Produkttest

Sony OLED AG9: Zum Schreien gut

Luca Fontana
12.8.2019

Sony bringt mit dem OLED AG9 weniger Revolution, sondern mehr Evolution: Gleicher Prozessor wie der Vorgänger, dafür Upgrade beim Sound. Nach wie vor so gut wie unschlagbar ist die Farb- und Detailwiedergabe.

Sonys AG9 ist mir nicht gänzlich neu. Gesehen habe ich den OLED-Fernseher der 2019er-Generation bereits vergangenes Frühjahr an der Sony Roadshow in Zürich.

Befeuert wird das Ganze vom X1-Ultimate-Prozessor, dem Gehirn des Fernsehers. Neu ist er nicht; der AF9 lief auch schon mit diesem Prozessor. Aber der Algorithmus soll laut Sony verbessert worden sein. So, dass der ohnehin starke Prozessor noch mehr aus dem OLED-Panel rausholt.

Zeit, den Fernseher, der mir von Sony zur Verfügung gestellt wird – die 65-Zoll-Variante –, zu testen.

Schickes Design und viele Anschlüsse

Wenn du den 21 Kilo schweren Fernseher an die Wand montieren willst, kommen noch etwa 3.5 Zentimeter Gehäuse dazu. Das ist der Teil, wo der Bildprozessor und die restliche Hardware verbaut sind. Alles in allem also ein sehr dünnes Gesamtpaket.

Apropos: Zeitgleich mit dem Erscheinen dieser Review gibt’s von unserem Produktmanagement zwei Wochen lang die Wandhalterung geschenkt. Nicht, dass ich dir das aufschwatzen will. Aber ich meine, falls du eh am TV interessiert bist und ihn an die Wand nageln willst, dann könnte diese Info relevant sein, oder? Kannst es aber genauso gut sein lassen. Denn der Standfuss...

… der Standfuss guckt kaum sichtbar unter dem Panel hervor. Damit wirkt es, als ob der AG9 ohne jede Stütze im Raum oder auf dem TV-Möbel stehen würde. Ich mag das. Mochte ich schon beim AF9 verdammt gut, dem Vorgänger, wo das Panel am Standfuss angelehnt hat. Allerdings steht der AG9 im Gegensatz zum AF9 senkrecht auf seinem Fuss.

Schade. Das alte Design fand ich aufregender, weil einzigartig. Vermutlich nicht jedermanns Sache – das sage ich jetzt so, ohne die Verkaufszahlen Sonys zu kennen –, aber anders kann ich mir die Rückkehr zur senkrechten Position des Bildschirms nicht erklären.

Noch ein Wort zu den Anschlüssen. Wie bei Sony üblich gibt’s mehr als genug davon. Mit einer Ausnahme: HDMI 2.1.

  • 4x HDMI 2.0-Anschlüsse (HDCP 2.3), davon einer mit eARC
  • 1x Ausgang für Toslink
  • 3x USB-2.0-Ports
  • 1x LAN-Port
  • Verstärker-Ausgangsanschluss für TV-Center-Lautsprecher-Modus
  • Integriertes Google Chrome
  • Auto-Low-Latency-Modus für Gamer (ALLM)

Das wirst du gerade in Zukunft immer öfters hören, wenn 8K-Fernseher zum neuen Standard geworden sind und entsprechend hohe Datenmengen verschicken und verarbeiten müssen. Das dauert aber noch eine Weile. Abgesehen davon ist der AG9 ohnehin ein UHD-Fernseher. Andere HDMI-2.1-Vorteile, die nichts mit 8K zu tun haben, sind:

  • Übertragung dynamischer HDR-Metadaten (Dolby Vision, HDR10+)
  • Übertragung unkomprimierter Audiodateien via eARC (Dolby Atmos, DTS:X)
  • Variable Refresh-Raten (wenn Bildaufbau und -Wiederholfrequenz nicht synchron sind)
  • 120 Frames pro Sekunde (FPS) bei UHD-Auflösung, auch beim Gamen

Dennoch: Einen eARC-fähigen HDMI-Anschluss hat der AG9 jetzt schon, auch ohne HDMI 2.1. Dynamische HDR-Metadaten sind sowieso eher selten auf UHD-Blu-rays. Dolby-Vision-Inhalte könntest du beispielsweise auch direkt von der Netflix-Smart-TV-App streamen.

Wirklich in die Röhre gucken momentan also nur die Gamer. Vor allem, da der AG9 laut flatpanelshd selbst im Game-Modus einen bescheidenen Input-Lag von 26.6 Millisekunden hat. Das ist im Jahr 2019 eher an der oberen Grenze, die für Konsolengamer noch als spielbar gilt. Zum Vergleich: LGs C9-OLED hat 13.1 Millisekunden.

Natürliche Farben, Schwächen bei der Weissabstufung

Zeit, das Bild zu testen. Bei Sonys XG95, ein LCD-Fernseher mit Full-Array-Local-Dimming, habe ich «Jurassic World: Fallen Kingdom» zum Testen verwendet. Tue ich hier wieder. Der Film bietet jede Menge dunkle Szenen, in der sich die Stärken des OLEDs zeigen. Aber auch helle Szenen mit grossen Helligkeitsunterschieden, wo meistens LCD-Fernseher ihre Muskeln spielen lassen – eben wegen der hellen Hintergrundbeleuchtung.

Wenig überraschend gibt’s beim OLED-TV weit und breit kein Blooming. Dort, wo das Bild Schwarz sein soll, ist tatsächlich echtes Schwarz.

Das hat einen Grund: Weil OLED-Pixel ihr eigenes Licht emittieren, können sie sich da, wo Schwarz ist, komplett ausknipsen. LCD-Fernseher mit ihrer LED-Hintergrundbeleuchtung schotten stattdessen die Pixel, die Schwarz darstellen sollen, einfach ab, was deutlich schlechter funktioniert als bei OLED-Pixeln. Wie in der obigen T-Rex-Szene.

Etwa so wie in diesem Beispiel, wo das Flugzeug im knalligen Orange des Sonnenaufgangs steht.

Auch hier bietet sich der Vergleich zum LCD-Bild des XG95 an. Es gilt aber wieder: Laborbedingungen sind anders.

In den hellen Bildbereichen, gerade um die Sonne herum, sind beim LCD-Fernseher mehr Details zu erkennen. Das deutet beim LCD-Bild auf eine bessere Weissabstufung als beim OLED-Bild, was technologiebedingt nicht untypisch ist. Dafür sind in den dunkleren Bildbereichen des OLEDs deutlich mehr Details zu erkennen. Ebenfalls wirkt dessen Farbwiedergabe natürlicher; das LCD-Bild des XG95 ist mir einen Ticken zu warm. Besonders in Natura.

Ich bin glücklich mit dem AG9. Sehr sogar.

Ein Prozessor, der die Erwartungen erfüllt

Aber ganz ehrlich: Einen Riesenunterschied zum letzten Jahr sehe ich nicht beim TV-gucken. Nicht vom Schiff aus. Da müsste ich schon einen AF9 direkt neben dem neuen AG9 stellen. Das ist aber verschmerzbar, da der X1-Ultimate-Prozessor bereits letztes Jahr auf verdammt hohem Niveau gearbeitet hat.

Zum Beispiel bei der Darstellung von Actionszenen mit schnellen Kameraschwenks. Oder Sport. Achte beim unteren Video auf den Ball: Viele Fernseher tun sich schwer, ihn besonders bei Pass- und Schussabgabe gestochen scharf und ohne «Schweif» darzustellen. Auch die Kamerabewegungen wirken sehr flüssig.

Auch das Betriebssystem, Android 8.0, läuft dank dem X1 Ultimate geschmeidig wie Seide. Das hat bei Sony in Vergangenheit schon ganz anders ausgesehen.

Nun, mittlerweile mag ich Sonys Betriebssystem gar besser als jenes von LG und Samsung. Hätte ich vor zwei Jahren noch nicht gedacht.

Guter Sound, ersetzt aber keine Surround-Anlage

Sonys Trick mit dem Sound ist übrigens recht clever, weil er keine Lautsprecher benötigt. Die hätten’s sowieso verdammt schwer, bei einer Paneldicke von 0.6 Zentimetern Luft so in Schwingung zu versetzen, dass genug Volumen und Raumklang zustande kommt. Also hat’s statt Lautsprecher zwei Aktivatoren, die den Bildschirm selbst in Schwingung versetzen.

Gab’s schon letztes Jahr beim AF9. Neu ist aber, dass es nicht mehr drei, sondern nur noch zwei Aktivatoren hat. Soll am verbesserten Algorithmus liegen, wie mir ein Sony-Vertreter damals an der Roadshow sagte.

Dafür hat der AG9 einen Ausgang, der sich direkt mit einem AV-Receiver verbinden lässt. Damit wird der AG9 selbst zum Center-Lautsprecher. Gibt’s nur bei Sony, soweit mir ist.

Fazit: Schade, darf ich ihn nicht behalten

Ich will nicht um den heissen Brei reden: Der AG9 ist der beste Fernseher, den ich bisher habe testen dürfen. Viel zu gut gefallen mir die ausgewogenen und natürlichen Farben des OLED-Displays, um zu einem anderen Schluss zu kommen. Darüber hinaus gibt’s nichts, was ich am Prozessor bemängeln könnte.

Soundmässig macht der AG9 ebenfalls alles Richtig, was du von einem TV-Soundsystem erwarten kannst und darfst. Mehr noch. Wenn du über eine Soundbar nachdenkst: Vergiss es. «Acoustic Surface Audio+» reicht locker aus. Dennoch fände ich es schade, dir keine komplette Surround-Sound-Anlage zu besorgen, wenn du schon so viel Geld für das nahezu perfekte Bild ausgibst.

Wirklich schade finde ich nur, dass HDMI-2.1-Unterstützung fehlt. Gehört anno 2019 halt schon zum guten Ton. Einem Profi-Gamer würde ich den AG9 ebenfalls nicht empfehlen: Zu hoch der Input-Lag im Vergleich zur Konkurrenz.

Ansonsten: Kann man so machen. Echt.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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