Hinter den Kulissen
«Diamanten oder Gold sind besser geeignet, um Schwarzgeld loszuwerden»
von Patrick McEvily
Die Engineering Teams bei Digitec Galaxus arbeiten nahe zusammen. Nur ein Team arbeitet gerne mal abseits der normalen Deploys und Sprints. Das ist Team Spectre und sie haben es dir ab heute möglich gemacht, mit Kryptowährungen bezahlen zu können.
«Tja, und dann haben wir das halt so gemacht», sagt Claudio Schaad, Leiter von Team Spectre.
Spectre ist ein Team aus dem Engineering der Digitec Galaxus AG. Offiziell sind sie zuständig für die Bezahlvorgänge hinter den Kulissen von digitec.ch und galaxus.ch. Inoffiziell aber ist das sechsköpfige Team das wohl disruptivste und frechste Team des Unternehmens. Der neueste Streich des Teams: Du kannst auf beiden Seiten mit Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ripple bezahlen.
Claudio sitzt in einem Sitzungszimmer mit schwarzen Wänden und erzählt lapidar von einer Aktion, die das gesamte Team Spectre in einigen Unternehmen den Kopf gekostet hätte, bei Digitec Galaxus aber Lob und Ehre bringt. Denn auf der Firmenflagge steht das Wort «piratisch». Dieser Kunstbegriff bedeutet so bitzli alles, aber im Wesentlichen das, dass Mitarbeiter sich Freiheiten nehmen dürfen, eigene Projekte anzupacken.
Team Spectre macht das kollektiv. So sind sie schnell, agil, frech und unangepasst.
«Wir haben Kryptowährungen schon länger im Blick», sagt Claudio. Er trägt einen bequemen Hoodie mit einem Tintenfisch in einem Kreis – das Spectre-Logo aus den James-Bond-Filmen. Er lacht, wenn er darauf angesprochen wird und schweift vom Thema ab. «Natürlich haben wir uns gebranded. So zeigen wir, dass wir Spectre sind. Teamgeist und etwas freundliche Rivalität mit den anderen Engineering Teams zeichnet uns aus.»
Er könne, bei Bedarf, seinen offiziellen Spectre Siegelring anziehen, eine weisse Plüschkatze innerhalb von zwei Minuten holen und wenn er Durst habe, dann gäbe es den offiziellen Spectre Energy Drink. Der sei zwar nicht besonders gut, aber er habe das Logo und er halte wach.
«Aber ja, Kryptowährungen», sagt er, versucht sein Lachen zu unterdrücken und ernst zu bleiben. Denn die Blockchain, die Basis aller Kryptowährungen, ist ein hochkomplexes Thema.
Blockchain geht, stark vereinfacht, etwa so: Blockchain-Technologie ist ein cleverer Weg, wie sich Tausende von Leuten auf eine einzelne Version der Wahrheit einigen können. Beispielsweise, ob Alice digitec für ein iPhone bezahlt hat und ob sie nur digitec bezahlt hat, statt das Geld zu kopieren und ebenfalls jemand anderem dasselbe Geld gegeben hat. Ohne dass die Leute sich gegenseitig vertrauen müssen, dass alle immer die Wahrheit sagen und nie betrügen, und ohne eine zentrale Organisation wie eine Bank, die diese Infos für alle verwaltet und dafür hohe Gebühren nehmen würde.
Das Wissen über Anwendung, Implementation und Risiken stammt nicht nur aus eigener Recherche, sondern aus allen Ecken des Unternehmens. Claudio und sein sechsköpfiges Team haben dann nur umgesetzt, was ihre Recherche ergeben hat. Die Lösung: Spectre setzt nicht auf ein eigenes Wallet oder gar eine eigene Kryptowährung, digicoin oder so, sondern auf eine Firma namens Coinify.
Coinify sorgt für etwas Ruhe in den Wellenkursen der Kryptowährungen, womit auch eine vernünftige Preisstruktur beim Einkauf eingehalten werden kann. Die Firma macht im Wesentlichen nichts anderes, als Kryptowährungen in Echte-Welt-Währungen – bei digitec und Galaxus sind das Schweizer Franken – zu wechseln. Sprich: Du kaufst ein, ab einem Betrag von 200 Franken kannst du mit Krypto zahlen, du zahlst, bei digitec gehen Schweizer Franken ein.
Wenn du deinen Einkauf bei digitec oder Galaxus mit Bitcoin oder sonst einer unterstützten Kryptowährung zahlen willst, dann errechnet dir das System zwischen Digitec Galaxus AG, Datatrans und Coinify einen Kurs, der dann 15 Minuten lang gültig ist. Kryptowährungen sind allgemein sehr instabil und daher ist diese Massnahme zwingend notwendig. Sonst fährst du am Ende noch Verluste ein. Oder profitierst vom übelsten Aktionspreis der Menschheitsgeschichte, der Digitec Galaxus AG nicht glücklich macht.
«Ganz interessant war das Testing der ganzen Sache», sagt Claudio. Denn Trockenübungen mit Kryptowährungen gehen schlecht. Spectre blieb nur eins: Selbst Geld in die Hand nehmen. Denn Team Spectre hat das Development der Kryptolösung so mehr oder weniger gut unter dem Radar gemacht. Während Zeiten, die den Engineers vom Unternehmen zur Verfügung gestellt wird, eigene Projekte zu verfolgen. Spectre aber ist ein Team, keine Ansammlung von Eigenbrötlern. Sie seien im Raum mit den schwarzen Wänden gesessen, hätten die Köpfe zusammengesteckt. Die Frage: Welches coole Projekt bringt uns allen am meisten? Die Antwort wurde in einer Agile Initiative gefunden, die mal so halb angerissen wurde, dann aber brachlag: Kryptowährungen. Die Geheimniskrämer von Spectre haben gelacht und sich gesagt: Das passt zu uns.
«Ich war also am SBB-Automaten und habe mir Bitcoin in mein Wallet geladen», erzählt Claudio, «und dann noch einmal Gebühren gezahlt, als ich meine Bitcoin in Ripple gewechselt habe.»
Von dem Geld hat er sich dann eine etwas seltsame Tastatur gekauft. Denn der Teamleiter kauft sich laut eigenen Angaben etwa einmal die Woche etwas bei digitec. Er sei gut darin, seinen eigenen Job zu subventionieren, sagt er mit einem Lachen.
Nur einmal sei etwas schief gegangen. Geld ist verschwunden. Irgendwo in der Blockchain. Da aber jede Buchung genau nachvollziehbar ist, da sie einem Datensatz in der Blockchain entspricht, ging die Rückbuchung recht einfach.
«Ich habe einfach eine Mail an Coinify und unseren Partner bei Datatrans geschrieben und dann ging das recht fix», sagt Claudio. Das Geld fand seinen Weg zurück zu ihm und der Test konnte weitergehen.
Bei Spectre sind die Kryptowährungen bereits wieder ein alter Hut. Im Sitzungszimmer beraten die sechs über ihren nächsten Streich. Das Meeting ist – wie der Rest des Teams – etwas eigen. Natürlich müssen die Wände schwarz sein. Sonst geht «konspirativ» nicht wirklich. Der Sinn für Humor zieht sich durch.
Die Disziplin fehlt aber nicht. Spectre geht mit sich selbst hart ins Gericht. Wo waren bei der letzten Aktion die Schwachstellen? Wo kann noch effizienter gearbeitet werden? Dann wird beschlossen. Der Zeitaufwand wird eingeschätzt. Auf Karten mit Zahlen darauf – selbstverständlich mit Spectre Branding – gibt jedes Teammitglied an, wie komplex das Projekt oder das Teilprojekt sein dürfte. Was Spectre anpackt soll an dieser Stelle nicht verraten werden.
«Wir brauchen alle unsere Geheimnisse», sagt Claudio.
Denn selbst wenn Spectre in den Schatten des Engineerings arbeitet, so ist ihre Arbeit am Ende für alle sichtbar.
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.