Sonys X95L im Test: Mit Mini LED und Bravia Core gegen OLED
Produkttest

Sonys X95L im Test: Mit Mini LED und Bravia Core gegen OLED

Luca Fontana
26.9.2023

Sony will mit seinem Mini-LED-Fernseher den LCD-Markt aufmischen – so wie Samsung es vergangenes Jahr mit Neo QLED tat. Aber eigentlich ist es Sonys «Bravia Core», ein neuartiger Streamingdienst, was wahre Begeisterung bei mir auslöst.

Full Disclosure: Der Fernseher, die 65-Zoll-Version des X95L, wurde mir von Sony zum Testen zur Verfügung gestellt.


Nicht immer ist alles OLED, was glänzt. Nicht bei Sony. Auch wenn Sony durchaus zu den besseren OLED-TV-Bauern der Branche gehört. Aber der X95L ist kein OLED-Fernseher, sondern ein sogenannter LCD-Fernseher mit Mini LED: Tausende dicht nebeneinander liegende LEDs sorgen fürs Hintergrundlicht deines Fernsehers. Anders als OLED-Pixel können LCD-Pixel nämlich nicht von selbst strahlen. Darum wird im TV-Game im Jahr 2023 vorallem zwischen diesen beiden Technologien unterschieden.

Sony XR-65X95L (65", X95L, Mini-LED, 4K, 2023)
TV
Im Showroom
1979.– CHF

Sony XR-65X95L

65", X95L, Mini-LED, 4K, 2023

F
Sony XR-75X95L (75", X95L, MIP-Display, 4K, 2023)
TV
2569.– CHF

Sony XR-75X95L

75", X95L, MIP-Display, 4K, 2023

E
Sony XR-85X95L (85", X95L, MIP-Display, 4K, 2023)
TV
3279.– CHF

Sony XR-85X95L

85", X95L, MIP-Display, 4K, 2023

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Sony XR-65X95L (65", X95L, Mini-LED, 4K, 2023)
Im Showroom
F
1979.– CHF

Sony XR-65X95L

65", X95L, Mini-LED, 4K, 2023

Sony XR-75X95L (75", X95L, MIP-Display, 4K, 2023)
E
2569.– CHF

Sony XR-75X95L

75", X95L, MIP-Display, 4K, 2023

Sony XR-85X95L (85", X95L, MIP-Display, 4K, 2023)
E
3279.– CHF

Sony XR-85X95L

85", X95L, MIP-Display, 4K, 2023

Gleich zu Beginn kommt die Grundsatzfrage: Was ist die bessere Technologie? Die Antwort liegt nicht immer deutlich auf der Hand. OLED-Fernseher gelten gemeinhin als überlegen bei Kontrast, Farbtreue und -Volumen. Aber in hellen Wohnzimmern trumpfen LCD-Fernseher auf, weil sie technologiebedingt heller leuchten. Schaust du vor allem abends fern, greifst du eher zu einem OLED-Fernseher. Benützt du ihn öfters tagsüber, wenn’s hell im Wohnzimmer ist, lohnt sich eher ein LCD-Fernseher.

Um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, werde ich Sonys X95L in diesem Review vor allem Samsungs Neo QLED QN95B gegenüberstellen – Samsungs letztjährigen Mini-LED-Fernseher. Den habe ich hier getestet. Kurz: Ich war begeistert. Die Messlatte, die Sonys X95L in diesem ausführlichen Test zu überspringen hat, ist also hoch.

Gehen wir’s an.

Design: Das clevere Standfuss-System überzeugt

Da steht er wacker auf seinen zwei schwarzen, metallenen Entenfüsschen. Eigentlich nicht mein Stil; der Industrial-Look Sonys hat mir noch nie besonders gut gefallen. Aber praktisch ist er. Erstens, weil die Füsse nicht mittig platziert sind, wie bei den meisten Konkurrenten. Zweitens, weil so eine 8,5 Zentimeter hohe Lücke zwischen Panel und TV-Möbel entsteht. Das lässt genug Platz für die meisten grossen Soundbars, ohne dass sie ins Bild ragen.

Gut mitgedacht: Die Standfüsse des Sony X95L lassen sich so montieren, dass genug Platz für eine Soundbar bleibt.
Gut mitgedacht: Die Standfüsse des Sony X95L lassen sich so montieren, dass genug Platz für eine Soundbar bleibt.
Quelle: Luca Fontana.

Unschön wäre diese Lücke nur, wenn du keine Soundbar hast. Sony hat aber auch daran gedacht. Die beiden Entenfüsschen lassen sich nämlich auch so an den Panel anbringen, dass die Lücke «geschlossen» ist. Die Füsschen schauen dann kaum sichtbar nach vorne und hinten raus, während das Panel direkt auf dem Möbel sitzt.

Sehr clever. Und nice. Hätte ich keine Soundbar, wäre diese Montage eindeutig meine Wahl. Etwa so wie hier im digitec-Shop in Zürich.

Das gefällt mir schon besser. Abstauben müsste man aber hin und wieder.
Das gefällt mir schon besser. Abstauben müsste man aber hin und wieder.
Quelle: Luca Fontana.

Ansonsten bleibt Sony dem treu, was sich die meisten anderen Hersteller unter einem Fernseher vorstellen. Modern. Schlank. Schmale Ränder. Nichts Aussergewöhnliches – und das ist gut so. Fernseher sollen Fernseher sein, finde ich.

Seitlich betrachtet ist Sonys X95L mit seinen 6 Zentimetern ordentlich dick. Das liegt an der zusätzlichen LED-Schicht, die die LCD-Pixel im Panel zum Strahlen bringen. Eben: Mini LEDs.

Mit seinen 6 Zentimetern Dicke eignet sich Sonys X95L auch gut für eine Wandmontage.
Mit seinen 6 Zentimetern Dicke eignet sich Sonys X95L auch gut für eine Wandmontage.
Quelle: Luca Fontana.

Zu den Specs. Sonys X95L bietet Folgendes:

  • 4x HDMI-4K120Hz-2.1-Anschlüsse
  • Davon einer mit eARC (HDMI 2) und zwei mit mit ALLM und HDMI Forum VRR (HDMI 3 und 4)
  • 2x USB-2.0-Port
  • 1x USB-Port für externe HDDs
  • 1x Ausgang für Toslink
  • 1x LAN-Port
  • 1x CI+-Slot
  • Antennen- und Kabelanschlüsse
  • Bluetooth (BT 5.1)
  • Built-in Chromecast
  • Kompatibel mit Apple AirPlay 2, Apple HomeKit und Google Home

Alle vier HDMI-Eingänge unterstützen HLG, HDR10 und Dolby Vision. Einzig HDR10+ fehlt. Schade. Aber dessen Verbreitung ist sowieso sehr klein: Bis heute habe ich nur auf Amazon Prime Video vereinzelte HDR10+-Inhalte gesehen. Sehr positiv ist dafür die Passthrough-Funktion von Dolby-Atmos- und DTS-5.1-Audiosignalen. Das benötigst du dann, wenn du ein externes Gerät als Zuspieler benutzt. Einen UHD-Blu-Ray-Player zum Beispiel. Ob die Passthrough-Funktion auch bei DTS:X funktioniert, konnte ich leider nicht testen, weil meine Soundbar – eine Sonos Arc – nur maximal DTS 5.1 Surround unterstützt.

Noch ein Wort zum Gewicht. Der Fernseher ist ohne Standfuss 32,2 Kilogramm schwer. Falls du den Fernseher an die Wand montieren willst, benötigst du deshalb eine VESA-300×300mm-Halterung. Die findest du bei uns hier im Shop. Mit den beiden Standfüsschen ist der Fernseher 33,7 Kilogramm schwer.

Messungen: Gute, aber keine Spitzenwerte für Sonys X95L

Was jetzt kommt, geht tief in die Materie. Falls dich Tabellen und Diagramme nicht interessieren, kannst du das alles überspringen und direkt zum Kapitel «Das Bild: Mini-LED-würdiges Material mit gewohnt starkem Prozessor» scrollen. Ab dort kommen meine subjektiven Eindrücke mit ganz viel Videomaterial.

Natürlich könnte ich nur abgefilmte oder abfotografierte Displays zeigen und auf Stärken und Schwächen hinweisen. Letztlich würde ich so aber nur mein subjektives Empfinden wiedergeben. Wie hell, natürlich und farbgetreu ein Fernseher tatsächlich ist, lässt sich schliesslich auch in Zahlen messen. Das hat einen Vorteil: Zahlen sind objektiver als ich.

Ich habe alle Bildschirm-Modi des Fernsehers mit professionellem Werkzeug von «Portrait Displays» ausgemessen. Von «Standard» über «Kino» bis zu «Dolby Vision», ohne Kalibrierung und manuelle Veränderungen in den Einstellungen. So, wie die meisten Normalsterblichen einen Fernseher benutzen. Schliesslich willst du ja wissen, ob ein Fernseher auch ohne teure und professionelle Kalibrierung akkurat und farbtreu ist.

Die besten Werte erzielte dabei der «Kino»-Modus. Da aber fast alle Streamingdienste bei HDR-Inhalten automatisch auf «Dolby Vision» schalten, beziehen sich die unten aufgeführten Messungen auf den «Dolby Vision Hell»-Modus des Fernsehers.

Die maximale Helligkeit

Die Helligkeit ist aus zwei Gründen für den Fernseher wichtig. Einerseits beeinflusst sie den Kontrastwert und damit, wie viele unterschiedliche Farben ein Fernseher darstellen kann. Andererseits ist die Helligkeit dann wichtig, wenn du oft in lichtdurchfluteten Räumen fernschaust. Ist ein Fernseher nicht hell genug, kann er vom Umgebungslicht im Zimmer überstrahlt werden. Auf dich wirkt das Bild dann eher blass.

Gänzlich neu ist die Mini-LED-Technologie nicht. Allerdings war sie für LCD-Fernseher im Jahr 2020 überlebenswichtig, als der chinesische TV-Hersteller TCL die neuartigen, kleinen LEDs zum ersten Mal auf den Markt brachte. Das liegt an der Funktionsweise von LCD-Fernsehern: Dort, wo Pixel schwarz bleiben sollen, wird das LED-Licht von Leuchtkristallen und Polarisationsfiltern abgeschottet. Theoretisch. In der Praxis dringt aber immer ein wenig Licht durchs Pixel durch. Darum ist bei herkömmlichen LCD-Fernsehern da, wo Schwarz sein müsste, eher Dunkelgrau.

TV-Hersteller haben deswegen Mini LED ausgetüftelt: Tausende, mikroskopisch kleine LEDs, die lokal dimmen. Das sorgt für bessere Schwarzwerte – und damit für bessere Kontraste, die es mit der OLED-Konkurrenz aufnehmen sollen. Dabei gilt: Je zahlreicher die LEDs, die sich zu dimmbaren Zonen gruppieren, desto effizienter lässt sich nerviges Blooming reduzieren. Blooming ist eine Art Heiligenschein, der entsteht, wenn helle Kanten vor dunklem Hintergrund nicht punktgenau angestrahlt werden. Achte im unteren Vergleich aus der Serie «Westworld» aufs Hemd. Oder auf die dunkle Fläche links neben dem Gesicht der Frau. Bei LGs 8K-Fernseher aus dem Jahr 2020 wirkt es, als ob die schimmern würden.

Quelle: UHD-Blu-Ray, «Westworld», Staffel 2, Episode 2. Timestamp: 00:11:50.

So, schauen wir uns jetzt die Helligkeit des X95L an. In der Grafik vergleiche ich direkt mit Samsungs QN95B, der Mini-LED-Konkurrenz, und LGs G3, meiner Meinung nach der aktuell beste und meinen Messungen zufolge hellste OLED-Fernseher der Welt. Bei der Darstellung der Messung gibt es zwei Achsen: Die Vertikale steht für Helligkeit, die Horizontale für den Ausschnitt, in dem die Helligkeit gemessen wird.

Nanu? Bei Sonys X95L passiert etwas, das ich bei meinen Messungen noch nie zuvor gesehen habe:

Nit ist die englische Masseinheit für Candela pro Quadratmeter (cd/m²), also der Leuchtdichte beziehungsweise Helligkeit. 100 Nit entsprechen etwa der Helligkeit des Vollmondes am Nachthimmel. Grafik: Luca Fontana / Flourish.

Erstens erzielt er bei einem Ausschnitt von zwei Prozent der gesamten Bildfläche einen für LCD-Verhältnisse geringen Gesamtwert von nur 1283 Nit. Zweitens – und das ist die eigentliche Überraschung – wird der Fernseher bei grösser werdenden Bildausschnitt zunächst heller, bevor die Helligkeit wieder abnimmt. Normal wäre, dass die Helligkeit im Verhältnis zum grösser werdenden Bildausschnitt abnimmt. Sonst würde es dir vor lauter Helligkeit die Augen aus dem Schädel brennen. Aber der X95L erreicht seinen Spitzenwert gar erst bei einer Fenstergrösse von 25 Prozent der gesamten Bildfläche: 1583 Nit.

Was sagt uns das? Zum einen, dass die 1413 Nit Helligkeit, die LGs G3 anfangs erreicht, ein Hammer-Wert ist. Gerade für einen OLED-Fernseher. Zum anderen, dass Sonys X95L durchaus schwächelt. Samsungs QN95A erreicht nämlich sagenhafte 2104 Nit. Sony hätte ich in der Nähe erwartet. Wenn ein Fernseher nämlich punktuell und bei sehr kleinen Bildbereichen hell strahlt, spricht das in der Regel für bessere Kontraste und mehr Farben. OLED-Fernseher strahlen zwar nicht so hell wie LCD-Fernseher, aber punkten trotzdem mehr beim Kontrast. Dies, weil sie auf der anderen Seite des Spektrums – dem Schwarzwert – LCD-Fernsehern haushoch überlegen sind.

Der X95L punktet weder bei der Helligkeit noch beim Schwarzwert mit Spitzenwerten. Spoiler: Genau das wird sich auf späteren Messungen auswirken.

Beim Ausmessen der Helligkeit werden nacheinander unterschiedlich grosse weisse Ausschnitte auf dem Display ausgemessen. Hier: ein Ausschnitt so gross wie zehn Prozent der gesamten Bildfläche.
Beim Ausmessen der Helligkeit werden nacheinander unterschiedlich grosse weisse Ausschnitte auf dem Display ausgemessen. Hier: ein Ausschnitt so gross wie zehn Prozent der gesamten Bildfläche.
Quelle: Luca Fontana

Ziemlich ordentlich zeigt sich Sonys X95L dafür bei der Helligkeit im 100-Prozent-Fenster – also einem Bildausschnitt so gross wie das gesamte Display. Dort kommt der X95L auf 648 Nit. Das ist fast gleich hell wie Samsungs QN95B. LGs G3 kommt hingegen «nur» auf 250 Nit, was dennoch ein sehr guter Wert für OLED-Fernseher ist.

Wieso ich das betone? Weil es die Helligkeit bei 100 Prozent der Fenstergrösse ist, die erst Rückschlüsse auf die wirkliche Gesamthelligkeit des Fernsehers ziehen lässt, keine vom Marketing der Hersteller verwendeten Spitzenhelligkeits-Werte jenseits der 2000-Nit-Marke. Oder mit anderen Worten: Sonys X95L und Samsungs QN95B strahlen in etwa gleich hell, aber Samsungs TV dürfte dank seiner besseren Spitzenhelligkeit Vorteile bei Kontrast und Farbraum-Abdeckung haben.

Dazu kommen wir noch.

Der Weissabgleich

Wie genau sieht Weiss eigentlich aus? Das kommt auf die Farbtemperatur an. In der Industrie hat man sich beim Kalibrieren auf ein Weiss mit 6500 Kelvin geeinigt, kurz: Weisspunkt D65. Die Meisten würden das als warmes Weiss empfinden, das in Richtung Gelb/Orange geht, genauso wie die daraus resultierenden Farben. Ein schlecht kalibriertes Weiss erzeugt entsprechend schlecht kalibrierte Farben.

Schauen wir uns den Weissabgleich des Fernsehers an. Weiss entsteht beim Fernseher, wenn die roten, grünen und blauen Subpixel pro Pixel gleichzeitig und gleich stark strahlen. Die volle Helligkeit erzeugt also das hellste Weiss. Die niedrigste Helligkeit hingegen das tiefste Schwarz. Können sich die Subpixel sogar ganz ausschalten, wie bei OLED oder QD-OLED, redet man von echtem Schwarz. Alles dazwischen sind demnach nichts weiter als Grautöne.

Um die Genauigkeit des Weissabgleichs zu messen, benötige ich zwei Tabellen:

  1. Graustufen Delta E (dE)
  2. RGB-Balance

Das Graustufen dE zeigt, wie stark die vom Fernseher erzeugten Graustufen vom Referenzwert abweichen. Die RGB-Balance zeigt an, in welche Richtung die vom Fernseher erzeugten Graustufen vom Referenzwert abweichen. Warum ist das wichtig? Schauen wir uns das am konkreten X95L-Beispiel an:

Links: Graustufen Delta E. Rechts: RGB-Balance. Die X-Achse steht für Helligkeit in Prozent. Die Y-Achse für den Delta E (dE).
Links: Graustufen Delta E. Rechts: RGB-Balance. Die X-Achse steht für Helligkeit in Prozent. Die Y-Achse für den Delta E (dE).
Quelle: Luca Fontana

Würdest du den Fernseher direkt neben einen Referenzmonitor stellen, bedeutete das:

  • Wert ist 5 oder höher: Die meisten Menschen erkennen den Unterschied zum Referenzmonitor.
  • Wert zwischen 3 und 5: Nur Expertinnen und Enthusiasten erkennen den Unterschied.
  • Wert zwischen 1 und 3: Nur Expertinnen erkennen den Unterschied, die Enthusiasten nicht.
  • Wert unterhalb von 1: Selbst Expertinnen erkennen keinen Unterschied.

Jeder Wert, der unter fünf liegt, ist für einen nicht-kalibrierten Fernseher ein sehr guter Wert. Im Schnitt liegt das durchschnittliche dE von Sonys X95L bei guten 3,38 dE (dE Avg). Das ist zwar nicht der bislang beste von mir gemessene Wert. Der gebührt Samsungs S95C, ein QD-OLED-Fernseher, den ich hier getestet habe, mit einem durchschnittlichen dE von 1,77. Aber wer sich nicht täglich mit Vermessungen und Kalibrierungen eines Fernsehers rumschlägt, wird den Unterschied kaum sehen. Gute Noten für Sony.

In der Industrie hat man sich beim Kalibrieren auf ein Weiss mit 6500 Kelvin geeinigt. Die Meisten würden das als warmes Weiss empfinden, das in Richtung Gelb/Orange geht. Danach werden die diversen «Dolby Vision»- oder «Kino»-Modi der meisten Hersteller kalibriert. Das Weiss und die Farben im «Standard»-Modus sind hingegen viel kälter. Und kalt tendiert zu Blau. Allein schon deswegen erzeugt der «Standard»-Modus nie ein referenzwürdiges Bild.

Der Blick auf die RGB-Balance (im Bild oben rechts) zeigt nun, inwiefern der Weissabgleich vom Referenzwert abweicht. Dort zeichnen sich nämlich ein leichter Blau- und Grünstich ab, je weisser das erzeugte Weiss ist. Sprich: Die blauen und grünen Subpixel strahlen etwas zu stark. Aber wie gesagt, die Abweichung bewegt sich gerade noch so um dE 5. Dass du den Blau- oder Grünstich bei einem echten Bild tatsächlich als störend empfindest, ist daher sehr unwahrscheinlich.

Der Color Gamut

Der Color Gamut beschreibt die Abdeckung der gängigsten Farbräume. Je grösser die Farbraumabdeckung, desto mehr Farben können dargestellt werden und desto natürlicher wirkt das Bild. Wichtig ist der Gamut darum bei HDR-Inhalten, da sie mit ihrem namensgebenden hohen Dynamikumfang und den damit verbundenen hohen Kontrastwerten auf grosse Farbräume zurückgreifen.

Weiter geht’s mit der Messung des Color Gamuts, der Abdeckung der gängigsten Farbräume. Diese sind:

  • Rec. 709: 16,7 Millionen Farben, Standard-Farbraum für SDR-Inhalte wie Live-TV und Blu-Rays
  • DCI-P3 uv: 1,07 Milliarden Farben, Standard-Farbraum für HDR-Inhalte, von HDR10 bis Dolby Vision
  • Rec. 2020 / BT.2020 uv: 69 Milliarden Farben, wird in der Film- und Serien-Industrie noch kaum genutzt
Links: BT.2020-Abdeckung des X95L. Rechts: DCI-P3-Abdeckung des X95L.
Links: BT.2020-Abdeckung des X95L. Rechts: DCI-P3-Abdeckung des X95L.
Quelle: Luca Fontana

Der grosse «Farbklecks», inklusive der abgedunkelten Bereiche, zeigt die ganze, vom menschlichen Auge erfassbare Farbpalette. Der aufgehellte Bereich links zeigt den Farbraum BT.2020. Rechts dasselbe, einfach der kleinere DCI-P3-Farbraum. Die weissen Kästchen zeigen die eigentlichen Grenzen der jeweiligen Farbräume. Die schwarzen Kreise hingegen die beim Messen tatsächlich gemessenen Grenzen.

Folgende Farbraumabdeckungen hat die Messung ergeben:

  • Rec. 709: 100% (gut = 100%)
  • DCI-P3 uv: 89,35% (gut = >90%)
  • Rec. 2020 / BT.2020 uv: 63,48% (gut = >90%)

Weisst du noch, was ich oben über den Zusammenhang zwischen Spitzenhelligkeit und Farbraumabdeckung gesagt habe? Genau das wird hier sichtbar: Der X95L kommt beim wichtigen Farbraum DCI-P3 nur auf 89,35 Prozent Abdeckung. Samsungs QN95B erreichte im gleichen Test 92,49 Prozent Abdeckung – und damit mehr als die angepeilten 90 Prozent, die ein guter Fernseher haben sollte.

Zum Vergleich: Sonys und Samsungs QD-OLED-Fernseher sowie LGs OLED-Fernseher kommen in diesem Test allesamt auf um die 99 Prozent Abdeckung.

Stand heute schaffen nur QD-OLED-Fernseher die angepeilten 90 Prozent Abdeckung beim BT.2020-Farbraum, und das gerade so. Genau darum kalibriert die Film- und Serienindustrie ihre HDR-Inhalte fast nur im viel weiter verbreiteten DCI-P3-Farbraum. Der BT.2020-Farbraum gilt eher als Farbraum der Zukunft. Das Ausmass seiner Abdeckung ist mehr ein Indikator für die Zukunftstauglichkeit des Fernsehers.

Zum BT.2020-Farbraum. Den deckt Sonys X95L mit «nur» 68,48 Prozent ab. Zugegeben, aktuell erreichen nur Sonys und Samsungs QD-OLED-Fernseher einen Wert von etwas über 90 Prozent. Genau deswegen wird der BT.2020-Farbraum von der Industrie noch kaum genutzt (siehe Infobox oben). Aber selbst Samsungs Mini-LED-Fernseher kommt auf immerhin 71,27 Prozent Abdeckung. Ich finde, da hätte für Sonys Mini-LED-Fernseher mehr drin gelegen.

Der Color Error

Farben sind fürs Fernsehgerät keine Farben, sondern Zahlen, die in Form von Metadaten an den Fernseher gesendet werden. Fernseher können zwar die meisten Metadaten innerhalb der gängigsten Farbräume verarbeiten und darstellen. Das bedeutet aber nicht, dass sie die Farben auch akkurat darstellen. Sonst würde das Bild bei allen Fernsehern ja genau gleich aussehen. Darum gilt: Je mehr die dargestellten Farben denen auf Referenzmonitoren entsprechen, desto farbgetreuer und besser ist der Fernseher.

Zum Color Error. Zu deutsch: der Farbtreue. Sie beschreibt, wie akkurat Farben dargestellt werden. Wie schon oben bei den Graustufen wird die Abweichung vom Fernseher zum Referenzwert als dE bezeichnet. Die weissen Kästchen zeigen die vom Testbildgenerator an den Fernseher gesendeten Referenzfarben an. Die schwarzen Kreise hingegen die tatsächlich gemessenen Farben. Auch hier gilt: dE-Werte unterhalb von 5 sind für nicht-kalibrierte Fernseher gut.

Color Error des X95L im DCI-P3-Farbraum.
Color Error des X95L im DCI-P3-Farbraum.
Quelle: Luca Fontana

Auch hier werde ich etwas enttäuscht – wenngleich auf hohem Niveau. Die Messungen zeigen im «Dolby Vision Hell»-Modus nämlich eine von Haus aus gute Farbtreue. Aber eine, die bei insgesamt 40 Messwerten «nur» ein durchschnittliches dE von 5,79 erreicht. Das ist zwar nur marginal über dem angepeilten Wert von 5. Aber eben: darüber. Darum das Meckern auf hohem Niveau. Samsungs QN95B kam in diesem Test auf sehr solide 2,97.

Im Standard-Modus lag das durchschnittliche dE bei verhältnissmässig guten 10,84. Das ist im Vergleich zu anderen Standard-Modi von anderen Herstellern sogar Bestwert. Das beste durchschnittliche dE erzielte der Kino-Modus mit 2,71. Der Game-Modus kann sich mit einem durchschnittlichen dE von 3,01 ebenfalls sehen lassen.

Spiegelungen

Per se messbar sind Spiegelungen auf dem Bildschirm nicht. Einige von euch haben mir aber geschrieben und sich gewünscht, dass ich trotzdem in meinen Tests darauf eingehe. Gute Idee. Zum Testen stelle ich eine ganz normale Situation im Wohnzimmer nach: zuerst ein Foto abends. Hinter mir der Backofen, neben dem Fernseher die Stehlampe. Das Licht der Stehlampe wird von der Scheibe des Ofens hinter mir reflektiert und zurück auf den Fernseher geworfen.

Und hier das Ergebnis:

Beim Testen von Samsungs Mini-LED-Fernseher hatte ich den Spiegelung-Test noch nicht. Deshalb siehst du hier den Vergleich mit LGs G3, das sichtbar besser mit Reflexionen auskommt. Viel besser. Auch hier enttäuscht mich der X95L.

Viel eklatanter sind aber die Spiegelungen tagsüber, ohne geschlossene Gardinen, Jalousien oder Rollläden, wenn dann auch noch seitlich Licht aufs Panel kommt. Schau:

Tagsüber sieht’s mit dem Spiegelung-Test sogar noch schlimmer aus.
Tagsüber sieht’s mit dem Spiegelung-Test sogar noch schlimmer aus.
Quelle: Luca Fontana

Zum Glück strahlt Sonys X95L LCD-typisch hell. So, dass die nervigen Spiegelungen tagsüber selten auffallen. Zumindest nicht in hellen Szenen. Bei dunklen Szenen hingegen waren die Reflexionen ab und an nervig.

Zwischenfazit nach der Messung

Die Messungen sprechen eine klare Sprache: Sonys X95L ist sicher kein schlechter Mini-LED-Fernseher. Aber Spitzenwerte erreicht er nicht: Die mässige Spitzenhelligkeit wirkt sich leider sichtbar negativ auf die Farbraumabdeckung aus. Die Farbtreue ist zwar gut, aber nicht herausragend. Und mit den Spiegelungen habe ich vor allem tagsüber, bei dunklen Szenen, immer wieder zu kämpfen. Mal sehen, was der Praxis-Test dazu meint.

Das Bild: Mini-LED-würdiges Material mit gewohnt starkem Prozessor

Die Theorie hat gesprochen. Aber wie sieht’s in der Praxis aus? Nochmals zur Erinnerung: Um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, werde ich Sonys X95L in diesem Review vor allem Samsungs Neo QLED QN95B gegenüberstellen, Samsungs Mini-LED-Fernseher aus dem vergangenen Jahr.

Farbwiedergabe

Will ich einen Fernseher auf seine Farbwiedergabe testen, greife ich auf «Guardians of the Galaxy, Vol. 2» zurück. Besonders auf diese Szene: Egos goldener Palast knallt im gesättigten Abendrot. Darin Drax’ grünliche Haut voller blutroter Tattoos. Im Vergleich mit Samsungs Neo QLED fällt in dieser Szene vor allem auf, dass die Tiefen bei Samsung etwas kräftiger sind. Dadurch wirkt das Bild auf mich, als hätte es mehr Punch – ein bisschen so, wie OLED-Fernseher. Sonys Bild wirkt dafür einen Zacken natürlicher, weil die Wärme des Abendrots weniger knallt.

Um für etwas Abwechslung zu sorgen, habe ich ab Minute 00:22 eine Szene aus «Avatar: The Way of Water» eingefügt, wo Grün- und vor allem Blautöne dominieren. Weil der Film erst nach meinem Neo-QLED-Review in die Kinos kam, vergleiche ich ausnahmsweise mit meinem aktuellen Lieblingsfernseher, LGs G3, einem OLED-Fernseher. Vor allem beim bläulichen Hautton der naturverbundenen Na’vi fällt rasch auf, dass LGs Fernseher eine viel bessere Farbtreue besitzt. Dazu kommen wenig überraschend bessere Schwarzwerte – das ist schliesslich die Paradedisziplin von OLED-Fernsehern.

Quelle: Disney+, «Guardians of the Galaxy, Vol. 2». Timestamp: 00:56:47.

Schalten wir ein paar Gänge zurück. Ich will sehen, wie die Farben ausserhalb computergenerierter Welten aussehen. Etwa bei «James Bond – Skyfall», als James und der junge Quartiermeister Q in einem Kunstmuseum das Bild eines stolzen, alten Schlachtschiffs betrachten, das schmachvoll auf den Schrott geschleppt wird. Natürlich eine Anspielung auf den alternden Geheimagenten.

Hier überzeugt mich Sonys Bild mehr. Achte vor allem auf die natürlichen Hauttöne. Bei Samsung schleicht sich ein leichter Rotstich ins Bild. Das bemängelte ich damals schon im Neo-QLED-Review. Ansonsten aber bewegen sich beide TVs auf einem sehr hohen Niveau.

Quelle: Apple TV+, «James Bond – Skyfall». Timestamp: 00:39:02.

Black Crush und Shadow Details

Wie schlägt sich der neueste Sony-Mini-LED bei dunklen Szenen? Für diesen Test kommt die erste Szene aus «Blade Runner 2049» zum Zug. Vorerst noch dies: Offenbar strahlte Sonys X95L besonders hell beim orangen Hintergrund. Anders kann ich es mir nicht erklären, wieso meine Kamera, bei der ich die Blende stets fixiere, damit das Testvideo danach nicht flackert, an dieser Stelle ein so überstrahltes Bild liefert. Ignoriere beim Sony-Fernseher darum diese Sekunden.

Der restliche Clip sagt schon mehr aus: Gerade ums Fenster herum siehst du, wie die zusätzlichen Dimmzonen Sonys für sichtbar weniger Blooming als bei Samsung sorgen (oben, im Kapitel «Die maximale Helligkeit», kannst du nachlesen, wovon ich hier spreche). Dazu ein sehr tiefes Schwarz, besonders für einen LCD-Fernseher. Dass das noch besser geht, zeigt aber der zweite (unfaire) Vergleich mit LGs G3-OLED-Fernseher ab Minute 00:50

Quelle: UHD-Blu-Ray, «Blade Runner 2049». Timestamp: 00:04:50.

Helligkeitsabstufungen

Ein letzter Bildtest: Helligkeitsabstufungen. Ich will sehen, wie gut Sonys X95L gerade helle Bildbereiche darstellt. Auch hier fällt mir wieder auf, dass Sony in hellen Bildbereichen offenbar mehr Volldampf auf die LEDs gibt als Samsung. Achte dich auf die Sonne am Himmel, die beim japanischen Fernseher kaum zu sehen ist und auch die Wolken drumherum «verschluckt». Auf mich wirkt es, als ob Samsung vor allem in Punkto Helligkeit seine LEDs ausgewogener ansteuert.

Quelle: UHD-Blu-Ray, «Jurassic World». Timestamp: 00:21:18. Randnotiz: Das kurze Ruckeln im Samsung-S95B-Video kommt von meiner überhitzenden Kamera, die am Ende eines langen, heissen Sommertages genug vom Filmen hatte.

Prozessor: Auf gewohnt starkem Niveau

Der Prozessor ist das Gehirn des Fernsehers. Seine Hauptaufgabe besteht darin, Bildsignale zu empfangen, zu verarbeiten und darzustellen. Verarbeiten heisst, dass der Prozessor schlechte Bildqualität erkennt und sie aufwertet. Dies, indem er zum Beispiel Rauschen entfernt, Farben verstärkt, Kanten glättet, Bewegungen flüssiger macht und allfällige fehlende Pixel-Informationen dazurechnet.

Motion Processing und Judder

Judder entsteht, wenn das Bildsignal und das TV-Panel nicht dieselbe Bildrate haben. Bei Kinofilmen zum Beispiel: Die meisten TV-Displays können bis zu 120 Bilder pro Sekunde darstellen. Filme werden aber mit 24 Bildern pro Sekunde gedreht. Prozessoren synchronisieren diese Ungleichheit mit Zwischenbildberechnungen. Ist der Prozessor dabei zu aggressiv, wirkt das Bild so übertrieben flüssig wie bei einer Soap Opera. Hält er sich aber zurück, kommt das Bild ins Stottern. Der Film wirkt nervös – auf Englisch: jittery.

Zum Start mache ich es dem Prozessor gleich richtig schwer. Konkret: Judder, ein Phänomen, das alle TVs haben. Besonders bei langen Kameraschwenks. Sam Mendes’ «1917» ist voller solcher gleichmässigen, langsam fliessenden Kamerabewegungen und damit perfekt für den Judder-Test. Achte beim Vergleich mit anderen Herstellern vor allem darauf, ob die vertikalen Balken in der Scheune flüssig durchs Bild laufen oder ins Stottern kommen.

Quelle: UHD-Blu-Ray, «1917». Timestamp: 00:42:25.

Nicht erschrecken: Sonys Bild stottert in den meisten Szenen nie so stark wie hier. Aber ja; Wenn du selbst nichts an den Einstellungen änderst, dann bleibt das so. Das ist übrigens typisch für Sony: Von Haus aus greift der japanische Hersteller nur ungern in die Judder-Reduzierung ein. Ein Film, so der Gedanke Sonys, muss ruckeln. Wie im Kino früher, vor dem digitalen Zeitalter. Schön altmodisch. Mir ist das viel zu viel. Selbst, wenn ich in den Einstellungen unter «Klarheit» nachhelfe, verschwindet das Judder nicht vollständig. Kommt dazu, dass andere, «normale» Szenen plötzlich wie Soap-Operas aussehen. Bei Sony hatte ich in diesem Punkt tatsächlich immer schon Mühe, eine Balance nach meinem Geschmack zu finden. Das machen andere Hersteller besser.

Nächste Szene aus «1917». Auch hier sorgt Mendes’ Kameraarbeit für eine immense Herausforderung für die meisten Prozessoren. Gerade bei harten Kanten vor verschwommenem Hintergrund, etwa um die Helme der beiden Soldaten herum, wenn im Hintergrund Geäst und Gestrüpp daran vorbeizieht. Dort müssen sowohl der Prozessor als auch die Pixel unheimlich schnell reagieren.

Quelle: UHD-Blu-Ray, «1917». Timestamp: 00:35:36.

In dieser Disziplin wiederum gibt sich Sonys Prozessor keine Blösse. Nur das Judder ist – wie immer – ein wenig sichtbar, solange du den direkten Vergleich hast.

Reaktionszeit der Pixel

Als Nächstes das Apple Original «For All Mankind». Ich will sehen, wie lange ein einzelnes Pixel braucht, um seine Farbe zu wechseln. Passiert das nicht schnell genug, sieht’s für dich so aus, als ob das Bild Schlieren ziehen würde – der Effekt wird «Ghosting» genannt. Achte beim Kameraschwenk über die Mondoberfläche auf den unten links eingeblendeten Text.

Quelle: Apple TV+, «For All Mankind», Staffel 1, Episode 5. Timestamp: 00:00:10.

Probleme? Mitnichten. Zumindest nicht bei Sony und Samsung, wo die eingeblendeten Texte stets scharf bleiben. Damit du aber mal siehst, wie das Geschmiere aussieht, das ich meine, habe ich als Zweites im Video oben den Vergleich mit TCLs Mini-LED eingefügt. Fairerweise muss aber gesagt werden, dass es sich dort um einen Vergleich mit dem C82-Modell handelt, das über zwei Jahre älter ist als Sonys X95L. Das Beispiel dient darum bloss zur Veranschaulichung. TCLs C92, der Nachfolger, hatte sich vergangenes Jahr in derselben Disziplin deutlich gesteigert.

Upscaling

Jetzt zu einem der schwierigsten Tests: das Upscaling. Ich will sehen, wie gut der Prozessor qualitativ weniger hochwertige Quellen hochskaliert. Blu-rays oder das gute alte Live-Fernsehen zum Beispiel. Oder «The Walking Dead». Die Serie ist bewusst auf 16mm-Film aufgenommen worden, um mit einer altmodischen Körnung samt Bildrauschen das Gefühl einer kaputten, postapokalyptischen Welt zu erzeugen.

Quelle: Netflix, «The Walking Dead», Staffel 7, Episode 1. Timestamp: 00:02:30.

Bevor du fragst: Ja, es handelt sich tatsächlich um zwei unterschiedliche Clips im Vergleich. Samsungs Bild hat einen kaum sichtbaren Rotstich, wenn du genau hinschaust. Ansonsten macht Sonys Prozessor auch hier eine gewohnt gute Figur. Gewohnt, weil Sonys Prozessoren schon in vergangenen Jahren besonders gut im Aufwerten minderwertiger Quellen waren. Sprich: Das Bild ist scharf gezeichnet, angenehm warm, satt und trotzdem natürlich. Dazu fast kein Bildrauschen oder Kompressions-Artefakte. Da hatte Sonys QD-OLED-Fernseher vergangenes Jahr deutlich mehr Mühe, wie du hier gut sehen kannst.

Gaming: Input Lag und Game Mode

Game-Modi verringern bei allen Herstellern fürs Spielen unnötige Bildverbesserungs-Metadaten. Das verringert zwar die Bildqualität. Dafür verbessert es die Verarbeitungszeit und folglich den Input-Lag – also die Zeit, die der Fernseher braucht, um den Eingang von Bildsignalen auf dem Display darzustellen. Je tiefer der Input-Lag, desto angenehmer die Spielerfahrung.

Beim Messen der Farbkorrektheit im «Game Mode» komme ich auf ein durchschnittliches Delta E von sehr guten 3,01 (lies oben bei «Color Error» nach, falls dich das Thema im Detail interessiert). Das ist zwar kein Referenzbild-Niveau. Aber einer der besten Werte, die ich im «Game Mode» bei einem Fernseher je gemessen habe.

Zum Input-Lag, also der Eingabeverzögerung: Mit dem Messgerät von «Leo Bodnar» messe ich einen durchschnittlichen Input Lag von 18,9 Millisekunden bei einem UHD-Bild mit 60 Bildern pro Sekunde. Nicht gerade überwältigend. Aber innerhalb der bei Fernsehern erlaubten 20 Millisekunden, die ein Game Mode im Jahr 2023 schon hinkriegen sollte. Darüber hinaus unterstützt der Fernseher alle für Gamer relevanten Features:

  • 4x HDMI-2.1-Anschlüsse (4K120Hz)
  • Auto Low Latency Mode (ALLM)
  • Variable Bildraten (HDMI Forum VRR)

Dazu ist Sony – genau wie Samsung, LG, Philips, TCL und Panasonic – eine Partnerschaft mit grossen Spielestudios eingegangen. Das Ergebnis: HGiG – HDR Gaming Interest Group. Damit soll laut Hersteller sichergestellt sein, dass HDR so angezeigt wird, wie es die Spieleentwickler vorgesehen haben. Etwa beim Zocken von «Spider-Man: Miles Morales» auf meiner Playstation 5.

Quelle: PS5, «Spider-Man: Miles Morales», 120Hz-Modus, VRR und Ray Tracing aktiviert.

Was Sony da zaubert, ist ein Bild mit absolut akkuraten Farben. Dazu stelle ich fest, dass Schwarz auch wirklich schwarz ist, die Kanten scharf aussehen und das Bild selbst bei schnellen und ruckeligen Kameraschwenks nicht verschwimmt. Achte etwa auf Miles’ dunkle Silhouette im Gegenlicht, die detaillierten Texturen des verschneiten New York oder die gut sichtbaren Details in den Wolken während der Kampfszenen. So sieht ein guter «Game Mode» aus.

Schade nur, fühlt er sich nicht immer genauso gut an. Etwa beim Spielen von «FIFA23», als mir so manches Dribbling oder perfekt getimte Schüsse misslangen, weil meine Eingaben nicht so schnell vom Fernseher verarbeitet und dargestellt wurden, wie ich es mir von anderen Fernsehern gewohnt bin. LGs G3 etwa hat einen Input-Lag von nur 10,1 Millisekunden.

Smart OS: Google TV

Sony setzt auf Google TV, das vor zwei Jahren komplett überarbeitet worden ist – sehr zu meiner Freude. Früher noch verschmäht, halte ich Google TV mittlerweile tatsächlich für eines der umfangreichsten und trotzdem übersichtlichsten Betriebssysteme im TV-Game. Und weil Sonys X95L einen sehr guten Prozessor hat, steuert sich Google TV entsprechend flüssig und ohne spürbares Ruckeln. Ein rundum gelungenes Smart-TV-Paket.

Quelle: Sony Google TV

Eine unsägliche Mode bei neueren Betriebssystemen ist leider auch wieder dabei: die nervigen und nie zutreffenden Film- und Serien-Empfehlungen. Ich meine: Warum wird mir ausgerechnet «Harry Potter und der Feuerkelch» empfohlen? Neu oder aus irgendeinem Grund aktuell ist der Film nicht. Und warum haben sich diese Empfehlungen in meiner gesamten Testphase nie geändert? Keine Ahnung. Ich bleibe dabei: Google (Android TV und Google TV), Samsung (Tizen OS) und Konsorten, wenn ihr die Empfehlungen nicht richtig hinkriegt, dann lasst sie doch einfach weg. Danke.

Kleines Schmankerl: Sony selbst hat noch eine Art Kunst-Modus hinzugefügt. Statt den Fernseher auszuschalten, kannst du dir dort ein paar schöne Bilder mit Datum und Uhrzeit anzeigen lassen. Das soll bei niedriger Energie und Helligkeit das rechteckige, schwarze Loch im Wohnzimmer ersetzen, das ein ausgeschalteter Fernseher ansonsten ist.

Bonus-Runde: BRAVIA Core ist der Wahnsinn!

Na also: Bravia Core, Sonys eigener Streamingdienst, entwickelt sich. Langsam. Aber in die richtige Richtung. Vor zwei Jahren, als ich Sonys A90J testete, schwärmte ich vor allem aus technischer Hinsicht darüber. Denn Bravia Core ist nicht wie die anderen Streamingdienste aus dem Hause Netflix, Amazon oder Disney. Bravia Core läuft zwar nur auf Sony-TVs – aber überträgt Daten mit satten 80 Megabits pro Sekunde.

80 Megabits pro Sekunde!

  • Ratgeber

    Wer braucht eigentlich UHD Blu-rays?

    von Luca Fontana

Die Sache mit dem Streamen ist nämlich die: Alle Inhalte sind stark komprimiert. Das liegt an den oftmals begrenzten Datenraten zwischen deinem Fernseher und dem Server, auf dem die Streaming-Inhalte liegen. Damit ein UHD-HDR-Inhalt ohne allzu sichtbare Qualitätsverluste abgespielt werden kann, braucht’s eine Datenrate von stabilen 20-30 Megabits pro Sekunde (Mbit/s). Die kriegen Netflix und Co. gerade noch so hin – sofern du bei dir zu Hause über eine entsprechende Leitung verfügst. Und selbst dann kann es zu deutlich sichtbaren Komprimierungsverlusten kommen. Achte im nachfolgenden Beispiel vor allem auf den Zwischenraum zwischen den beiden Männern.

So, jetzt kommt Sony, macht mit Bravia Core auf 80 Mbit/s und Netflix und Co. gucken. Bei Sony heisst das «Pure Stream». Zugegeben: Mit meiner Gigabit-Leitung komme ich meistens «nur» auf etwa 55 bis 60 Mbit/s, wenn ich von Bravia Core streame. Trotzdem, das ist immer noch verdammt viel. Gerade im Vergleich zu anderen Streaming-Diensten. Denn wo der Prozessor nicht mit einer allzu anspruchsvollen Dekomprimierung beschäftigt ist, kann er seine Ressourcen nutzen, um das Bild tatsächlich deutlich aufzuhübschen.

Das zeigt sich auch in der fabelhaften Bildqualität, die es sogar locker mit jener einer UHD-Bluray aufnehmen kann, wo die Datenrate zwischen 108 und 128 Mbit/s liegt. Auch, weil bei Bravia Core dazukommt, dass die meisten Filme mit «IMAX Enhanced»-Metadaten hinterlegt sind. Das ist wichtig. Denn nur so holt der Fernseher auch das Maximum aus dem «IMAX Enhanced»-Bildmodus raus.

Als Beispiel zeige ich dir einen Vergleich zwischen «Blade Runner 2049» via Bravia Core und «Blade Runner 2049» via meiner UHD-Bluray.

Die IMAX-Enhanced-Version gewinnt für mich. Schwarz wirkt sogar noch satter als auf der UHD-Blu-ray, die Farben dadurch einen Zacken kräftiger, ohne künstlich zu knallen. Störende Artefakte, Bildrauschen in dunklen Szenen und unschöne Schlieren finde ich weder auf der UHD-Blu-ray – das habe ich erwartet –, noch in der gestreamten Version.

Aber was gibt’s auf Bravia Core überhaupt? Aktuell nur Sony-Pictures-Filme, obwohl in Japan darüber diskutiert wird, auch andere Filmstudios mit ins Boot zu holen. Die älteren Sony-Filme sind gratis. Die neueren Filme kosten anfangs je einen «Credit», ehe sie nach etwa einem halben bis ganzen Jahr ebenfalls in die Gratis-Bibliothek wandern. Beim Kauf eines BRAVIA-XR-Fernsehers kriegst du 25 solcher Credits geschenkt. Hast du die Credits aufgebraucht, kannst du die kostenpflichtigen Filme innerhalb der Bravia-App käuflich erwerben. Die Zahlung erfolgt via Google-Play-Account und die dort gewählte Abrechnungsmethode. Kostenpunkt pro Film: etwa 10 Franken.

Der Kauf via Credits und die Bravia-Bibliothek sehen so aus:

Glaub mir: Was da oben kompliziert klingt, war bei meinem Test vor zwei Jahren viel unklarer. Damals sagte man mir noch, dass Bravia Core selbst nur zwei Jahre lang gratis sei. Danach fallen zusätzliche monatliche Abo-Kosten in noch unbekannter Höhe an. Davon scheinen die Japaner jetzt abzusehen – vorerst. Neu ist auch, dass endlich klar ist, wie’s mit dem Kauf von Filmen nach dem Verbrauch der Credits weitergeht. Namentlich der Kauf via Google Play. Vor zwei Jahren hatte Sony diesbezüglich noch keine klaren Pläne.

Was jetzt noch fehlt, damit Bravia Core zum ultimativen Streamingdienst wird, sind vor allem Inhalte anderer Filmstudios. Die Herausforderung liegt aber in der Technologie: Damit Pure Stream funktioniert, müssen die Inhalte auf speziellen Sony-Servern abgelegt werden. Das sei technisch und aus Lizenz-Gründen ein riesiges Kuddelmuddel, das sich mit anderen Studios nur schwer auflösen lässt, so die Sony-Verantwortlichen. Aber man arbeite daran.

Fazit: Nicht die Spitzenposition im Mini-LED-Game – aber nahe dran

Anfangs habe ich geschrieben, dass ich Sonys Spitzen-Mini-LED vor allem mit Samsungs letztjährigen Mini-LED-Fernseher vergleichen will. Das Ergebnis: Sieg für Samsung. Sonys X95L fällt vor allem in Punkto Helligkeit und Farbtreue zurück. Bei ersterem sogar überraschend deutlich. Sogar LGs G3-OLED-Fernseher schafft eine bessere Spitzenhelligkeit – technologiebedingt ein rechter Haken von LG, der bei Sony gesessen haben muss.

Ausserhalb des direkten Vergleichs zeigt Sony aber, warum der japanische Hersteller nach wie vor zu den besten TV-Herstellern gehört. Das Bild hat eine tolle Farbwiedergabe, wirkt stets natürlich und wird von einem gewohnt hervorragenden, wenn auch für meinen Geschmack zu sehr zurückhaltenden Sony-Prozessor unterstützt. Und auch im Tandem mit einer Sony Playstation 5 gibt sich der X95L keine Blösse.

Dazu kommt das Ass im Ärmel, das andere Hersteller nicht haben: Bravia Core. Damit sehen selbst Filme, die ich zuvor im UHD-Bluray-Vergleich als weniger berauschend als bei der Konkurrenz empfunden habe, wie komplett neue Masterings aus. Das liegt an Pure Stream und den IMAX-Enhanced-Metadaten. Ein Gamechanger in der Streaming-Welt. Wenn es Sony doch bloss gelänge, auch andere Filmstudios miteinzubinden…

Titelfoto: Luca Fontana

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder.Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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