

Die Maus, mit der du dich traust?

Bereits unsere Urahnen haben sich mit Tierzähnen, Federn und ähnlichem geschmückt. Heute schmücken wir nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Wohnzimmer, Autos und selbstverständlich PCs mitsamt Peripherie. Was das mit einer Gamer-Maus und der maslowschen Bedürfnishierarchie zu tun hat, liest du in den folgenden Zeilen.
Musste Peripherie in den Anfängen der PCs vor allem funktionell sein, soll sie heute auch noch hübsch aussehen. Wobei «hübsch aussehen» subjektiv ist: Apple baut schlichte, weisse Mäuse fürs Büro und Roccat baut kantige, RGB-blinkende Gamer-Mäuse. Beide finden Abnehmer.
User Anonymous hat sich für die Gamer-Variante und die Roccat Kone AIMO entschieden. Dank deren RGB-Beleuchtung erhofft er sich, dass ihm die Frauen zu Füssen liegen:

Mit seiner Produktbewertung hat es User Anonymous in unsere aktuelle Community-Kampagne geschafft. Aber ob es auch mit den Mädchen klappt? Um dieser Frage nachzugehen, will ich zuerst herausfinden, wieso wir uns und unsere Geräte überhaupt schmücken.
Höhere Bedürfnisse
Der US-Psychologe Abraham Maslow – ja, ich packe den jetzt ernsthaft aus – hat in den 1940er Jahren die Bedürfnishierarchie formuliert. Gemäss dieser haben wir Menschen essenzielle Bedürfnisse. Dazu gehören physiologische Bedürfnisse – wie Essen, Trinken und Schlafen – und solche, die der Sicherheit dienen. Dann gibt es noch psychologische Bedürfnisse, wie zwischenmenschliche Beziehungen und das Streben nach Anerkennung und Wertschätzung.
Ziel ist es, die essenziellen Bedürfnisse zu befriedigen. Sobald diese Bedürfnisse befriedigt sind – das muss nicht bei jedem Bedürfnis zu 100 Prozent der Fall sein –, kann sich der Mensch auf die Selbstverwirklichung konzentrieren. Das ganze System ist selbstverständlich etwas komplexer und Maslow hat es später noch ausgebaut. Für den Fall der RGB-Maus reicht das aber.
In der Bedürfnishierarchie kann die Gamer-Maus auf verschiedenen Ebenen angesiedelt werden. Einerseits auf der Ebene des Strebens nach Anerkennung und Wertschätzung: Eine tolle Maus kann in der Peer-Gruppe für Anerkennung sorgen. Je mehr das Peripherie-Teil von der Gruppe anerkannt wird, desto höher auch der soziale Status des Mausbesitzers. Andererseits kann die Maus auch auf der Ebene zwischenmenschlicher Beziehungen förderlich sein: Um überhaupt Zugang zu einer Gruppe zu finden, könnte sie Bedingung sein. Ohne Gamer-Maus spielt es sich nunmal nicht so gut. Oder die Maus könnte sogar dazu führen, dass jemand seine künftige Angetraute findet – wie sich das Anonymous erhofft.
Die RGB-Maus kann aber auch auf der Ebene der Selbstverwirklichung liegen. Mit der Wahl der Roccat kann Anonymous seiner Selbstverwirklichung näher kommen. Er fügt sie zu einem Teil seiner Selbst hinzu.
Drei Punkte zeigt die maslowsche Bedürfnishierarchie: Sie dient Anonymous zur Selbstverwirklichung, zeichnet ihn als Mitglied einer Gruppe und könnte ihn tatsächlich bei der Partnersuche unterstützen. Aber wieso sollte die potenzielle Angetraute ausgerechnet auf Anonymous fliegen? Eine mögliche Antwort lässt sich beim Design finden.
Oh, das glänzt aber schön
Bling, Glitzer oder RGB. Diverse Studien belegen, dass wir Menschen eine Vorliebe für Dinge haben, die reflektieren. Das sah auch schon Taro Tanaka – Designer beim japanischen Uhrenhersteller Seiko – 1962 ein. Tanaka verglich die Seiko Uhren mit Schweizer Uhren. Dabei fiel ihm auf, dass die Schweizer Uhren im Vergleich zu den Seiko-Uhren stärker glänzten und deshalb seine Aufmerksamkeit mehr auf sich zogen. Tanaka fasste in diesem Moment den Entschluss, die Schweizer Uhren zu überstrahlen – wortwörtlich und sprichwörtlich. Tanaka formulierte in der Folge die «Grammar of Design», Grundregeln zum Design von Uhren bei Seiko. Eine dieser Grundregeln ist, dass Uhren glänzen müssen.

Was hat dieser Exkurs mit der RGB-Maus zu tun? Bis Tanaka bei Seiko als Designer anfing, kümmerte sich niemand Spezifisches um das Aussehen der Uhren. Seiko war zu jener Zeit ausserhalb Japans auch relativ unbekannt. Erst dank den Designs von Tanaka gelang dem Uhrenhersteller der internationale Durchbruch.
Auch Roccat zeichnet sich durch ihr Design aus. Das deutsche Unternehmen ist besonders auf ihre RGB-Beleuchtung stolz. Die glänzt und fällt uns Menschen dadurch auf. Ob uns das Geblinke tatsächlich gefällt, sei dahingestellt. Aber unsere Augen werden auf jeden Fall davon angezogen, wie Tanakas Augen damals von Schweizer Uhren.
Nebst Designern wollen auch Forscher herausgefunden haben, warum wir uns von Bling angezogen fühlen.
Alles was glänzt ist… Wasser?
Das Gebiet der evolutionären Ästhetik – ja, das gibt es tatsächlich (und die Leute lachen mich für meinen Master in Gender Studies aus) – beschäftigt sich damit, wie sich die Evolution auf das menschliche Gehirn auswirkt und dadurch die ästhetische Wahrnehmung und Erfahrung beeinflusst. Die Forscher haben herausgefunden, dass wir Menschen Symmetrie, Kurven und Indikatoren von Gesundheit und Fruchtbarkeit ansprechend finden.
Das klingt in Bezug auf eine Gamer-Maus erstmal sehr abstrakt. Eine spezifische Studie macht den Zusammenhang klarer. In der Studie «Taking a shine to it: How the preference for glossy stems from an innate need for water» kommen die Forscher zum Schluss, dass sich Menschen zu glänzenden Dingen hingezogen fühlen, weil sie damit Wasser assoziieren. Und Wasser ist eine notwendige Ressource, um zu überleben.

Stimuli, die Wasser suggerieren – auch wenn sie nicht symmetrisch sind – können dazu führen, dass wir Menschen uns von ihnen angezogen fühlen. Helle, glänzende und reflektierende Oberflächen sind für uns ein Indikator für Wasser und damit eine überlebenswichtige Ressource. Wir sind in dieser Sichtweise evolutionstechnisch dazu verleitet, uns solchen Objekten zu nähern.
Hier lässt sich die Brücke zur maslowschen Bedürfnishierarchie schlagen. Trinken ist ein essenzielles Bedürfnis auf der physiologischen Ebene. Wenn wir also etwas Glänzendes sehen, dass uns an Wasser erinnert, wird zwar das Bedürfnis nicht befriedigt, aber trotzdem assoziiert. Mit glänzenden Objekten werden also alle Ebenen der maslowschen Bedürfnishierarchie angesprochen. Wir fühlen uns auf ganzer Linie angesprochen.
Klappt’s denn so mit den Mädels?
Die Gamer-Maus von Roccat mit RGB hat also die besten Voraussetzungen, dass wir Menschen uns von ihr angezogen fühlen. Aber ob das auch fürs «wybe» reicht? Das kommt wohl ganz drauf an, worauf die künftige Partnerin steht. Was schön ist, liegt immer im Auge des Betrachters oder eben der Betrachterin. Die eingangs erwähnte Apple Magic Mouse glänzt ebenso wie die Roccat Kone AIMO. Gemäss der Forschung müssten wir beide Teile ansprechend finden. Vom Design her sind sie aber dennoch grundverschieden.
Also, lieber Anonymous: Vielleicht hilft dir deine Maus beim Flirtversuch, aber vielleicht auch nicht. Versuchshalber habe ich eine Magic Mouse 2 von Apple und die Kone AIMO von Roccat einigen Vertreterinnen des schönen Geschlechts bei uns gezeigt. Die überwältigende Mehrheit – 12 von 13 Frauen – empfindet die Magic Mouse 2 als schöner. Selbstverständlich ist meine «Studie» nicht abschliessend. Dennoch muss ich dir, Anonymous, sagen:
Leider nein!
So, das ganze Betrachten von Glänzendem, Glitzerndem, Leuchtendem und was weiss ich noch Dem hat mich richtig durstig gemacht. Ich genehmige mir jetzt einen grossen Schluck Wasser.



Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.