
Hintergrund
Wir müssen über Samsungs Zukunftspläne an der CES reden
von Dominik Bärlocher
Die CES hat ein Problem mit Sex. Und Frauen. Letztere lösen jetzt ersteres indem sie stolz smarte Vibratoren entwickeln und zeigen.
Abseits der Hauptmessehallen, im zweiten Stock, vor dem Medienzimmer steht ein kleiner Stand. Am Stand steht Liz Klinger, Gründerin der Vibratorenfirma Lioness. Sie ist eine der Frauen, die nicht nur die Tech-Szene aufmischen sondern auch an vorderster Front für die Frauen an der Techmesse CES in Las Vegas kämpfen.
Mit ihrem smarten Vibrator hat Liz Klinger einen Preis der Jury der CTA, den Organisatoren der CES, erhalten. Damit macht die CTA einen Fehltritt aus dem vergangenen Jahr wieder gut. Denn damals hat die Sex-Toy-Firma Lora di Carlo einen Preis der CTA erhalten, der dem Unternehmen dann wieder aberkannt wurde. Grund: Der Vibrator sei obszön. Nach der Empörung online hat Lora di Carlo wieder zurückerhalten.
Liz und Lioness sind im laufenden Jahr eine der wenigen Firmen, die mit Love Toys an der CES auftreten. Der Vibrator aus dem Hause Lioness aber ist der smarteste. Denn das Gerät lernt von dir. Dazu macht die Firma hinter Lioness viel für die sexuelle Gesundheit, sucht aber ihren Platz im Internet.
Orgasmen funktionieren bei Mann und Frau genau gleich. Kontraktionen im Unterleib, erhöhte Herzfrequenz, Dopamin und Oxytocin werden ausgeschüttet, du fühlst dich gut. Zwei dieser Dinge können Smart Devices mit Kontakt der Haut messen.
«Okay, zugegeben, unser Vibrator ist für Frauen gemacht», sagt Liz und zeigt auf den Klitoralstimulator. Dieser ist besonders weich angebracht, damit noch etwas mehr Mobilität aus dem Ding herausgeholt werden kann.
Durch unter der grauen Silikonhaut verbauten Sensoren messen nicht nur, welche Muskeln in der Vagina sich zusammenziehen, sondern auch wie stark. Damit hat der Lioness-Vibrator bereits eine recht gute Idee davon, wann die Userin einen Orgasmus hatte. Dies merkt sich das Gerät. Wenn du die Daten mit der App synchronisierst – musst du nicht, kannst du aber –, dann siehst du die Kontraktionen in einer Grafik.
«Das alleine kann schon Aufschluss über die Sexualität einer Frau geben», sagt Liz, «denn keine zwei Frauen sind identisch».
Doch damit nicht genug. Lioness hat sich der Erforschung der weiblichen Sexualität gemacht. Wenn du willst, dann synchronisiert Lioness die Daten mit der Cloud. Anonymisiert natürlich. «Wir wollen nicht wissen, wer du bist, sondern wie du befriedigt bist.» Daten, die zwar marketingtechnisch relevant und interessant wären, aber nicht direkt der Forschung dienen, werden gar nicht erst gesammelt. Nur eine Mailadresse deiner Wahl ist notwendig, um die smarten Funktionen des Vibrators voll auszunutzen.
Dazu experimentieren die Frauen von Lioness. Auf dem Firmenblog finden sich Artikel mit Titeln wie «Wie eine Hirnerschütterung deinen Orgasmus beeinflusst», «Der Kampf zwischen dem männlichen und dem weiblichen Orgasmus: Gibt es einen Unterschied?». Darin werden von Lioness gesammelte Daten mit Studien und Fachliteratur abgeglichen und interpretiert. Dadurch erhofft sich das Team um Liz Klinger Erkenntnisse in der Erforschung der weiblichen Sexualität, die laut der Vibratorenerfinderin nach wie vor etwas hintendrein ist.
Wenn Liz von ihrem Gerät erzählt, dann geht es nicht lange, bevor sie abschweift. Sie erzählt Geschichten von der Suche nach Geld, um ihren Vibrator auf den Markt zu bringen. «Da gab es Meetings, an denen ich das Wort "Vagina" nicht sagen durfte, da sonst automatisch von Pornografie oder schlimmerem ausgegangen wurde», erzählt sie. Doch nicht nur das Wort alleine, sondern auch der Umgang mit Leuten, die eine Vagina haben, sei in der Tech-Szene etwas schwierig. Eine Freundin von ihr habe vor «etwa fünf Jahren» mal Zyklus-Tracking vorgeschlagen. Das Meeting war kurz, die Idee wurde sofort verworfen. Heute sei das Zyklus-Tracking ein wichtiger Bestandteil von Dingen wie Apple Health.
Das sei ein gutes Zeichen, aber Liz ist klar, dass der Kampf um Repräsentation und Funktionen, die nur auf Frauen zugeschnitten sind, geht weiter.
In eigener Sache: Dass Frauen es in der Tech-Szene schwierig haben, zeigen nicht nur die Skandale um Lora di Carlo oder die Frauen und Männer am kleinen Stand hinten in der Ecke der CES. Während den Tagen in Las Vegas ist das auch Videoproduzentin Stephanie Tresch und mir aufgefallen. Ich, ein Mann, werde als Chef unseres Teams wahrgenommen. Mit mir besprechen die Leute an den Ständen Drehpläne und Schnitteinstellungen. Nicht mein Job. Ich mache hier nur den Erzähler, redigiere und schreibe Texte, fotografiere manchmal. Faustregel aber ist und bleibt, dass ich die Texte mache und Stephanie alles, was im Bild passiert. Die Recherche hinter den Messe-Artikeln sowie die Themenwahl geschieht im Wechsel. Trotzdem: Selbst wenn ich Leute drauf hinweise, dass ich eigentlich gar nichts mit den Videos zu tun habe, reden die Leute fröhlich weiter mit mir.
Ist das ein Problem, das nur die Tech-Szene plagt? Vielleicht. Vielleicht nicht. Die Radikalfeministen unter meinen Lesern werden sagen «Sexismus ist überall», ihre Gegner werden verneinen, dass Sexismus im Spiel ist. Vielleicht haben erstere Recht, vielleicht Zweitere. Ich würde es einfach gerne sehen, dass Stephanie nicht nur als Accessoire eines Mannes wahrgenommen wird, sondern als fähige Person mit Skills und etwas zu sagen. An der CES ist das Problem eines, mit dem wir uns einmal im Jahr auseinandersetzen müssen. Während vier Tagen. Das scheint lösbar. Es ist nicht der grosse Skandal, in der mit Stephanie umgegangen wird wie ein Stück Fleisch, sie auf den Status «Dummerchen» reduziert wird. Es sind die vielen kleinen Aktionen. Das bewusste Ignorieren der Frau im Team. Die Annahme, dass Frauen das gleiche wollen wie Männer, einfach in pink. Der Suffix «Sweetie» für Stephanie am Ende eines Satzes und «Sir» für mich.
Liebe CES, machen wir das doch mal so, dass wir die Frauen an der Messe nicht nur als hübsches Fleisch wahrnehmen. Schauen wir mal, wo uns das hinbringt?
Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.