Ratgeber

Mikrodrohnen: Doppelt besser dank absichtlich schlechter Flügel

Bis zu sechsmal länger in der Luft und noch dazu stabiler. Für das Design neuer Minitragflächen haben Forscher bewährtes Wissen kurzerhand über Bord geworfen.

Ein Wissenschaftlerteam hat Tragflächen designt, mit denen jedes normale Passagierflugzeug wie ein Stein am Boden bliebe. Statt den Luftstrom möglichst sanft und unterbrechungsfrei über die Oberfläche zu führen, lassen sie ihn schon an der spitzen Flügelvorderkante abreißen. Erstaunlicherweise, so schreibt das Team im Fachmagazin Science Robotics, führt dies am Ende zu einem energieeffizienteren und stabileren Flug.

Das funktioniert allerdings nur bei Tragflächen, die deutlich unter einem Meter groß sind, also bei so genannten Mikro-UAVs oder Mikrodrohnen. Aktuelle Batterien halten die wenige Gramm schweren Flieger für ungefähr eine halbe Stunde in der Luft, so das Team um Matteo Di Luca von der Brown University in Providence, Rhode Island. Dank ihrer neuen Flügel könnte ein solches Fluggerät bis zu drei Stunden lang fliegen, zumindest im Idealfall. Unter realistischen Bedingungen sinke die Flugdauer auf immer noch beachtliche anderthalb Stunden oder mehr, schätzt die Gruppe auf Basis ihrer Windkanalversuche.

Die spitze Vorderkante macht das Flugzeug stabil | Wirbel über der Tragfläche machen das Fluggerät unempfindlicher gegenüber anderen turbulenten Störungen. Erst die Hinterkante fängt die Luftströmung wieder ein.
Die spitze Vorderkante macht das Flugzeug stabil | Wirbel über der Tragfläche machen das Fluggerät unempfindlicher gegenüber anderen turbulenten Störungen. Erst die Hinterkante fängt die Luftströmung wieder ein.
Quelle: Breuer Lab / Brown University

Den Aufbau der Tragflächen haben sie sich in der Natur abgeschaut. Insekten und andere kleine Flieger hätten sie dazu inspiriert, die aerodynamischen Gesetze, die im Großmaßstab gelten, einmal außer Acht zu lassen. Denn in der Welt des Kleinen würden ganz andere Einflüsse auf ein Flugzeug wirken. Sie würden beispielsweise beständig von Luftböen umhergeworfen, die einem normal großen Flugzeug nichts ausmachen.

Der Trick mit dem kontrollierten Strömungsabriss verhindere aber die Störanfälligkeit, stellten die Wissenschaftler fest. Konkret sorgt die spitze Vorderkante dafür, dass in der vorderen Hälfte der Tragfläche Turbulenzen auftreten. Diese scheinen das Flugzeug unempfindlicher gegenüber den zufälligen Böen zu machen. Am hinteren Ende der Tragfläche brachten die Wissenschaftler eine abgerundete Schiene ähnlich einer Landeklappe an. Sie fängt den verwirbelten Luftstrom wieder ein und sorgt so für Auftrieb.

Der Trick schmälere allerdings die Effizienz des Flügels, schreiben die Forscher. Weshalb die Tragflächen länger sein müssten als bei herkömmlichen Minidrohnen. Der Verzicht auf das klassische Tragflächenprofil erleichtere auch dies: Die Flügel könnten ohne Probleme dicker und entsprechend stabiler sein, zudem gewinne man mehr Platz für Batterien – und damit eine noch längere Flugdauer.

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Originalartikel auf Spektrum.de, Photo: Richard Watt/MOD

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