Kritik

«Story of Seasons: Grand Bazaar» im Test: Die Neuauflage des DS-Spiels bleibt in der Vergangenheit stecken

«Story of Seasons: Grand Bazaar» will frischen Wind ins Farming-Simulation-Genre bringen, indem es den Fokus auf den neuen Wochenmarkt legt. Leider genügt das heutzutage nicht mehr, um herauszustechen.

Als ich von der Veröffentlichung eines neuen «Story of Seasons»-Spiel – der Nachfolgereihe zu «Harvest Moon» vor dem Jahr 2013 – gehört habe, horchte ich interessiert auf. Das Entwicklerstudio Marvelous ist ein Veteran im Farming-Simulation-Genre. Deswegen stellte sich mir die Frage, ob die Spiele mit ihren Wurzeln in den 1990er-Jahren mit der Flut an kreativen modernen Titeln mithalten können.

Die Antwort, die sich mir nach etlichen Spielstunden präsentiert, ist leider keine zufriedenstellende. Stattdessen stehe ich vor dem Dilemma, dass ich die grundsolide Produktionsqualität und Abwechslung im Vergleich zu anderen Genre-Vertretern durchaus anerkenne. Gleichzeitig kann ich nicht schönreden, dass «Story of Seasons: Grand Bazaar» mich unglaublich langweilt.

Der Beginn eines neuen Lebens auf dem Bauernhof

Die Prämisse von «Grand Bazaar» ist genretypisch simpel: Ich möchte ein neues Leben beginnen und begebe mich dafür zum Brisendorf, um Bäuerin zu werden. Bürgermeister Felix nimmt mich dafür nach der Charaktererstellung an meinem ersten Tag an die Hand und bringt mir alles Nötige bei.

Bei der Charaktererstellung stehen mir eine Menge Möglichkeiten zur Verfügung, um meine Spielfigur zu gestalten. Das Aussehen kann ich aber auch später noch verändern.
Bei der Charaktererstellung stehen mir eine Menge Möglichkeiten zur Verfügung, um meine Spielfigur zu gestalten. Das Aussehen kann ich aber auch später noch verändern.

Wie in zahlreichen anderen Farming-Simulationen und «Cozy»-Spielen verbringe ich meinen Alltag auf dem Bauernhof und muss Geld scheffeln, während ich mich mit den Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohnern anfreunde.

Dafür baue ich Gemüse sowie Früchte an oder kümmere mich um meine Nutztiere. Alternativ klappere ich die sonstige Umgebung nach Materialien wie (Edel-)Steinen und Holz ab. Dadurch verbessere ich dann meine Gebäude oder erschaffe neue Gegenstände.

Der Wochenmarkt steht als neue Mechanik im Mittelpunkt

Das Alleinstellungsmerkmal von «Story of Seasons: Grand Bazaar» ist der namensgebende Basar, der samstags stattfindet. Dort verdiene ich durch den Verkauf meiner Erträge aus dem Bauernhof den Grossteil meines Einkommens.

Der Basar bietet gegenüber anderen Farming-Simulationen eine neue Mechanik.
Der Basar bietet gegenüber anderen Farming-Simulationen eine neue Mechanik.

Der Wochenmarkt funktioniert wie folgt: Ich bringe die Gegenstände mit, die ich verkaufen möchte. Danach wähle ich aus, welche von ihnen ich auf meinem Stand ausstelle. Dadurch wecke ich das Interesse von potenziellen Käufern. Noch besser klappt das, wenn ich per Tastendruck meine Glocke läute. Durch das Geräusch mache ich noch mehr Personen auf mich aufmerksam.

Die Käuferinnen stehen dabei vor ihrem Wunschgegenstand an, den ich ihnen per Tastendruck verkaufe. Alternativ taucht eine Gedankenblase über ihrem Kopf auf, die einen Gegenstand aus meinem Lager anzeigt, der sich noch nicht auf dem Tresen befindet. Dann gilt es, den entsprechenden Gegenstand so schnell wie möglich auszutauschen, damit niemand aus Desinteresse verschwindet und mir damit Geld flöten geht.

Während die Verkaufsmaschinerie läuft, sammle ich nebenher Energie für die Naturgeister. Das sind kleine Helferlein, die mich immer wieder unterstützen – auch ausserhalb des Basars. Zum Beispiel wenn ich aus dem Fluss gefischt werden muss, weil ich versehentlich hineingesprungen bin. Sobald ich eine oder mehrere Energieleisten fülle, kann ich per Tastendruck ein besonderes Event auslösen, in dem ich noch schneller noch mehr Gegenstände verkaufe.

Die Naturgeister kurbeln meine Verkäufe in der sogenannten Glückszeit nochmals ordentlich an.
Die Naturgeister kurbeln meine Verkäufe in der sogenannten Glückszeit nochmals ordentlich an.

Während insgesamt zwei Schichten (Morgen- und Nachmittagsschicht) habe ich Zeit, um meine Erträge der Woche zu verkaufen. Dabei gerate ich nie in Stress, weil die beiden Zeitfenster ausreichen, um meine gesamte Ware zu verkaufen. Die Zeit dazwischen verbringe ich selbst als Kundin beim Stöbern auf dem Basar. Er ist nämlich nicht nur meine Einnahmequelle, sondern auch der Ort meiner Wahl, wenn ich neue Nutztiere kaufen oder meine Bauernhofgebäude verbessern will.

Darüber hinaus ist der Wochenmarkt auch Thema bei der Dorfgemeinde von Brisendorf. Durch den Verkauf von Waren schalte ich neue Stände frei. Das freut insbesondere Bürgermeister Felix, aber auch den Rest des Dorfes.

Wenn mein Basar sich auf einem entsprechenden Level befindet und ich Aufträge von NPCs erfülle, schalte ich ihre Verkaufsstände für den Eigengebrauch frei.
Wenn mein Basar sich auf einem entsprechenden Level befindet und ich Aufträge von NPCs erfülle, schalte ich ihre Verkaufsstände für den Eigengebrauch frei.

Der Basar bringt einen frischen Wochenrhythmus ins Farming-Genre. Der Verkauf funktioniert nicht mehr einfach über eine einfache Kiste auf meinem Hof, sondern wird regelrecht zelebriert. Gleichzeitig besitzt der Basar ein befriedigendes Fortschrittssystem, das meine Arbeit in regelmässigen Abständen belohnt. Das Minispiel in Form der Schichten ist kurzweilig und bietet Abwechslung zum Farming-Alltag – das ist auch gut so, denn würde es länger dauern, würde die fehlende Komplexität daran schnell für Langeweile sorgen. Der Wochenmarkt ist ein Highlight von «Story of Seasons: Grand Bazaar».

Trotz gutem Progressionssystem bleibt der Alltag öde

Neben dem Samstag hat die Woche auch noch sechs weitere Tage – und die fallen leider weitaus langweiliger aus. Doch fangen wir mit dem Positiven an: «Story of Seasons: Grand Bazaar» ist sowohl in seiner Aufmachung als auch Technik grundsolide. Auf der Switch 2 fallen mir keine Ruckler oder Bugs auf. Die Grafik ist stilisiert und Geschmackssache. Wenn dich der Look im Trailer anspricht, bekommst du dieselbe Qualität über den ganzen Spielverlauf geboten.

Das Design der Nutztiere aus «Story of Seasons» ist bis heute unschlagbar niedlich.
Das Design der Nutztiere aus «Story of Seasons» ist bis heute unschlagbar niedlich.

Es gibt auch immer etwas zu tun. Wenn ich mal nicht mit meinem Bauernhof beschäftigt bin, nehme ich an Festen teil und erkunde meine Umgebung. Ich baue Erze ab, angle oder beschäftige mich mit den besonderen Windmühlen in meinem Dorf, mit deren Hilfe ich Produkte verfeinere. Aus meiner Kuhmilch erstelle ich zum Beispiel Butter, die ich wiederum teurer verkaufen oder für Rezepte verwenden kann. In «Grand Bazaar» kann ich gekochte Gerichte verschenken, verkaufen oder selbst verspeisen, um Ausdauer zu regenerieren. Sie ist nämlich ein kostbares Gut, das mit jeder körperlichen Aktion ein wenig schwindet.

Die Dorfbewohner geben mir regelmässig Aufträge, mit denen ich meine Beziehung zu ihnen verbessere. Dadurch lerne ich sie besser kennen, schalte neue Funktionen für Hof und Markt frei und erhalte sogar Geschenke. Ich kann mich auch auf die Suche nach der grossen Liebe begeben. Dafür stehen mir zwölf charmante Charaktere zur Auswahl. Vom ruhigen Historiker Llyod über die gut aufgestellte Café-Mitarbeiterin Maple bis hin zur gewissenhaften Schreinmagd Kagetsu dürfte für jeden und jede die richtige Person dabei sein.

Während besonderen Events komme ich meinen Nachbarinnen und Nachbarn vom Brisendorf näher.
Während besonderen Events komme ich meinen Nachbarinnen und Nachbarn vom Brisendorf näher.

Bei den Charakteren habe ich dasselbe Problem wie mit dem Rest des Spiels: Obwohl sie vielfältig sind, können sie mein Interesse nicht halten. Dafür fehlt ihnen der Tiefgang. Das ist auch mein Problem mit «Story of Seasons: Grand Bazaar»: Ich kann nichts aufgrund seiner Qualität bemängeln, aber wirklich Spass habe ich während dem Zocken nicht. Der Fall ist nicht so eindeutig wie beim katastrophalen «Pixelshire», das Redaktionskollegin Michelle vor einigen Monaten getestet und nur mit einem Stern versehen hat.

Neben den oberflächlichen Charakteren fehlt es mir trotz des befriedigenden Fortschrittssystems an Abwechslung. Es ist mir wichtig, dass mich die Charaktere interessieren. Ausserdem verbringe ich meine Zeit ungern grösstenteils bei der monotonen Arbeit auf dem Hof. Ich stürze mich lieber in Minen oder Höhlen voller Monster und erlebe epische Kämpfe, aus denen ich siegreich mit wertvoller Beute herausgehe. In «Story of Seasons: Grand Bazaar» finde ich seltene Edelmetalle hingegen mit einer prozentualen (!) Chance beim Abbau von Erzen – gähn.

Ein Angel-Minispiel darf nicht fehlen. Ich habe begrenzt Zeit, um eine von vier Richtungstasten zu drücken, und damit einen Fisch auf der Leiste rechts «abzuhaken».
Ein Angel-Minispiel darf nicht fehlen. Ich habe begrenzt Zeit, um eine von vier Richtungstasten zu drücken, und damit einen Fisch auf der Leiste rechts «abzuhaken».

Vorlage der Neuauflage war schon damals nur Mittelmass

«Story of Seasons: Grand Bazaar» ist die Neuauflage des Nintendo-DS-Spiels «Harvest Moon DS: Grand Bazaar» aus dem Jahr 2008. Bei meinem mittelmässigen Erlebnis habe ich mir die Frage gestellt, wie die Vorlage damals angekommen ist. Tatsächlich stimmt die damalige allgemeine Erfahrung mit der meinen überein.

Auf Metacritic liegt die durchschnittliche Wertung der Fachpresse von «Harvest Moon DS: Grand Bazaar» bei 68 von 100 Punkten. Bei den Nutzer-Bewertungen kommt es immerhin auf 8 von 10 Punkten.

Während das Spiel schon vor 15 Jahren als grundsolide und guten Einstiegspunkt für Neueinsteigerinnen gesehen wurde, ist es bereits damals nicht aus der Masse von «Harvest Moon»-Spielen hervorgestochen. Selbst laut den positiveren Bewertungen macht «Grand Bazaar» zu wenig Neues dafür.

Die Dorffeste finden in regelmässigen Abständen statt und bringen die Gemeinde zusammen.
Die Dorffeste finden in regelmässigen Abständen statt und bringen die Gemeinde zusammen.

Von daher stellt sich mir die Frage, wieso die Wahl ausgerechnet auf «Grand Bazaar» für eine Neuauflage gefallen ist. Die hat nämlich einige richtig gute Änderungen verpasst bekommen, die wie verschenktes Potenzial wirken.

Da wären zum einen die aufwändigen Zwischensequenzen, die erstmals vertont sind (gewöhnliche Gespräche im Alltag sind davon ausgeschlossen). Ausserdem bekomme ich exklusiv in der Neuauflage einen Gleitschirm, mit dem ich gemütlich das Dorf in der Luft durchquere. Auch die Handhabung der Menüs wurde gegenüber dem DS-Original mit zwei Bildschirmen sinnvoll auf einen Bildschirm reduziert.

«Story of Seasons: Grand Bazaar» erscheint am 27. August 2025 für Switch, Switch 2 und PC über Steam. Die PC-Version wurde mir von Marvelous zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.

Titelbild: Marvelous

Fazit

Grundsolide Farming-Simulation, aber nichts Besonderes

In «Story of Seasons: Grand Bazaar» verschlägt es mich ins Brisendorf. Dort gehe ich meinem Alltag als Bäuerin nach und bereite mich auf den Wochenmarkt vor. Der findet in Form eines Minispiels statt und ist meine hauptsächliche Einkommensquelle.

Die Neuauflage des DS-Spiels ist kein misslungenes Spiel per se. Dank dem befriedigenden Fortschrittssystem durch die Aufträge der Dorfbewohner entsteht gepaart mit der Arbeit auf dem Bauernhof ein gelungener Loop. Leider langweile ich mich trotzdem nach wenigen Stunden, weil es an interessanten Charakteren und herausforderndem Gameplay in Form von Dungeons fehlt.

Damit komme ich am Schluss zu meiner anfänglichen Frage: Kann die Neuauflage des klassischen «Story of Seasons»-Spiel mit modernen Farming-Simulationen mithalten?

Meine Antwort lautet «Nein». Für weniger Geld bietet eine Vielzahl an Indie-Spielen wie Genre-König «Stardew Valley», aber auch vielversprechende Neulinge wie «Fields of Mistria» individuell zugeschnittene Erlebnisse, die den Genre-Veteranen leider überholt haben.

Pro

  • belohnendes Fortschrittssystem
  • gelungenes Crafting-System
  • abwechslungsreiche Wochenmarkt-Mechanik
  • schicker Stil und solide Technik

Contra

  • keine Dungeons
  • wird schnell langweilig
Marvelous Story of Seasons: Grand Bazaar NSW2 (Switch 2, DE)
Game
Neu
CHF59.90

Marvelous Story of Seasons: Grand Bazaar NSW2

Switch 2, DE

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Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.


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