Hintergrund

UV-Filter: Eine Horrorgeschichte aus München

Jemand hat aus Versehen meine Kamera getreten. Sprünge im Glas. Dies ist die Geschichte eines Schreckens, einer Reparatur und der Grund, weshalb du in einen UV-Filter investieren sollst.

Ich wusste nicht, dass ich so viele Emotionen gleichzeitig haben kann.

Wut, Trauer, Unsicherheit und der Gedanke «Stephanie ermordet mich in etwa drei Sekunden.»

Ich greife vor. Es geht heute darum, dass ich den wohl grössten Schock meines professionellen Lebens habe und um die Wichtigkeit und Funktion eines UV-Filters auf einem Kameraobjektiv lerne.

Aber zuerst: Rückgriff.

Es fehlen Fotos. Unser Kamera-Equipment liegt halb versteckt zwischen einer Betonsäule und einem Stehtischchen. Mit dem grossen Kamerakoffer, meinem gut gefüllten Rucksack und assortiertem Kabelsalat, der aus letzterem hängt – ein deutscher Journalist hat seinen Kartenleser vergessen und wir haben gerne ausgeholfen –, sieht die etwa einen Meter breite Passage unpassierbar aus.

Das Unheil

Meine Kameratasche liegt etwa einen Meter vom Rest des Haufens entfernt. Ich erinnere mich nicht, dass ich sie dort gelassen habe. Ich erinnere mich, dass meine Kamera auf meinem Rucksack liegt. Mir schwant Übles.

Ich packe die Kamera aus. Der Objektivdeckel klemmt. Mir wird etwas flau im Magen.

Als ich den Objektivdeckel mit etwas Kraft vom Objektiv – einem 24-70 G-Master – löse, sehe ich den Schaden.

Schaden. Objektiv. Ich weiss, du hast das Bild schon oben gesehen, aber ich zeige es dir noch einmal. Ich könnte die Risse im Glas zwei Stunden beschreiben, aber das leicht kötzlige Gefühl, das ich in dem Moment empfinde, kann ich besser mit dem Bild beschreiben.

Und jetzt ist sie kaputt. Und jetzt muss ich Stephanie sagen, dass es keine Fotos mehr geben wird.

Jemand hat gegen meine Kamera getreten.

Das war wohl ein Unfall, aber trotzdem. Wer auch immer das war, hätte mir das ruhig sagen können.

Warum das alles nicht so schlimm ist

Als ich meine a7s ii erhalten habe, wusste ich, dass sie mit mir einiges durchmachen muss. Flughäfen, Rucksackleben, Velotouren, Journalistenalltag. Sie würde nass werden, das Objektiv würde Fingerabdrücke bekommen und so weiter. Darum habe ich Stephanie damals gefragt, wie ich möglichst sicher sein kann, dass ich das teure Equipment nicht ruiniere.

Sie hat mir damals einen UV-Filter empfohlen. Denn wenn irgendwas gegen das Objektiv prallen sollte, dann fängt der Filter das ab und das Objektivglas darunter bleibt heil. Ich kaufe mir einen.

Innerlich danke ich Stephanie. Sie hat sich wieder mal selbst übertroffen. In ihrer unendlichen Weisheit hat sie mir mein Objektiv gerettet, Monate nachdem sie mir das eigentlich gesagt hat.

Das Problem ist jetzt aber, dass ich der Frau, die so dermassen beschützerisch ist, wenn es um ihr Equipment geht, gestehen muss, dass meine Kamera für heute wohl ausfällt. Selbst wenn meine Kamera eigentlich gar nicht zu ihrem Equipment gehört.

Das Photo habe ich mit kaputtem Filter geschossen

«Hier endet mein Leben also», denke ich mir.

Ich bin mir sicher, dass Stephanie ihre ganze Kraft dafür aufwenden wird, mir starke Schmerzen zuzufügen, wenn sie die Kamera sieht. Ich verfluche innerlich ihr liebstes Hobby, das Boxen. Kann man Zähne wieder einsetzen, nachdem sie ausgeschlagen sind?

Es ist ja nur der UV-Filter.

Aber ich muss ihr das jetzt sagen.

Das Geständnis

«Du...», beginne ich und ziehe das U in die Länge.

«Hrm», sie brummelt mit fragendem Unterton. Nicht selten, wenn sie beschäftigt ist.

Ich halte die Kamera hoch.

Sie wird blass.

«Ist nur der UV-Filter», sage ich und mache mich auf mein Lebensende bereit.

Sie schaut mich an. Wir streiten zwar oft, aber den Blick habe ich noch nie gesehen. So müssen die griechischen Furien ihre Opfer angeschaut haben, bevor diese qualvoll gestorben sind.

Leere. Das empfinde ich. Weil nicht nur ist meine Kamera kaputt, nein, Stephanie ist auch noch hässig.

Sie sagt nichts.

Sie atmet ein.

«Reparier das» ist alles, was sie sagt.

Ich versuche, den UV-Filter abzunehmen. Das geht ganz leicht. Theoretisch. Aber der Filter hat sich verkeilt. Das wird nix. Die Kamera ist vorerst aus dem Spiel. Ich lebe zwar noch, bin aber am Boden.

Der Rückschlag

«Das reparier ich nicht», sagt mir der Angestellte im weissen T-Shirt und tätowierten Armen.

Er habe vor kurzem mit einem Kunden zu tun gehabt, der auch einen kaputten UV-Filter gebracht hat. Er habe diesen dann entfernt, der Kunde aber hat dann geklagt: Das Objektiv sei zerkratzt worden. Darum mache er das nicht mehr.

«Hast du Werkzeug, damit ich das machen kannst und du sagst mir einfach, was ich tun soll», frage ich.

«Spinnst du?! Aber sicher nicht! Wenn du das machst, dann sorge ich dafür, dass du nie wieder eine Kamera in den Händen hältst!»

Die Geräusche sind grässlich

Stephanie hat zugehört. Ich und der Angestellte Calumets sind etwas baff. Tja. Eine verfahrene Situation.

«Ich kann dir das schon machen, aber du musst mir einen Zettel unterschreiben. Du erklärst damit, dass du Kratzer auf deinem Objektiv in Kauf nimmst. Dann mach ich dir das», sagt der Tätowierte.

Auf dem linken Oberarm hat er einen Sonnenuntergang tätowiert. Muss schön sein da. Ich fühle mich gerade recht beschissen. So am Strand, Sonne, Drink mit Schirmchen drin… das wär was. Aber ich schaue zu Stephanie rüber. Was meint sie? Ist das eine Lösung? Ich weiss nichts über die Wartung von Kameras. Sie blickt zurück, sagt kein Wort.

«Da passiert in 90 Prozent der Fälle nichts», fügt er beschwichtigend an. Auch er hat wohl erkannt, dass ich hier in akuter Lebensgefahr schwebe. Fasse ich auch nur ein Werkzeug an, beendet Stephanie mein Leben erstaunlich viel schneller als irgendwem – vor allem mir – lieb ist.

Ich unterschreibe.

Die Reparatur

Der junge Mann mit Schnauz macht sich an die Arbeit. Er scheint keine Eile zu haben. Ich schon. Wenn ich Stephanie meine Kamera zeigen kann, intakt und sauber geputzt, erst dann weiss ich, dass ich morgen den Sonnenaufgang sehen kann. Vorausgesetzt ich bin dann schon wach, natürlich. Wahrscheinlich werde ich das verpennen.

Die Geräusche.

Wo ich bisher einfach so «Oh Gott, meine Kamera» gedacht habe, läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Der Calumet-Mann nimmt einen Schraubenzieher in die Hand, klopft auf dem zersprungenen UV-Filter herum und bricht dann das Glas aus dem Filter.

Du willst nie Glas klirren, knacken und brechen hören, wenn das Geräusch aus der Richtung eines Objektivs kommt. Sogar Stephanies Gesicht wird etwas blasser und ihr Blick nimmt eine Art «Oh mein Gott...»-Ausdruck an. Was habe ich getan? Damit wir das Horrorszenario nicht auch noch sehen und dass keine Scherben meines Objektivs im Geschäft herumfliegen, hält er die Hände über den Filter. Sag das mal laut: «Die Scherben meines Objektivs». Grausig.

Danach kommt die Zange. Da sich der UV-Filter im Schraubgewinde vorne am Objektiv verkeilt hat, muss der Ring herausgerissen werden. Das geht dann wesentlich schneller. Während der ganzen Sache hat der Mann sich nie besorgt gegeben. Hat er das schon tausendmal gemacht oder hat er ein gutes Poker Face?

Der Ersatz

«Willst du einen Ersatz für deinen Filter», fragt er mich.

Erleichterung macht sich breit. Denn nachdem er das Objektiv geputzt hat, gibt er Entwarnung. Das kostbare Glas des Objektivs hat alles gut überstanden.

«Ich geb dir aber einen anständigen Filter, nicht das Fensterglas, das du bisher gehabt hast.»

Okay, warum auch nicht? Warum aber schon? Ich frage nach.

Bisher hatte ich einen billigen UV-Filter von Walimex. Walimex macht solides Material, wenn du nicht viel Geld ausgeben willst oder kannst. Walimex wird wohl nie die High-Tech-Revolution auf den Markt bringen, aber ihr Material tut seinen Zweck.

^

Der Filter hat seinen Dienst getan, nie Grund zur Kritik gegeben und an und für sich war er sein Geld mehr als nur wert.

Jetzt habe ich diesen hier:

Dazu aber der Hauptgrund, weshalb ich mir vor vielen Monden den Filter zugetan habe: Der Filter schützt das Glas des Objektivs. Ich zerschmettere noch so gerne hundert Filter, so lange das Objektiv intakt bleibt. Und der B+W-Filter ist auch noch einfacher zu reinigen.

«Zudem geht dir da weniger Bildqualität verloren, wenn du mit mehr als nur Fensterglas arbeitest», sagt der Calumet-Mann. Werden jetzt meine Bilder besser? Weiss ich noch nicht. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass du das hier auf der Site sehen wirst und ich mich, sollte sich das dann bewahrheiten, mich nochmal mit einem Text zu UV-Filtern melden werde. Dann vielleicht ohne eine mordlustige Videoproduzentin.

So. Fertig. Kauf dir einen UV-Filter. Es lohnt sich.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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