
Meinung
«Wednesday» Season 2 ist ein Desaster
von Luca Fontana

Drei Staffeln hat’s gedauert, bis ich «The Diplomat» entdeckt habe. Jetzt frage ich mich: Wie konnte ich diese Serie nur so lange vor mir herschieben?
Es ist ja nicht so, als ob ich Politserien nicht mag. Bis zu ihrer … «speziellen» sechsten Staffel bot «House of Cards» sensationelles Fernsehen (und selbst diese finale Staffel war besser als ihr Ruf). «Borgen» war verdammt klug, «The Crown» ein majestätisches Machtspiel, das weit politischer ist, als es auf den ersten Blick scheint.
Nur irgendwie sind die Politserien dann einfach von meinem Radar verschwunden. Oder ich habe aufgehört, sie zu suchen. Bis «The Diplomat» kam. Eine Serie, die mich gleich in den ersten Minuten daran erinnert hat, warum ich dieses Genre einst so liebe: weil es klug ist, weil es Tempo hat – und weil es uns zeigt, dass Machtspiele manchmal spannender sind, wenn niemand eine Waffe zieht.
Im Zentrum von «The Diplomat» steht Kate Wyler (Keri Russell), eine erfahrene Diplomatin, die plötzlich zur US-Botschafterin in London ernannt wird, mitten in einer internationalen Krise. Zwischen politischen Machtspielen, Medienrummel und bröckelnden Allianzen muss sie die Welt buchstäblich vor dem nächsten politischen Inferno bewahren. Nur: Die grösste Herausforderung wartet zu Hause.
Denn an ihrer Seite steht ihr Ehemann Hal Wyler (Rufus Sewell), selbst ein brillanter, aber manipulativer Ex-Botschafter, der kaum damit umgehen kann, dass diesmal sie im Rampenlicht steht.
Diese Dynamik ist elektrisierend, weil Showrunnerin und Autorin Debora Cahn es schafft, dass die Dialoge des Paares keine blossen Gespräche, sondern regelrechte kleine Machtspiele sind. Mal Partner, mal Gegner, mal Liebhaber – mal alles zusammen. Es ist dieses ständige Schwanken zwischen Vertrauen und kühler Berechnung, das diese Konstellation so fesselnd macht. Ich weiss tatsächlich nie, ob sie gerade einander retten oder sich gegenseitig versenken.
Keri Russell ist in all dem ganz klar das Herzstück. Sie spielt Kate mit einer Mischung aus Intelligenz, Zermürbtheit und trotz allem unerschütterlichem Optimismus. Denn sie weiss, wie Macht funktioniert und wie sehr sie einen zerfrisst. Ihre Figur ist verletzlich, aber niemals schwach. Sie stolpert, zweifelt, kämpft, und genau dadurch wirkt sie so real und menschlich.

Rufus Sewell wiederum gibt Hal die perfekte Dosis Charme und Gift, um jede Szene zum Tanz des gefühlten Teufels höchstselbst zu machen. Ein Mann, der so verführerisch, charmant und klug ist, dass man ihm blind vertraut – und es sofort wieder bereut. Manchmal. Ausser wenn … Nun ja, ihr müsst es selbst sehen.
Was mich dabei am meisten packt, ist die Art, wie «The Diplomat» Diplomatie zeigt. Nicht immer nur als elegantes, langweiliges Gesellschaftsspiel, sondern als eine Welt der Hinterzimmer, der nächtlichen Anrufe, der Krisen, die im Verborgenen entschärft werden müssen, weil die Öffentlichkeit sie gar nicht erst erfahren darf.
Und nicht nur das: Hier passieren die entscheidenden Absprachen über die Zukunft ganzer Nationen nicht in offiziellen Sitzungen, sondern im Halbdunkel eines Korridors, in einem unauffälligen Büro oder auf dem Weg zur Tür. Und die wichtigsten Informationen werden oftmals gar nicht ausgesprochen, sondern zwischen den Zeilen abgelegt – so fein, dass ich sie fast verpasse, wenn ich nicht genau hinhöre.

Genau das macht die Serie so anspruchsvoll. «The Diplomat» verlangt von uns Geduld, Aufmerksamkeit und echtes Mitdenken. Es ist keine Serie, die man einfach mal so nebenbei mitlaufen lässt, während man in seinem Social-Media-Feed rumscrollt. Sie will, dass wir zuhören. Mitdenken. Dass wir verstehen, was nicht gesagt wird. Dass wir diese kleinen, leisen Machtverschiebungen wahrnehmen, die im echten politischen Alltag oft entscheidender sind als jede öffentliche Rede.
Politik als Hochgeschwindigkeits-Schach, sozusagen.
Vielleicht erinnert mich «The Diplomat» gerade deshalb so sehr an eine Zeit, in der Serien uns wirklich gefordert haben. Aufmerksamkeit. Geduld. Leidenschaft. Denn ja, du musst dir viele Namen, viele Orte, viele Fäden merken, die sich erst langsam zu einem Muster verweben. Genau das ist Teil des Reizes: «The Diplomat» beleidigt nie die Intelligenz seines Publikums.
Und so habe ich mich also in diese Welt voller Intrigen und versteckter Botschaften einsaugen lassen. Allerdings reichlich spät: Die dritte Staffel ist gerade erschienen, eine vierte bereits bestätigt. Wer also noch nicht auf den Zug aufgesprungen ist, könnte keinen besseren Moment erwischen
Denn «The Diplomat» ist nicht einfach eine weitere gute Serie. Sie ist ein Statement dafür, dass intelligentes Fernsehen noch lebt. Ich bereue es zwar, dass ich erst so spät zur Party gekommen bin und erst jetzt mitreden kann. Aber manchmal lohnt es sich eben doch, später zu kommen – und dafür lange zu bleiben.
Glaubt ihr, dass Politserien ein Comeback feiern, oder ist «The Diplomat» die Ausnahme? Ich bin neugierig auf eure Kommentare.
Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.
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