Warner Bros. Pictures
Kritik

«Mickey 17»: Robert Pattinson hält ein Sci-Fi-Chaos zusammen

Luca Fontana
4.3.2025

Stell dir vor, du stirbst. Wieder und wieder. Jedes Mal ersetzt durch eine neue Version von dir – identisch und frisch aus dem Drucker gepresst. Aber was bleibt von dir übrig, wenn du nicht mehr einzigartig bist?

Keine Sorge: Die folgende Filmkritik enthält keine Spoiler. Ich verrate dir nicht mehr, als ohnehin schon bekannt und in den Trailern zu sehen ist.

Bong Joon-ho liebt es, Genregrenzen auszuhebeln. Schon in «Parasite» und «Snowpiercer» vermischte er Gesellschaftskritik mit schwarzem Humor, Familiendrama, Splatter und ikonischen Bildern. Sein erster Film als oscarprämierter Regisseur macht da keine Ausnahme: «Mickey 17» ist in erster Linie eine Sci-Fi-Satire über Klone, Kapitalismus und eine Kolonie am Rande der Selbstzerstörung – und über den Wert eines Lebens, das unendlich oft kopiert werden kann.

Angetrieben wird das Ganze von einem grandiosen Robert Pattinson, dessen Figur Mickey weniger mit der eigenen Sterblichkeit als mit ihrer Austauschbarkeit konfrontiert wird. Ein anregender Gedanke: Was passiert, wenn ein Mensch immer wieder stirbt und dennoch weiterlebt? Wie viel von ihm bleibt in der Kopie der Kopie der Kopie erhalten – und was verändert sich mit jeder neuen Version?

«Mickey 17» stellt diese Fragen klug und mit feinem Witz, bevor er sich in der zweiten Hälfte etwas zu stark in schrillem Klamauk verliert.

Darum geht’s in «Mickey 17»

Doch was passiert, wenn versehentlich plötzlich zwei Versionen von Mickey existieren? Einer zu viel, finden die Kolonialisten. Und vor allem einer zu viel für Kenneth Marshall (Mark Ruffalo), den charismatischen, aber undurchsichtigen Anführer der Kolonie, der lieber den Status quo bewahren will. Unterstützt von seiner Frau Ylfa (Toni Collette), versucht er sicherzustellen, dass Mickey seine Rolle als funktionierendes Zahnrad im System nicht hinterfragt.

Nur hat Mickey keine Lust mehr, sich einfach ins nächste Druckerfach schieben zu lassen.

Wenn Science-Fiction noch Fragen stellt

In der Science Fiction gibt es Filme, die in erster Linie Schauwerte liefern. Grosse Raumschiffe, fremde Planeten, Actionsequenzen, die sich gegenseitig überbieten. Und dann gibt es Filme wie «Mickey 17», die genau das tun, was das Genre in seinen besten Momenten auszeichnet: Fragen stellen.

Die erste Hälfte des Films ist ein Paradebeispiel dafür. Sie wirft uns Zuschauende mitten in eine Welt, in der das Klonen nicht nur eine technologische Errungenschaft und ökonomische Notwendigkeit ist, sondern auch eine ethische Kontroverse und psychische Tortur. Denn es ist ja nicht so, als ob man nie stirbt. Im Gegenteil: Wer verzweifelt genug ist, stirbt immer wieder – und lebt trotzdem ewig.

Versuch mal, deinen Verstand um diesen Gedankengang zu wickeln.

Dieses Kunststück gelingt «Mickey 17», weil der Film diesen Konflikt nicht mit erhobenem Zeigefinger aufdrängt, sondern ihn beiläufig in den Alltag von Mickey einfliessen lässt. Wie andere zur Arbeit gehen, geht er eben sterben. Wie andere einen Kaffee holen, holt er sich einen neuen Körper. Oder besser gesagt: Er wird ihm ausgedruckt.

Mickey wird ausgedruckt.

Solche Details machen die erste Hälfte von «Mickey 17» so faszinierend wie surreal. Das liebe ich. Denn der Film ist clever geschrieben, pointiert und voller Momente, die das Thema mit trockenem Witz und absurden Szenen unterstreichen.

Bestes Beispiel? Eine Szene ganz am Anfang des Films, in der Mickey in einen Eisspalt stürzt, gute zehn Meter tief, sich und seinen zerschmetterten Körper mühsam aufzurappeln versucht und dann feststellt, dass er wohl doch nicht erfrieren, sondern gefressen werden wird – von einer gigantischen, schabenartigen Schnecke. Während das Vieh sich langsam auf ihn zubewegt, seufzt Mickey nur:

«Ich schätze, von einem riesigen Monster gefressen zu werden, ist immer noch besser, als stundenlang zu Tode zu erfrieren.»

Er hält kurz inne. Dann verzieht er das Gesicht, schliesst die Augen und lässt das Unvermeidliche passieren.

«Oder auch nicht.»

Wenn Science-Fiction ins Straucheln gerät

Es ist genau dieser trockene Humor, diese dezente Resignation, die Mickey so liebenswert macht. Und genau diese Subtilität, die der Film in seiner zweiten Hälfte leider verliert.

Was bis dahin eine kluge Mischung aus Science-Fiction, Satire und Witz gewesen ist, wird plötzlich lauter, hektischer – und in manchen Momenten geradezu chaotisch. Statt weiter die Frage nach Identität und Austauschbarkeit zu vertiefen, tritt der Film aufs Gaspedal und lenkt in eine Richtung, die sich anfühlt, als hätte jemand mitten in der Projektion das Genre gewechselt.

Wenn Science-Fiction einen Anker braucht

Eine Frage gibt es noch, die Mickey 17 immer wieder stellt und mich unheimlich fasziniert hat: Wie fühlt es sich an, zu sterben? Er müsste es wissen, schliesslich ist er schon unzählige Male gestorben. Und doch – weiss er es tatsächlich? Erinnern sich seine Kopien an das Sterben? Oder ist er dem grössten Mysterium der Menschheitsgeschichte genauso blind ausgeliefert wie jeder andere?

Während der Film diese Frage nie vollends beantwortet, schwingt sie in fast jeder Szene mit – und gibt Robert Pattinson die perfekte Bühne für eine seiner nuanciertesten Performances. Denn so überzogen und überzeichnet der Film in seiner zweiten Hälfte wird, Pattinson bleibt konstant und hält alles locker zusammen.

Gerade in dieser Dynamik zeigt sich, worin Pattinsons wahre Stärke liegt: Es ist nicht nur die physische Transformation, die ihn als Schauspieler auszeichnet. Es ist die Art, wie er subtile Unterschiede in Körpersprache, Mimik und Sprechweise einsetzt, um zwei Figuren zu erschaffen, die sich aufs Haar gleichen – und doch grundverschieden sind.

Mehr über das Thema reden wir in der aktuellen Folge des Tech-telmechtel-Podcasts

Fazit

Wenn Science-Fiction sich selbst kopiert

«Mickey 17» beginnt als kluge, schwarzhumorige Reflexion über Identität, Austauschbarkeit und den Wert eines Lebens, das unendlich oft kopiert werden kann. Vor allem anfangs stellt der Film damit packende Fragen, jongliert geschickt mit existenziellen Themen – nur um sich in der zweiten Hälfte ein wenig zu sehr in seinem eigenen Wahnsinn zu verlieren.

Denn was als subtile Satire beginnt, wird zunehmend überdreht. Mark Ruffalo und Toni Collette verkörpern zwar mit maximaler Spielfreude ihre überzeichneten Rollen, was isoliert betrachtet durchaus gefällt, aber «Mickey 17» driftet zumindest zwischenzeitlich tonal in eine Richtung, die nicht mehr so recht zum klugen, leise skurrilen Science-Fiction-Drama der ersten Hälfte passen will.

Doch eine Konstante bleibt: Robert Pattinson. Er ist es, der dem Film ein Herz gibt und der ihn zusammenhält, selbst wenn um ihn herum alles in Absurdität versinkt. Mit dieser Rolle beweist er aufs Neue, dass er längst nicht mehr «der Typ aus ‹Twilight›» ist – sondern einer der spannendsten Schauspieler seiner Generation.

Titelbild: Warner Bros. Pictures

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Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


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