Warner Bros.
Kritik

«Superman»: Der Start ins neue DCU bleibt zahm

Luca Fontana
9.7.2025

James Gunn sollte dem Superhelden-Genre neues Leben einhauchen. Doch sein «Superman» bleibt überraschend brav. Statt Mut und Vision gibt’s solide Unterhaltung – und einen Regisseur, der sich ausgerechnet beim wichtigsten Helden zähmt.

Keine Sorge: Die folgende Filmkritik enthält keine Spoiler. Ich verrate dir nicht mehr, als ohnehin schon bekannt und in den Trailern zu sehen ist. «Superman» läuft ab dem 10. Juli im Kino.

Ich wollte, dass dieser Film knallt. Dass er mich packt, überrascht, bewegt – oder zur Not wenigstens wütend macht. Irgendetwas. Nur nicht das: Mir nichts weiter als ein Schulterzucken zu entlocken.

Denn James Gunn ist nicht irgendwer. Er ist der Regisseur, der einem sprechenden Waschbären mehr emotionale Tiefe verliehen hat als so manch oscarprämiertem Drama. Der mit «Peacemaker» eine der bissigsten, mutigsten und zugleich verletzlichsten Superheldenserien geschaffen hat. Und der jetzt das totgeglaubte DC-Universum neu starten darf: mit «Superman».

Nur fühlt sich dieser Anfang nicht wie ein Aufbruch an, sondern wie ein Kompromiss. Als hätte sich Gunn selbst die Flügel gestutzt – ausgerechnet beim Mann, der fliegen kann.

Ein Held, zu schwer für die Welt

Keine Frage: Superman ist mehr als ein Superheld. Er ist eine Idee. Ein Archetyp. Der moralische Fixstern eines ganzen Genres. Wo Batman etwa die Dunkelheit in uns spiegelt, ist Superman das Licht, das wir nie erreichen – aber immer anstreben sollten. Er ist Hoffnung. Gnade. Unantastbarkeit. Und genau das macht ihn so verdammt schwer zu erzählen.

James Gunn versucht es trotzdem. Doch statt uns langsam an diesen neuen Superman heranzuführen, wirft er uns ohne Vorwarnung mitten ins neue DC Universe – dem DCU. In seiner Welt sind sogenannte Metamenschen seit Jahrhunderten etabliert und gehören zum Alltag. Superman ist indes seit drei Jahrzehnten auf der Erde – und hat gerade seinen ersten Kampf verloren.

Warum gerade jetzt? Gegen wen? Keine Zeit für Fragen. Kaum taumelt der Mann aus Stahl zu Boden, beginnt schon der nächste Angriff. Und der nächste. Und der nächste.

Es ist, als hätte Gunn Angst, dass wir das Interesse verlieren, wenn’s nicht sofort rummst. Also stürzt er uns von einem Action-Setpiece ins nächste, bevor wir überhaupt begriffen haben, welche Regeln in diesem neuen DCU eigentlich gelten. Wer hier welche Rolle spielt. Wer Freund ist und wer Feind.

Was uns emotional tragen soll – und was nur Füllmaterial ist.

Der Ansatz ist nicht verkehrt. Doch statt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, beginnt Gunn nicht nur mit der grossen Kelle zu rühren, sondern haut uns gleich das ganze Buffet auf einmal um die Ohren. Denn der neue Superman fliegt nicht einfach nur in Metropolis ein. Er interveniert gleich in einem internationalen Konflikt zwischen zwei fiktiven Nationen: Jarhanpur und Boravia. Die Parallelen zum realen Weltgeschehen sind zwar lächerlich klischiert, aber offensichtlich und gerade deshalb generisch. So sehr sogar, dass jede echte Haltung schon im Ansatz verpufft.

Und kaum ist eine Szene vorbei, stapelt sich das nächste Puzzle im globalen Worldbuilding wie ein Kartenhaus, das beim kleinsten Hauch zerfallen könnte. Klar, eine neue Welt nicht mit Exposition, sondern mit Tempo aufzubauen – das hat Charme. Aber hier wirkt alles gehetzt. Wie die Zusammenfassung lauter Versatzstücke aus einer Serie, die wir nie gesehen haben.

Tauchen so ziemlich aus dem Nichts auf und werden nie erklärt: Guy Gardne, ein Green Lantern, Hawkgirl und Mr. Terrific – oder so.
Tauchen so ziemlich aus dem Nichts auf und werden nie erklärt: Guy Gardne, ein Green Lantern, Hawkgirl und Mr. Terrific – oder so.
Quelle: Warner Bros.

Ein paar dieser Versatzstücke? Ein Green Lantern, Hawkgirl, Superdog, Schwarze Löcher, Taschenuniversen, interdimensionale Blops, Kaijus, ein Gestaltwandler mit grünem Baby. Dazu Lex Luthor, der mal eiskalter Stratege, mal cholerischer Tech-Bro ist. All das innerhalb der ersten 60 Filmminuten. Und mittendrin ein Superman – von David Corenswet zwar nett, aber nicht besonders charismatisch gespielt. Gross Gelegenheit zur Selbstdefinition hat er ohnehin nicht: Ständig muss er irgendetwas oder irgendjemanden retten. Oder bekämpfen.

Vieles davon wäre spannend. Einzelne Szenen zünden, einzelne Ideen blitzen auf. Etwa, wenn Lois Lane – stark gespielt von Rachel Brosnahan – Clark Kent alias Superman zum Interview bittet. Was als harmlose Begegnung beginnt, entpuppt sich schnell als kleines Machtspiel: Sie will mehr als nur Worthülsen. Sie will herausfinden, wie viel Kalkül wirklich hinter Supermans makellosen Fassade steckt. Für einen Moment bekommt sein moralischer Hochglanz tatsächlich erste Risse. Superman wirkt dann endlich wie eine Figur, nicht nur wie ein Symbol.

Superman, der sich schützend vor ein Kind stellt – nichts schreit mehr nach Superman.
Superman, der sich schützend vor ein Kind stellt – nichts schreit mehr nach Superman.
Quelle: Warner Bros.

Doch diese Momente verschwinden so schnell, wie sie gekommen sind. Der Film hetzt von einem Versatzstück zum nächsten, ohne dass sich etwas setzen darf. Und ohne dass Superman – diese ikonischste aller Figuren – je wirklich in der neuen Welt ankommt, die da aufgebaut wird.

Der klügste Mann der Welt – wirklich?

Und dann ist da noch Lex Luthor, bei diesem Film mein grösster Dorn im Auge. Angeblich soll er der klügste Mensch der Welt sein. Ein Strippenzieher, ein Stratege, ein Mann, der aus dem Schatten heraus Imperien stürzt – so kennen wir ihn. So wollen wir ihn.

Doch in James Gunns Version wirkt er oft wie das Gegenteil: fahrig, laut, überreizt. Meist bellt er Befehle durch eine Hightech-Kommandozentrale. Oder aber er wettert gegen Superman wie ein schlecht gelaunter Reddit-User mit Weltherrschaftsfantasien. Da ist wenig von der stoischen Brillanz zu spüren, die dieser Figur sonst innewohnt. Kevin Spacey zum Beispiel brachte sie in «Superman Returns» mit sadistischem Understatement auf den Punkt. Michael Rosenbaum in «Smallville» mit kontrollierter, schleichender Manipulation.

Nicholas Hoult ist einer der begnadetsten Schauspieler unserer Zeit. Aber zu Lex Luthor will er nicht so recht passen.
Nicholas Hoult ist einer der begnadetsten Schauspieler unserer Zeit. Aber zu Lex Luthor will er nicht so recht passen.
Quelle: Warner Bros.

Nicholas Hoults Lex hingegen wirkt, als müsste er sich ständig selbst davon überzeugen, dass er wirklich der Schlauste im Raum ist. Sein Masterplan? Ein unübersichtliches Konstrukt aus Propaganda, Framing und militärischer Aufrüstung. Doch am Ende funktioniert das alles nur, weil ihm plötzlich ein entscheidendes Puzzleteil in den Schoss fällt – ein Geheimnis über Superman, das seine ganze Kampagne endlich plausibel erscheinen lässt.

Aber genau da liegt das Problem: Luthors brillanter Plan wäre ohne diesen Zufall schlicht ins Leere gelaufen. Dass ausgerechnet der «klügste Mann der Welt» sein wichtigstes Druckmittel nicht selbst herleitet, sondern über Bande zugespielt bekommt – das kratzt nicht nur an seiner Autorität, sondern auch am Drehbuch.

Die Figur wirkt dadurch nicht gefährlich, sondern überambitioniert. Und der Film verpasst es, ihn zu jener Art Gegenspieler zu machen, die Superman wirklich herausfordert: intellektuell, moralisch, ideologisch. Stattdessen bleibt Luthor ein lauter Gegner in einem lauten Film. Gähn.

Ein gezähmter James Gunn

Ach, James Gunn … Als neuer Chef der DC-Studios konnte er entscheiden, wer den Grundstein für das neue DCU legt und entschied sich – für sich selbst. Nie hatte er mehr kreative Kontrolle. Keine alten Studiozöpfe. Kein eingefädeltes Universum, dem er gerecht werden musste. Und schon gar kein Kevin Feige im Nacken. Trotzdem wirkt dieser Film, als hätte er mehr Fesseln denn je.

Vielleicht, weil sie unsichtbar waren? Weil sie aus Erwartungen bestanden – den Erwartungen der Fans, des Studios und nicht zuletzt seinen eigenen? Denn Gunn ist sich bewusst, dass Superman kein Nischenprojekt wie «Guardians of the Galaxy» oder «Peacemaker» ist. Superman ist nicht bloss Kult. Superman ist das Symbol eines ganzen Genres – und Gunn scheint genau daran zu zerbrechen.

Er will dem Mythos gerecht werden und wirkt gerade deshalb so seltsam gehemmt. Als dürfe er nicht der Gunn sein, der sich in «The Suicide Squad» noch mit explodierenden Köpfen, Tentakel-Monstern und tragisch-komischen Losern ins Herz des Chaos geschossen hat. Damals durfte er alles. Und hat genau deshalb etwas Echtes erschaffen – ausgerechnet im Abfallkübel der DC-Filmgeschichte.

Hier hingegen scheint jeder Impuls zur Grenzüberschreitung abgedämpft, jeder Tabubruch zurückgehalten. Statt radikaler Vision gibt’s Spass, Schmunzler und harmlose One-Liner.

Dabei versucht auch dieser Superman, mit sich zu ringen. Er stellt Fragen nach Zugehörigkeit, nach Verantwortung und nach moralischer Integrität. Aber sie kommen spät – und sind schnell wieder vom Tisch. Die Vater-Sohn-Szenen auf der Kent-Farm, die diesen Konflikt emotional verankern sollen, wirken wie nachgereicht. Zu spät eingeführt, zu wenig aufgebaut, zu wenig verdient.

Selbst Supermans Herkunft, ein zentrales Element jeder Inkarnation dieser Figur, bleibt hier merkwürdig unentschlossen. Es gibt einen Moment, in dem der Film andeutet, diesen Mythos auf den Kopf zu stellen. Eine neue Lesart, eine mutige Umdeutung. Doch statt sie wirklich auszuloten, schiebt Gunn sie überraschend schnell beiseite – als zögerte er selbst, diesen Schritt konsequent zu gehen. Als hätte Gunn beim Schreiben immer wieder angehalten und sich gefragt: Darf ich das wirklich? Wollen die Leute das?

Vertragen sie das von mir – und von Superman?

Superdog sorgt ohne Zweifel für einige der herzigsten Jöh-Momente des Films.
Superdog sorgt ohne Zweifel für einige der herzigsten Jöh-Momente des Films.
Quelle: Warner Bros.

Genau das ist das Problem. Denn wenn ausgerechnet James Gunn nicht mehr wagt, unbequem zu sein, bleibt nur ein Film, der unterhält, aber nicht berührt. Mich zumindest lässt er seltsam leer zurück.

Fazit

Ein Flug mit angezogener Handbremse

Am Ende ist «Superman» kein schlechter Film. Er ist unterhaltsam, stellenweise witzig, visuell ansprechend und – vielleicht am wichtigsten – endlich wieder hell. Nach all der bleischweren Düsternis früherer Superman-Versionen wirkt dieser Film wie ein Befreiungsschlag. Einer, der sagt: Hoffnung darf auch leichtfüssig sein.

Dennoch bleibt ein schales Gefühl. Nicht, weil der Film objektiv scheitert – sondern weil er hinter dem zurückbleibt, was James Gunn kann. Weil er zu oft abbiegt, wo er eigentlich den Mut zum Geradeausgehen bräuchte. Und weil Gunn sich selbst Grenzen setzt, obwohl niemand sie ihm aufzwingt.

Vielleicht bin ich auch einfach mit zu hohen Erwartungen reingegangen. Erwartungen, die James Gunn mit seiner bisherigen Arbeit selbst geschürt hat. «Superman» ist nicht mutig, nicht rund, nicht radikal. Aber er ist auch nicht belanglos. Inmitten des brachialen Gewummes blitzen immer wieder kurze Momente auf, in denen der Film zeigt, was möglich gewesen wäre. Und eines ist «Superman» definitiv keine einzige Sekunde lang: langweilig.

Titelbild: Warner Bros.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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