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Hintergrund

Was ist los bei Ubisoft?

Games, die nach weniger als einem Jahr eingestellt werden, Missbrauchskandale und Aktien auf Rekordtief. Was ist los beim einst so angesehenen Familienunternehmen?

21 000 Personen auf der ganzen Welt arbeiten bei Ubisoft, ein Grossteil davon an «Assassin's Creed Shadows». Auf dem Spiel ruhen immense Erwartungen. Sollte der Ausflug ins feudale Japan nicht der erhoffte Megaseller werden, könnte Ubisoft einem gewaltigen Umbruch gegenüberstehen, dessen Ausgang vielleicht das Ende eines der ältesten Familienunternehmen der Game-Branche bedeutet.

Am Anfang waren fünf Brüder

Die Geschichte von Ubisoft beginnt in der Bretagne. In einem kleinen Dorf im Nordwesten Frankreichs findet man keine unbeugsamen Gallier, sondern die Familie Guillemot. Sie führt ein Unternehmen für Landwirtschaftsgüter, in dem auch die fünf Söhne aushelfen. Das unternehmerische Denken wird ihnen praktisch in die Wiege gelegt.

Weil die Margen immer kleiner werden, hat Claude, der älteste Bruder, die Idee, den Landwirten Musik-CDs zu verkaufen. Wenig später kommen Computer hinzu und als logische Folge davon auch Computerspiele. Da fällt ihnen auf, dass ihr französischer Zulieferer für die Spiele im Vergleich zu England das Doppelte verlangt.

Das allererste Spiel heisst «Zombi». Ein von Horror-Ikone George A. Romero inspiriertes Action-Adventure, in dem du mit vier Charakteren ein Einkaufszentrum durchstöberst. Stirbt eine der Figuren, verwandelt sie sich in einen Zombie und du hast damit ein weiteres Monster an der Backe. 26 Jahre später erhält das Spiel auf der WiiU mit «ZombiU» einen Nachfolger.

1996 wagt Ubi Soft den Börsengang und sammelt über 80 Millionen US-Dollar Kapital. In den folgenden zwei Jahren eröffnet das Unternehmen Game-Studios in Annecy, Shanghai, Montreal, Mailand, Casablanca und Barcelona. 1998 beschäftigt das Unternehmen fast 1000 Mitarbeitende und legt damit den Grundstein für den späteren Weltkonzern.

Im selben Jahr gibt Ubi Soft bekannt, dass das Unternehmen künftig Ubisoft heissen wird. Dazu wird ein neues Logo enthüllt, das in seiner grundlegenden Form bis heute Bestand hat.

Vermeintliche Übernahmegelüste

Um die Jahrtausendwende kommt es zu zahlreichen Konsolidierungen grosser Firmen. Squaresoft legt sich mit Enix zusammen und Sega mit Sammy. Vivendi Games fusioniert mit Activision und nennt sich fortan Activision Blizzard. Blizzard gehört damals bereits zu Vivendi.

Das Nachsehen hat EA, die fortan nicht mehr zu den ganz grossen Playern gehören. Dabei hätte es ein paar Jahre zuvor in eine ganz andere Richtung laufen können.

Der neue Stern am Himmel

Einer der wegweisenden Momente in der Geschichte von Ubisoft folgt 2007. In diesem Jahr erscheint das Spiel, das fast 20 Jahre später noch das unbestrittene Aushängeschild der Firma ist: «Assassin’s Creed». Unter der Leitung von Produzentin Jade Raymond liefert Ubisoft ein faszinierendes Kletter- und Schleichspiel, das mit bahnbrechenden Animationen und Grafik aufwartet.

Ursprünglich plante Ubisoft eine Fortsetzung zu «Prince of Persia» für die neue Konsolengeneration. Die PS3 und die Xbox 360 kommen 2005 auf den Markt. Die dafür entwickelte Engine lässt Ubisoft jedoch in grösseren Sphären denken und so entsteht mit «Assassin’s Creed» ein brandneues Franchise.

Sie dreht sich um Altaïr, einen Assassinen, der im Jahr 1191 zur Zeit der Kreuzzüge gegen den Templerorden kämpft. Der Fokus auf geschichtsträchtige Orte, die mit nie dagewesener Detailverliebtheit realisiert werden, wird zum Markenzeichen der Serie. Daneben sorgt die Parcours-artige Bewegungsfreiheit für offene Münder. Kletter-Passagen sind zur damaligen Zeit rudimentär. Altaïr dagegen kann die Welt fast frei erklimmen und sieht dabei äusserst geschmeidig aus.

Während das erste «Assassin’s Creed» noch einige Ecken und Kanten aufweist, gelingt Ubisoft mit der Fortsetzung ein Rundumschlag, der auch die letzten Kritiker verstummen lässt. Sie wird zur Trilogie ausgebaut, um den charmanten Florentiner Ezio Auditore. Neben dem Piratenabenteuer «Black Flag», das 2013 folgt, zählen Ezios Abenteuer zu den grössten Fan-Lieblingen. Der entscheidende Wandel steht der Serie aber erst noch bevor.

Während das dritte «Far Cry» noch mit Innovation glänzt, schlägt der nur zwei Jahre später erscheinende vierte Teil in die exakt gleiche Kerbe. Unter Fans machen sich erste Ermüdungserscheinungen breit. Mit «Primal», das 2016 im gleichen Rhythmus erscheint und die gleiche Map benutzt wie Teil vier, wird die Repetition noch deutlicher. Darüber kann auch das Steinzeitalter nicht hinwegtäuschen.

Die Skandal-Welle

2021 verlässt auch Guillemots Sohn Charlie das Unternehmen. Unter seiner Führung erscheint ein Trailer für das Mobile-Game «Tom Clancy’s Elite Squad», das Black-Lives-Matter-Demonstranten als Verbrecher hinstellt. Ubisoft zieht den Trailer mit einer Entschuldigung zurück.

Die Skandale werfen einen Schatten auf das Unternehmen, das sich immer als weltoffen und willkommen präsentiert.

Zu den aktuellen Steckenpferden gehören «Far Cry», «Assassin’s Creed», «Ghost Recon», «Rainbow Six», das Tanzspiel «Just Dance» und mit «Watch Dogs» ein weiteres Openworld-Spiel, das der Ubisoft-Formel folgt.

Eine weitere wichtige europäische Akquisition ist Massive Entertainment. Das schwedische Studio gehört seit 2008 zu Ubisoft. Die ersten beiden «The Division» waren äusserst erfolgreich. Mit dem im Herbst 2024 erschienenen «Star Wars Outlaws» bewies Massive ein weniger gutes Händchen. «Outlaws» sollte der grosse Kassenschlager für 2024 werden. Technische Unzulänglichkeiten und ein nicht sonderlich originelles Gameplay sorgten für enttäuschende Verkaufszahlen.

Dass eine berühmte Marke keinen Erfolg garantiert, zeigt auch «Avatar: Frontiers of Pandora». Das Spiel, das viele als «Far Cry» mit blauen Männchen beschreiben, ist ohne Trubel rasch wieder von der Bildschirmfläche verschwunden. Dass Ubisoft keine Erfolgsmeldung zur Spieladaption des umsatzstärksten Films aller Zeiten verkündet, spricht Bände.

Ein noch grösserer Flop ist das Piraten-Multiplayer-Spiel «Skull and Bones». Es wurde unzählige Male verschoben und launchte schliesslich Anfang 2024. Bei einer Metacritic-Wertung von 59 sollte man besser nicht von einem «Quadruple-A-Spiel» sprechen.

Während «Skull and Bones» zumindest weiter existieren darf, wird dem Free-to-play-Shooter «Xdefiant» nach weniger als einem Jahr der Stecker gezogen. Die Server sind zwar noch bis Juni online, 277 Mitarbeitende wurden aber bereits entlassen.

Immerhin zwei Jahre überlebt hat ein weiterer Free-to-play-Shooter. «Hyper Scape» versuchte vom Battle-Royale-Hype zu profitieren, konnte aber keine kritische Masse erreichen.

Ubisoft gelingt derzeit nur wenig und selbst das Tom Clancy-Label ist längst kein Erfolgsgarant mehr. «Ghost Recon Breakpoint» gilt als kritischer und kommerzieller Flop. «Rainbow Six Extraction» ist kaum eine Randnotiz wert. Und auch «The Division 2» benötigte erst zahlreiche Updates, bis sich die Spielerinnen und Spieler zufrieden zeigten.

Das bringt mich zurück zu «Assassin’s Creed». Auf dem neuesten Teil ruhen extrem hohe Erwartungen. «Shadows» wurde bereits zweimal verschoben und soll nun im März 2025 erscheinen. Die Rufe nach einem Führungswechsel bei Ubisoft werden immer lauter. Gerüchte um eine Übernahme flammen auch nie ab.

Aktuell besitzt die Familie 15 Prozent des Unternehmens und hält 20.5 Prozent der Stimmrechte. Gleich dahinter ist der chinesische Konzern Tencent, dem 10 Prozent der Firma gehört und 9.2 Prozent der Stimmrechte.

Wenn «Assassin’s Creed Shadows» kein Mega-Erfolg wird, werden sich die Guillemots trotz Aktienmehrheit kaum mehr vor ihren Anlegern verstecken können. Ein Verkauf könnte das Unternehmen dramatisch verändern – fragt sich, ob zum Guten oder (noch) Schlechteren?

Titelbild: Shutterstock, Alex Van Aken

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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