine Nische bleiben.

Erfolgschancen: Niedrig

Shadow fristet weiter ein Schattendasein

Shadow ist mehr oder weniger das gleiche wie Geforce Now, nur noch nischiger und umständlicher in der Bedienung. Auch beim französischen Anbieter erhältsts du Zugriff auf einen virtuellen PC, allerdings musst du dort alles selbst installieren. Anders als bei Geforce Now bleibt dafür alles erhalten.

Erfolgschancen: Keine

Steam macht Dampf

Erfolgschancen: Hoch

Fazit: Die Zukunft kommt, aber nicht heute

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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