Produkttest

Canon Objektiv-Simulator: Vom Bild zum Objektiv

David Lee
17.4.2020

Sag mir, was für ein Foto du willst, und ich sag dir, welches Objektiv du brauchst. Das ist die Idee des Objektiv-Simulators von Canon. Die Einfachheit ist verlockend – und auch ein wenig trügerisch, denn ganz ohne Hintergrundwissen geht es dann doch nicht.

Vor allem Einsteiger können beim Kauf eines Objektivs viel falsch machen. Im dümmsten Fall bestellen sie etwas, das gar nicht an die eigene Kamera passt. Gerade bei Canon besteht diese Gefahr, denn Canon unterhält vier verschiedene Kamerasysteme.

Die vier Kamerasysteme von Canon

Ganz kurz die vier Kamerasysteme im Überblick:

  1. Spiegelreflexkameras mit Vollformatsensoren. Die passenden Objektive dazu tragen die Bezeichnung EF.
  2. Spiegelreflexkameras mit kleineren APS-C-Sensoren. Die Objektive dazu heissen EF-S.
  3. Spiegellose Kameras mit Vollformatsensoren. Objektivbezeichnung: RF.
  4. Spiegellose Kameras mit kleineren APS-C-Sensoren. Objektivbezeichnung: EF-M.

Die Systeme sind teilweise untereinander kompatibel:

  • Objektive für Spiegelreflexkameras können an spiegellose Kameras mit einem Adapter angeschlossen werden – das Umgekehrte ist nicht möglich.
  • Objektive für grosse Sensoren können auch an Kameras für kleine Sensoren angeschlossen werden. Der Bildausschnitt ist dann aber kleiner. Das Umgekehrte ist bei Canon nicht möglich.

Trotz dieser teilweisen Kompatibilität ist es fast immer das beste, nach Objektiven Ausschau zu halten, die für dein System konzipiert wurden.

Spezifikationen filtern – oder ein Bild simulieren

Zur richtigen Entscheidung gehört noch mehr. Kann ich mit dem Objektiv nahe genug heran, um Makro-Aufnahmen zu machen? Bringe ich ein weit entferntes Tier gross ins Bild? Eignet sich das Objektiv für Porträts? Kann ich den gesamten Berg abbilden?

Digitec Galaxus versucht zwar, den Usern Fehlkäufe zu ersparen: Durch Angaben wie Sensorkompatibilität, Tooltip-Erklärungen zu bestimmten Spezifikationen oder indem du nach Objektivanschluss filtern kannst. Doch die Sache ist und bleibt kompliziert. Du kommst nicht darum herum, eine Menge zu lesen und dir Hintergrundwissen anzueignen.

  • Ratgeber

    Der Objektiv-Guide: Fragen und Antworten

    von David Lee

Mit dem Objektiv-Simulator geht Canon einen anderen Weg. Die Idee: Du wählst nach verschiedenen Kriterien, welches Bild du haben willst, und der Simulator zeigt dir die dafür geeigneten Objektive an. Auf eine intuitive Art, ohne lange technische Erklärungen, sollst du zum passenden Modell gelangen.

So funktioniert der Simulator

Der Einstieg ist klar: Du wählst den Anwendungsbereich, zum Beispiel Porträt oder Makro. Darauf wird dir ein typisches Bild gezeigt, das sich je nach Einstellungen verändert. Beim Porträt zum Beispiel erkennst du gut, wie der Hintergrund je nach Blende mehr oder weniger verschwimmt. Und du merkst sofort, dass stark verschwommene Hintergründe nur mit bestimmten Objektiven zu erreichen sind. Unten werden die Modelle gezeigt, mit denen die gewählte Kombination aus Brennweite und Blende möglich ist.

Ein «A» signalisiert, dass das Objektiv zwar benutzbar ist, jedoch nur mit einem Adapter. Eine Zahl bedeutet, dass es mehrere passende Objektive mit dieser Brennweite (oder bei Zooms dem Brennweitenumfang) gibt – ein Klick darauf zeigt sie einzeln an.

Damit du nur die Objektive angezeigt bekommst, die du auch benutzen kannst, wählst du im Dropdown-Menü oben rechts dein Kamerasystem aus. In der Mobile-Ansicht ist das Menü unter den Reglern für Brennweite und Blende.

Bei EOS R und DSLR Vollformat kannst du durch einen Schalter beim Bild den Ausschnitt auf APS-C umschalten. Dies hat keinen Einfluss auf die angezeigten Objektive, denn wie oben ausgeführt, kannst du APS-C-Objektive nicht an Vollformatkameras anschliessen. Einige Canon-Vollformatkameras können jedoch den Bildausschnitt auf APS-C beschneiden; darum willst du vielleicht wissen, wie das aussieht.

Nachteile und gewollte Einschränkungen

Der Unschärfebereich hängt nicht nur von der Brennweite und der Blende ab, sondern auch von den Distanzen zwischen Kamera, Hauptmotiv und Hintergrund. Das ist bei jedem Foto anders. Die Bilder im Simulator sind also nicht allgemeingültig, sondern als Beispiele zu verstehen. Sie geben einen ungefähren Eindruck.

Jedes Objektiv erzeugt ein etwas anderes Bokeh: Je nach Anzahl und Form der Blendenlamellen sehen die unscharfen Stellen anders aus. Mit einem Klick auf das Info-Symbol siehst du, mit welchem Objektiv das Beispielfoto geschossen wurde. Bei einem anderen Objektiv kann das leicht anders aussehen. Ein Simulator, der alles berücksichtigt, ist der DOF-Simulator von Michael Bemowski. Der ist allerdings ziemlich nerdig und für Einsteiger nicht ideal.

Der meiner Meinung nach grösste Mangel des Simulators: Du kannst keine Auswahl gemäss deinen Preisvorstellungen machen. Den Preis eines Objektivs erfährst du erst, wenn du dich bis zum Angebot im Shop durchklickst. So ein ungefährer Bereich wäre zum Filtern schon praktisch. Einziger Hinweis für die, die es wissen: Die Modelle mit dem roten Ring und einem «L» im Namen sind Premium-Objektive und entsprechend teuer.

Canon entwickelt nicht extra ein solches Tool, damit du nachher ein Objektiv von Sigma kaufst. Darum erscheinen Objektive von Drittherstellern in diesem Simulator nicht. Um diese zu finden, wählst du im Shop den passenden Objektivanschluss, zum Beispiel «Canon EF» und dann die Marke – zum Beispiel Sigma. Aber auch wir haben unsere Eigeninteressen: Da der Simulator für uns angepasst wurde, führt er nur zu Angeboten aus unserem Shop. Nach besseren Angeboten bei der Konkurrenz musst du schon selbst suchen.

Fazit: Gut für den unkomplizierten Einstieg

Der Canon Objektiv-Simulator schafft einen schnellen Überblick, welche Canon-Objektive es für deinen Anwendungsfall gibt. Er sollte aber nicht die einzige Grundlage für einen Kauf bilden. Informiere dich genauer über deine engere Auswahl. Und vergiss nicht, dass auch Objektive von Drittherstellern eine Alternative sein können – diese bleiben im Simulator unsichtbar.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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