Hintergrund

Sportfotografie mit einem Profi: Kann ich das auch?

David Lee
24.6.2022

Profifotograf Mathias Kniepeiss zeigt mir, wie er arbeitet und lässt mich selbst fotografieren. Ich lerne viel – unter anderem, dass gewisse Shots viel Übung erfordern.

Drei Freestyle Mountainbiker, ein Profifotograf und jede Menge von Sony zur Verfügung gestelltes Foto-Equipment: So soll ich spektakuläre Bilder schiessen. Wir befinden uns im Skills Park in Winterthur, einer grossen Sport-Indoor-Anlage mit verschiedenen Tracks.

Erst mal inspizieren

Erst mal scharfe Bilder hinbekommen

Zuerst gehen die drei Jungs auf die grosse Sprungschanze. Mathias und ich fotografieren mit einem Weitwinkel-Objektiv von der Seite. Der Unterschied zwischen unseren ersten Bildern: Bei ihm sind die Biker im Flug scharf, bei mir nicht.

Mathias hat mir den Autofokus zwar richtig eingestellt, aber ich bin es mir nicht gewohnt, so zu fotografieren. Normalerweise nutze ich die automatische Augen-, Gesichts- oder Körpererkennung. Hier funktioniert das nicht, denn der Sprung geht viel zu schnell. Wir befinden uns direkt an der Rampe, der ganze Bewegungsablauf ist sehr nahe und das Motiv ändert sich in Sekundenbruchteilen komplett.

Die besondere Perspektive

Nach über 200 verhauenen Fotos wird es endlich besser. Da haben wir aber längst die Position gewechselt. Wir liegen jetzt oben auf der Landematte, die Jungs springen über uns drüber.

Hier zwei Fotos von der Matte mit dem 24-70mm GM II. Der Bildaufbau ist im Vergleich zur Aufnahme von Mathias nicht optimal, aber wenigstens ist jetzt mal die Person scharf. Der Bewegungsablauf ist hier auch weniger komplex als von der Seite.

Aus der Ferne geht es besser

Ein Problem bleibt: das Licht. Es ist nicht nur spärlich, sondern kommt auch von der falschen Seite. Von halb seitlich fliegen die Fahrer direkt vor dem Fenster durch.

Sprung in der Schüssel

Als Nächstes hüpfen und kurven die drei Biker durch die Bowl, auf Deutsch Schüssel. Der Bowl Park besteht aus mehreren zusammenhängenden Schüsseln.

Mathias fotografiert aus kaum einem Meter Entfernung, mit einem Ultraweitwinkel. Ich teste währenddessen verschiedene andere Orte, aber nichts klappt. Ich merke schnell: Wo die Fahrer durchfahren, muss mit dem Fotografen genau abgestimmt sein. Du kannst hier nicht so nebenher mitfotografieren.

Nach kurzer Zeit lässt Mathias mich ran. Ich stehe wie er in der Mitte am Boden. Allerdings an einem Ort, wo die Fahrer in einen anderen Kreis wechseln. Ich erschrecke, weil sie so nahe vorbeischwirren. Sie passen aus der kürzesten Distanz trotz Ultraweitwinkel nicht aufs Bild.

Schade, dass hier das Gesicht nicht scharf ist, sonst wäre das ein richtig gutes Bild geworden.

Jump Park

Mathias schwärmt von Sonys 50mm-Objektiv mit Lichtstärke f/1,2. Das benutzen wir im Jump Park, der Anlage mit verschiedenen kleineren Sprüngen. Ich bin gespannt, ob die Tiefenschärfe gross genug ist – vor allem im Hinblick darauf, dass für mich das Fokussieren immer noch schwierig ist.

Bei einer solchen Seitenansicht reicht die geringe Tiefenschärfe, die mit f/1,2 zustande kommt. Sie ist sogar ein Vorteil, da der Hintergrund schön weich wird. Ein weiterer Vorteil der grossen Blende: Die ISO-Empfindlichkeit liegt mit 640 wesentlich tiefer als bei vielen anderen Aufnahmen an diesem Nachmittag.

Die Seitenperspektive ist aber auch schwierig – man hat extrem wenig Zeit. Mein Glück war, dass genau die Aufnahme mit der besten Körperhaltung auch scharf ist. Andere Aufnahmen von dieser Stelle aus haben eine leichte Bewegungsunschärfe oder wieder mal einen falschen Fokus.

Das springt ins Auge

Mathias steht jetzt direkt unter dem ersten Sprung, an der Wand. Ich denke, dass er aus Sicherheitsgründen dort steht. Aber nein: Der Fahrer soll gegen die Wand springen, Mathias steht direkt darunter, um ihn aus nächster Nähe zu fotografieren.

Auch das probiere ich selbst aus. Beim ersten Mal erschrecke ich, weil ich den Fahrer erst sehe, wenn er schon an der Wand ist, etwa zwei Meter von mir weg. Die weiteren Versuche machen mir keine Angst mehr, aber es ist schwierig, schnell genug zu reagieren. Ausserdem ist es an dieser Stelle im Park sehr dunkel.

Porträts: Routinesache

Ganz zum Schluss macht Mathias noch eine Reihe von Porträts. Hier merke ich seine Routine am deutlichsten. Er hat sofort mehrere Ideen: Porträt mit aufgestelltem Velo, Grimasse durchs Vorderrad, Anlehnen am spiegelnden Fenster. Die Anweisungen sind schnell und präzis, ohne Stress zu verbreiten. In weniger als zehn Minuten hat Mathias Porträts von allen drei Fahrern geschossen.

Mit den drei Jungs kann man aber auch gut zusammenarbeiten, nicht nur bei den Porträts. Vor allem bei Lucas ist mir aufgefallen, dass er mitdenkt, nachfragt, was für uns passt. Die Kommunikation mit den Sportlern ist extrem wichtig – man kann die Session als eine Art Teamsport sehen.

Was ich gelernt habe

Es ist nicht so, dass ich jetzt selbstständig Actionsportler fotografieren kann. Aber an diesem Nachmittag habe ich gelernt, was ich dafür können müsste.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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