Luca Fontana
Meinung

RGB-LED, Micro-RGB und die grosse Verwirrung

Luca Fontana
9.9.2025

Drei Hersteller, eine Idee: winzige RGB-LEDs sollen OLED überflügeln. Samsung trommelt, Hisense prahlt, Sony schweigt. Am Ende hat mich an der IFA alles fasziniert – und nichts schlauer gemacht.

Alle reden von der neuen Wundertechnik: winzige rote, grüne und blaue LEDs, die für noch kräftigere Farben und weniger Blooming sorgen sollen. Klingt nach der nächsten grossen TV-Revolution. Doch auf der Technikmesse IFA habe ich nicht nur erlebt, wie unterschiedlich drei Hersteller damit umgehen. Sondern vor allem, wie widersprüchlich die Eindrücke sein können.

Samsung, Hisense und Sony zeigten alle dasselbe Prinzip, aber auf völlig verschiedene Art. Die einen mit viel Marketing-Lärm, die anderen mit grossen Zahlen, die dritten mit strenger Geheimhaltung. Am Ende war ich begeistert von allen drei Demos. Verwirrt aber auch.

  • Hintergrund

    Sony zeigt RGB-LED: Die Zukunft des TVs fühlt sich plötzlich greifbar an

    von Luca Fontana

Genau das ist mein Struggle: Was kann diese Technologie, wer von ihnen bringt sie wirklich bald ins Wohnzimmer – und wann?

First things first: Wovon sprechen wir da genau?

RGB-LED – so nennt es etwa Sony, einen offiziellen Begriff gibt es noch nicht – klingt kompliziert, ist aber eigentlich simpel: Statt blaue LEDs mit einer Phosphor- oder Quantum-Dot-Schicht zu überziehen, die daraus weisses Licht machen, setzt man direkt auf winzige rote, grüne und blaue LEDs im Backlight. Leuchten sie gemeinsam, ergibt das reines Weiss. Da sie sich auch getrennt steuern lassen, können Farben und Helligkeit viel präziser wiedergegeben werden.

Und: Die Verluste in Klarheit und Luminanz, die Farbfilter verursachen, gehören der Vergangenheit an.

Links das alte Full-Array-Backlight, in der Mitte Mini-LEDs mit blauem Licht – und rechts die neuen RGB-LEDs, die ihre Farben direkt im Backlight erzeugen.
Links das alte Full-Array-Backlight, in der Mitte Mini-LEDs mit blauem Licht – und rechts die neuen RGB-LEDs, die ihre Farben direkt im Backlight erzeugen.
Quelle: Luca Fontana

So weit, so klar. Im Prinzip sprechen also alle drei Hersteller – Samsung, Hisense und Sony – von derselben Idee. Nur dass jeder den Eindruck erweckt, seine Variante sei die einzig wahre Revolution. Welche Unterschiede es wirklich gibt, bleibt allerdings nebulös. Zu viel Geheimniskrämerei, zu viel Marketing.

Samsung behauptet immerhin offen, dass ihre RGB-Dioden noch kleiner seien als jene der Konkurrenz. 100 Mikrometer, sagt man, und nennt’s entsprechend «Micro-RGB». Auf meine Frage, ob das auch bedeutet, dass man mehr Dimming-Zonen habe als Hisense oder Sony, wollte man kein endgültiges Urteil sprechen: «Schon möglich, aber über die Konkurrenz reden wir nicht.»

Merkwürdig, wenn im selben Raum zufällig ein Hisense-RGB-Mini-LED neben dem eigenen Gerät samt Mikroskop bereitsteht, damit wir Journalistinnen und Journalisten uns die Diodengrösse selbst anschauen können.

Bei Samsung werden uns Hisenses RGB-Mini-LED und Samsungs Micro-RGB direkt nebeneinander präsentiert.
Bei Samsung werden uns Hisenses RGB-Mini-LED und Samsungs Micro-RGB direkt nebeneinander präsentiert.
Quelle: Luca Fontana

Schade. Dann heisst es wohl: erste Tests abwarten. Denn mehr LEDs bedeuten nicht automatisch auch mehr Dimmzonen. Entscheidend ist die Rechenleistung des TV-Prozessors, der zehntausende winzige Dioden – jede davon kleiner als ein Staubkorn – gleichzeitig steuern muss.

Zwischen Trommelwirbel, Zahlenorgie und Geheimniskrämerei

Gemessen an der Lautstärke des Marketings scheint Samsung jedenfalls alles daran setzen zu wollen, die Deutungshoheit zu behalten. «Wir sind kleiner und präziser, also sind wir die Besten», scheint die Botschaft zwischen 115-Zoll-Displays und Mikroskopen zu sein. Eindrucksvoll, aber durchschaubar.

Hisense dagegen wirft mit Zahlen um sich. 10 000 Nits hier, 97 Prozent BT.2020-Abdeckung da – Superlativen, die nach Revolution klingen. Nur: Wer sich durch die Show kämpft, merkt schnell, dass nicht jeder Wert etwas über den Alltag aussagt. Mal sah der TV miserabel aus, mal brillant. Je nachdem, wessen Hersteller-Demo man gerade besuchte.

Bei Samsung sah Hisenses RGB-Mini-LED noch wie ein Wrack aus. Bei Hisense selbst dann plötzlich wie der wiedergeborene TV-Jesus.
Bei Samsung sah Hisenses RGB-Mini-LED noch wie ein Wrack aus. Bei Hisense selbst dann plötzlich wie der wiedergeborene TV-Jesus.
Quelle: Luca Fontana

Sony wiederum spielt ein ganz anderes Spiel. Aber auch eines, aus dem ich nicht ganz schlau werde. Da werden keine Rekorde verkündet, keine Zahlen. Stattdessen ein abgeriegelter Raum mit echtem Filmmaterial. Keine Perfektion, sondern Stärken und Schwächen gleichermassen. Gerade das macht den aufrichtigsten und darum auch den stärksten Eindruck.

… Und dann dürfen wir Journis das nicht mal filmen oder fotografieren.

Hä!?

Was lernen wir daraus?

Vielleicht liegt genau hier die Ironie: Ausgerechnet jener Hersteller, der das grösste Geheimnis um seinen neuen Fernseher macht, steht für mich am ehesten davor, die Technologie wirklich massenmarkttauglich zu machen. Sony hat nämlich als Einziger ein 65-Zoll-Modell mit nach Berlin gebracht. Das Versprechen: Er soll schon nächstes Jahr zu einem bezahlbaren Preis auf den Markt kommen – auch wenn wir ihn nur unter strengster Aufsicht und mit Foto- und Videoverbot sehen durften.

Rechts neben dem Referenzmonitor steht der Bravia 9. Den möglichen Bravia 10 daneben durfte ich nur anschauen.
Rechts neben dem Referenzmonitor steht der Bravia 9. Den möglichen Bravia 10 daneben durfte ich nur anschauen.
Quelle: Luca Fontana

Samsung und Hisense hingegen zeigten zwar auch der Öffentlichkeit selbstbewusst ihre Geräte, aber nur in Grössen ab 115 Zoll. Das ist nicht nur absurd gross und preislich in einer ganz anderen Liga (wir reden hier von 30 000 Franken), sondern zeigt auch, wie viel schwieriger es ist, diese RGB-LED-Technologie zu verkleinern als zu vergrössern. Bei Samsung habe ich noch nachgefragt, ob man plane, nächstes Jahr ebenfalls «bezahlbare Wohnzimmer-Grössen» anzubieten. Die Antwort:

«Das wissen wir noch nicht.»

Mein Fazit fällt deshalb fast paradox aus: Während Samsung am lautesten trommelt und Hisense die grössten Zahlen wirft, wirkt ausgerechnet Sonys geheimnisvolle Zurückhaltung wie das ehrlichste Versprechen. Am Ende wird wohl nicht der grellste oder lauteste Ansatz zuerst in meinem Wohnzimmer landen, sondern derjenige, der sich aktuell am meisten versteckt hält.

Vielleicht ist Geheimniskrämerei am Ende doch die beste Roadmap.

Titelbild: Luca Fontana

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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