Lorenz Keller
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Drahtloses Laden: Darum ist der Qi2-Standard bisher ein Reinfall

Lorenz Keller
12.3.2024

Gross waren die Hoffnungen, gross ist die Enttäuschung: Zwar bringen die Zubehör-Hersteller viele Qi2-Charger auf den Markt. Bisher bringt das aber nur iPhone-Usern etwas, Android-Geräte fehlen nach wie vor.

Standard für alle, mit Apple-Technik

Darum geht’s: Qi2 (ausgesprochen «tschi tuu») ist ein Standard für drahtloses Laden von Smartphones und Zubehör. Der Vorteil: Mit 15 Watt ist doppelt so schnelles Charging möglich wie bislang mit Qi. Zudem definiert der neue Standard Punkte fürs magnetische Andocken von Ladegerät und Smartphone. Die Technik kommt von Apple, wo sie unter dem Begriff Magsafe schon verbreitet ist. Neu können auch Android-Phones mit Qi2 diese Magnete nutzen.

Die Erwartungen an Qi2 sind unter anderem so hoch, weil es selten ist, dass sich die gesamte Branche ohne äusseren Druck auf einen Standard einigt. Und im Wireless Power Consortium, das Qi2 propagiert, sind wirklich alle mit Rang und Namen dabei: Apple, Google, Samsung, Xiaomi, Huawei, Oppo, Sony – total über 250 Hersteller.

Mehr Details kannst du hier nachlesen:

Wo bleiben die Android-Phones mit Qi2?

Insider haben mir auf dem Mobile World Congress verraten, dass wohl erst das Google Pixel 9 im Herbst Qi2 unterstützen dürfte. Alle anderen Android-Neuheiten werden bis dann ohne Qi2 auf den Markt kommen.

Verspätung liegt an der Qi2-Verspätung

Doch warum haben Samsung, Xiaomi, Honor und Co. ihre Handys dieses Jahr bisher ohne Qi2 auf den Markt gebracht? Eine offizielle Begründung der Hersteller gibt es nicht. Doch in Gesprächen haben Zubehörhersteller auf dem MWC verraten, was das Problem ist.

Für Samsung, Xiaomi, Honor und Co. geht es ja nicht nur um einen neuen Ladestandard, sondern auch um die magnetischen Halterungen, die in der Android-Welt bisher keine Rolle gespielt haben. Diese brauchen technische Anpassungen an der Hardware. Samsung beispielsweise soll ein Problem beim Galaxy S24 Ultra haben, wo der im Gehäuse integrierte Stift mit den magnetischen Andockpunkten ins Gehege kommt.

Auch die Zubehörhersteller konnten ihre Halterungen und Charger von Magsafe ziemlich einfach auf Qi2 umrüsten und waren darum zum Start des neuen Standards bereit.

Es bleibt ein ärgerliches Fragezeichen

Wird alles gut, wenn dann die Android-Hersteller mit Verspätung auf den Qi2-Zug aufspringen? Nicht unbedingt. Denn nach wie vor ist völlig unklar, ob die grossen Handy-Hersteller auf Qi2 mit Magneten oder auch ganz ohne setzen. Beides ist nach dem neuen Standard möglich – sinnvoll ist nur Ersteres. Viele Halterungen funktionieren nur mit dem magnetischen System. Das Handy wird dadurch in Position gehalten und lässt sich ganz leicht andocken und loslösen.

Aber auch bei normalen Ladepads machen Magnete Sinn. Denn damit sitzen die Ladespulen immer perfekt. Das ist effizienter bei der drahtlosen Energieversorgung. Und so wird die Gefahr minimiert, dass du das Smartphone zu wenig genau auf den Charger legst und es gar nicht geladen wird.

Ich finde, der Standard hätte einheitlich ausgestaltet werden müssen. Die Qi2-Zertifizierung sollten die Hersteller nur mit der magnetischen Kopplung erhalten. Das wäre auch für die Konsumentinnen und Konsumenten klar und eindeutig. Was für ein Frust, wenn du ein schönes Ladegerät kaufst, aber das Smartphone gar nicht richtig andocken kannst.

Immerhin gibt’s schon heute Case-Hersteller, welche diese Lücken schliessen. Statt im Smartphone hast du die magnetische Halterung einfach in der Smartphone-Hülle.

Unnötige Startschwierigkeiten

Das Problem am momentanen Zustand: Die Konsumentinnen und Konsumenten werden verunsichert. Ein neuer Standard wird angekündigt, doch zum offiziellen Startzeitpunkt sind die Hersteller eigentlich noch gar nicht bereit.

Statt die Qi2-Sause dann einfach zu verschieben, wird die Lancierung durchgedrückt. Wer sich nicht intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, sieht sich nun mit einem Standard konfrontiert, für den es ausser für die iPhones gar keine Geräte gibt. Und wegen der verwirrenden Ausgestaltung von Qi2 mit und ohne Magneten droht weiteres Ungemach. Nämlich frustrierte Kundinnen und Kunden, die sich Charger kaufen, die sie danach gar nicht benutzen können.

Titelbild: Lorenz Keller

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