
BQ Aquaris X2 und X2 Pro: Der neue Player auf dem hiesigen Markt

In München hat die spanische Marke BQ ihre neuen Flaggschiffe vorgestellt. Das BQ Aquaris X und das X2 Pro wollen im Mittelfeld aufräumen. Ein erster Blick auf die Geräte zeigt: Die X2s boxen weit über ihrer Gewichtsklasse.
München, Weststudio. Das neue BQ Aquaris X2 und sein grosser Bruder, das X2 Pro wird der Öffentlichkeit vorgestellt. Wir sind dabei und hören zum ersten Mal über die Marke, die die Nummer 3 auf dem spanischen Smartphone-Markt ist. Im vergangenen Jahr hat die Marke im Land des Mobile World Congress mit dem Aquaris X und dem X Pro mächtig einen durchgegeben. In Deutschland auch. Jetzt soll die X2-Serie den Siegeszug fortsetzen. Das Ziel BQs: Europa.

Ravin Dhalani, CTO und Mitbegründer der Marke, stellt seine neuesten Entwicklungen gleich selbst vor. Doch nicht nur die Hardware sei wichtig, wird am Event festgehalten. Sicherheit und Privatsphäre werden bei BQ gross geschrieben. Die Marke ist stolz darauf, dass alles – Bootloader, Hardware und Design – in Madrid entwickelt wird. Der CTO steht im weissen T-Shirt mit dem Firmenlogo aufgedruckt und den Worten «Engineering Team» vor der Presse. Er ist sichtlich stolz auf seine Geräte.
«Wir erlauben es nicht, dass unsere Geräte ausserhalb unseres Hauptquartiers in Madrid entwickelt werden», sagt er. Er fügt an, dass zwar die Teile zugekauft werden – vor allem von Qualcomm und anderen grossen Chipherstellern – aber die werden eingehend geprüft.
Die Aquaris X2-Serie: Die neue Konkurrenz im Mittelfeld
Die Devise hinter der BQ Aquaris X2-Serie ist einfach erklärt: «Wir haben jedes einzelne Detail verbessert», sagt Dhalani. Sound, Bild, Akkuleistung, Performance. Doch die Geräte am Event seien noch keine finalen Versionen. Die Kamera werde noch angepasst und auch an anderen Kleinigkeiten werde noch gefeilt. Das ist dahingehend erstaunlich, da die Geräte im ersten Hands-on einen sehr soliden Eindruck machen.

Das X2 wiegt knapp über 150 Gramm, hat ein Qualcomm Snapdragon 636 System-on-a-Chip (SoC) verbaut. Das heisst viel Leistung für wenig Software, denn BQ setzt auf die Partnerschaft mit Google und auf dem X2 und dem grösseren Bruder, dem X2 Pro, läuft Android One. Dazu aber gleich mehr.
«Beim Development haben wir mit dem Screen angefangen», sagt Dhalani.
Mit einer Bildschirmhelligkeit von 650 nits, 2.5D-Glass – also einer Krümmung im Screen zum sogenannten Infinity Display – und einer Bildschirmdiagonale von 5.65 Zoll liefert der Screen Quantum Color +. Die Farben kommen zwar nicht an ein AMOLED-Phone heran, aber es ist offensichtlich, dass BQ nicht einfach nur einen Screen verbaut hat.
Das merken die Journalisten Dhalani an. Er spricht mit Stolz und Leidenschaft über seine Phones, selbst wenn der Beamer, auf dem er die Präsentation zeigen will, mal ausfällt. Da BQ auch andere Elektrogeräte herstellt, scherzt er: «Vielleicht sollten wir auch Beamer herstellen.»
Das Problem mit der Kamera
Dass Dhalani nicht einfach ein Marketing Dude mit einer Message ist, wird dann ersichtlich, wenn er über die Kamera seiner Phones spricht. Das Dual Cam Setup habe ihm etwas Sorgen gemacht und er wird zum Nerd.
«Wir wollten die Dual Cam erst dann einführen, wenn wir uns sicher sind, dass die Bildqualität nicht durch Sensoren und andere Dinge beeinträchtigt wird», sagt er.
Der Bildsensor stammt von Samsung. Der S5K2L8. Solche Offenheit gibt es an Presse-Events selten. Dazu kommt ein Videostabilisator von VidHance, einer schwedischen Firma.
Nach endlosen Stunden des Testings waren sich Dhalani und sein Team aber sicher: «Ja, wir schaffen das».
Daher laufen auf dem X2 und dem X2 Pro dieselben Kameras mit demselben Sensor. Die Dual Cam ist in der Lage, den Bokeh-Effekt – also die Tiefenschärfe – hinzukriegen. Dazu kommt der seltsame Beauty Mode, der dich verschönert. Dhalani nennt den Bokeh Modus abwechselnd «Bokeh Mode» und «Portrait Mode», erwischt sich selbst und sagt «Wie auch immer ihr den nennen möchtet». Die Software meint, dass er Portrait Mode heisst.

Auch bei der Selfie Cam habe BQ nicht gespart. Selbst wenn der Sensor der Kamera an der Vorderseite nur 8 Megapixel schafft, sei es keine Ramschware. «Wir haben da Geld reingesteckt, weil das ist unseren Nutzern wichtig», sagt Dhalani. Wieder diese ungewohnte Offenheit und der Nerd, der spricht.
Der vordere Sensor unterstützt auch den Portrait Mode, selbst wenn vorne keine zwei Kameras verbaut sind. Während die hintere Kamera den Bokeh-Effekt aus zwei Bildern zusammenstückelt, macht die Frontkamera das mit künstlicher Intelligenz. «Wir haben Deep Learning auf die Frontkamera losgelassen und so rechnen wir den Portrait Mode aus», sagt er. Der Algorithmus nehme tausende Bilder und zieht daraus Schlüsse, wie das Bild auszusehen hat. Entwickelt worden ist das von einer spanischen Universität.
Hier wird es spannend. Dhalani zeigt einen Screenshot der Kamera-App. Sie sieht der App Googles zum Verwechseln ähnlich, doch mit den ganzen Neuerungen, die Dhalani vorstellt, ist es kaum möglich, dass die Kamera-App stock – also von Google so vorgegeben – ist. Das erklärt auch, weshalb das Icon der Kamera auf den zweiten Blick das verrät: Das Icon zeigt eine weisse Kamera, nicht die graue wie du sie von Google her kennst. Die Kamera integriert aber alles, was Google liefert, inklusive Google Lens. Das Feature sei zwar noch nicht ausgerollt, aber «Das kommt in ein paar Tagen».
Dhalani ist stolz auf seine Marke: «Wer gestern die Google I/O gesehen hat, der hat unser Logo mit all den grossen Namen da gesehen. Das ist uns eine Ehre.» Ich kaufe ihm das ab, denn Dhalani kann ewig als Fan und Tüftler über seine Phones reden. Mit Freude, Begeisterung und Humor. Auch das gibt es an Presse-Events selten.
Die Unterschiede unter der Haube
Der grösste Unterschied zwischen dem X2 und dem X2 Pro liegt darin, dass die beiden Phones ein anderes System-on-a-Chip (SoC) verbaut haben.
- BQ Aquaris X2: Snapdragon 636 mit Adreno 509 Grafikchip
- BQ Aquaris X2 Pro: Snapdragon 660 mit Adreno 512 GPU
«Wir mögen zwar synthetische Tests nicht, aber die Leute mögen das», sagt er und zeigt einen Antutu Benchmark Score von knapp über 143 000. Er rundet mit einem Lächeln auf 150 000 auf.
Weitere Features in Kürze
Da Ravin Dhalani viel zu erzählen hat, sein Publikum im Griff hat und gut unterhält, fasse ich die restlichen Features kurz zusammen:
- aptX Compatibility
- Stereo Speaker
- SNR 100db über Kopfhörer
- 3100 mAh Akku
- Qualcomm Quickcharge 4+, was 30% schnelleres Laden verspricht
- 127 Stunden Standby-Zeit
- GPS, Glonass und Galileo als exklusives Feature zur Navigation
- Bluetooth 5.0
- FM Radio
- 4G+
«Warum reissen so viele Hersteller das FM Radio raus», fragt Dhalani mehr rhetorisch, «Ich kann es euch sagen: Das Radio macht den Audio-Pfad des Phones unendlich viel komplizierter.» Denn als Empfängerantenne dienen die Kopfhörer. Denn mit dem FM-Radio-System müsse das ganze Audiosystem im Phone anders gelegt werden. Und bei der Grösse eines Smartphones, sogar eines mit grossem Bildschirm, könne das zu Qualitätseinbussen führen.
Android One: Softwaredevelopment extern
BQ setzt als einer der ersten Hersteller komplett auf Android One. Das bedeutet, dass intern bei BQ keinerlei Software Development notwendig wäre, wenn dann Dhalani und sein Team nicht ambitioniert wären.
Designed by Google. Smart, secure, and simply amazing.
Die Kurzversion: Google hat eine Version Androids geschaffen, die leichter ist als Android Android. Einst sollte das mal dazu gut sein, dass in Entwicklungs- und Schwellenländern Android auch mit aktuellen Patches auf leistungsschwächeren und günstigeren Geräten laufen kann.

Parallel dazu mosert die Szene seit Ewigkeiten rum. Android-ROMs, also angepasste Versionen der Ur-Software, von Herstellern wie Samsung seien zu langsam in Punkto Update und Sicherheitspatches. Findige Köpfe haben da 1 und 1 zusammengezählt und Android One, das Drittwelt-Android, ist für den Mainstream interessant geworden. Denn in Android One findest du keinen Schnickschnack, keine Anpassungen, nur das Notwendigste für dein Phone und, vor allem, du bekommst regelmässig Updates.
Darum wurde aus Android One, dem Drittwelt-Android, eine eigene Development Branch im Hause Google und ein neues Projekt mit Herstellern wie BQ. Das Drittwelt-Android heisst neu Android Go und will nach wie vor auf Phones mit schwächerer Leistung die neuesten Standards durchsetzen.
Android One kommt aber nicht ohne schalen Beigeschmack. Wenn du als Hersteller auf Android One setzt, dann hast du zwar die aktuellsten Sicherheitspatches – BQs Geräte laufen auf dem Patch Mai 2018 – und das jüngste Redesign auf Material Design 2, aber du gibst auch Kontrolle ab. Daten fliessen mehr oder weniger unkontrolliert zu Google, du kannst dazwischen wohl nur limitiert Checks und Balances einbauen.
Kurz: Wo Google einst die Hand ausgestreckt hat, ballt sich der Konzern jetzt eine eiserne Faust und will mehr Kontrolle, mehr Einheit und erhält damit mehr Macht.
Der Gedanke Googles aber kann nachvollzogen werden. Denn Hersteller – allen voran Samsung – lassen sich gerne Zeit mit den Updates, Patches und Upgrades. Das hat zwar in der jüngeren Vergangenheit gebessert, aber mit einem Innovationszyklus von einem Jahr ergibt es keinen Sinn mehr, ein zwei Jahre altes Gerät up to date zu halten, alle Schnittstellen sowohl hardware- wie auch softwareseitig zu betreuen und dafür Entwickler abzustellen, die eigentlich am neuesten Zeug mitwerkeln sollten. Aus Perspektive eines Herstellers ergibt das Sinn, in den Augen Googles aber nicht. Denn wieso sollte Google auch eine neue Android-Version nach der anderen herausbringen, wenn die Phone-Hersteller dem Update-Zyklus Monate und Jahre hinterherhinken, nur weil sie ihre doofen Anpassungen nicht auf die Reihe kriegen?
Darum Android One als einheitliches Software-Paket und nicht als Drittweltversion der Software. Regelmässige Updates und Upgrades, gute Performance und Google kann den Sicherheitsstandard garantieren. Zudem: Hersteller sparen Geld im Development.
Dass der Konzern aber nicht mit einem neuen Namen für die Development Branch kommen konnte, spricht für Google und sein Chaos mit Software und deren Benennung. Typisch Google halt.
In der gestrigen Keynote an der Google I/O war ein Trend bemerkbar: Google ist stark daran interessiert, dass Hersteller ihre Phones zu Android P upgraden. Könnte das heissen, dass Android One User schneller zu Android P kommen? Die Offiziellen Googles halten sich dahingehend noch bedeckt, aber wenn Google die eigene Software supported und gleich auch auf Geräte ausspielt, dann ist das Szenario, in dem Android One User die aktuelle Android-Version gleich nach der Veröffentlichung erhalten, durchaus realistisch.
BQ aber ist nicht nur Abnehmer Android Ones, sondern entwickelt mit. «Das ehrt uns und macht uns…», Dhalani zögert, so als ob er das Wort Stolz nicht sagen will, «sehr zufrieden». Als einer der ausgesuchten Partner Googles werden die Findings BQs ernst genommen. Die Partner müssen eine Vielzahl Anforderungen erfüllen und müssen dann auch noch innovativ und mutig sein. Da entwischt Dhalani doch das Wort «Stolz».
Ach ja, BQ verspricht «zwei Buchstaben-Upgrades» und monatliche Sicherheitsupdates. Ein Buchstaben-Upgrade ist das Upgrade von Android O zu Android P zu Android Q. Samsung kriegt das selten hin.
Der Einfall in Europa
Jetzt aber zum Markt. BQ ist sich sicher, auf dem europäsischen Markt einiges reissen zu können. Mit einer aggressiven Preispolitik. Doch Dhalani unterbricht die Preisdiskussion – Kurzversion: BQ liefert in etwa so viel für das Geld wie Honor, also viel Phone für wenig Geld – und fragt nach der silbernen Farbe. «Da haben wir die Farbe ins Glas gemacht, das haben wir noch nie gemacht», sagt er. Die Farbe beschäftigt ihn, denn er unterbricht die doch recht lockere Präsentation noch zwei mal um Bemerkungen zur Farbe zu machen. Offensichtlich beschäftigt sie ihn.
Im Hands-on kann ich es mir nicht nehmen lassen, das Silbergrau genauer unter die Lupe zu nehmen. Mein Fazit: Es macht nicht so viel her wie das spektakuläre Twilight des Huawei P20, aber das Silber ist doch ein Hingucker.
«Wisst ihr, euer Feedback ist mir extrem wichtig», sagt Dhalani, «denn wir sind ein europäischer Hersteller für den europäischen Markt.»
Der Workshop, der zur Gesprächsrunde wird
In einem Workshop direkt nach der Präsentation soll den Medienvertretern das Sicherheitskonzept Android Ones vorgestellt werden. Eigentlich sollte die Präsentation auf Deutsch stattfinden, aber Dhalani unterbricht beim Thema Treble.
Im Android-System definiert der Treble eine feste Schnittstelle zwischen der Hardware und dem Android Framework. Es liegt oberhalb des Kernels und stellt die Hardware Abstraction Layer (HAL) dar. Der Kernel plus das HAL ergeben das Framework. Wenn der Treble sitzt, dann ist der Aufwand, eine Hardware-Konfiguration auf spätere Version Androids upzugraden wesentlich kleiner.
Dhalani lässt es sich nicht nehmen, hier sein Insider-Wissen zu präsentieren. Auf Englisch. Er spricht über Launcher und Update Policies, gibt Einblicke in den Markt und sorgt für Lacher.
- Er ist davon überzeugt, dass die Offenheit der Hersteller in Punkto Sicherheit und Upgrade Policy der Schlüssel zum Erfolg ist
- Das erklärt auch Nokias Rückkehr, die er als vollen Erfolg bezeichnet
- Die X2-Serie läuft auf dem Linux Kernel 4.4
- 4.4 hat ein End-of-Life-Datum von 2022 gesetzt
- AOSP-8, die von Google veröffentlichte Version Androids, läuft unverändert auf der X2-Serie
- Der Quellcode für die Aquaris-X2-Serie ist offen auf Github und Codeaurora einsehbar
- Aquaris-Dev-Hobbyentwickler arbeiten auf LineageOS


Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.