Luca Fontana
Hintergrund

Sony zeigt RGB-LED: Die Zukunft des TVs fühlt sich plötzlich greifbar an

Luca Fontana
4.9.2025

Sony hat in Berlin seine neue RGB-LED-Technologie vorgestellt – und mich in eine Mars-Landschaft versetzt. Mein Eindruck: Das ist das spannendste, was LCD seit Jahren passiert ist.

Ich habe schon viele TV-Präsentationen erlebt. Meist läuft es gleich ab: ein steriler Konferenzraum, in der Mitte das neue Modell, links und rechts die Konkurrenz, während Kabelsalat notdürftig mit Tape abgeklebt wird. So nüchtern, dass man den Raum sofort wieder vergisst.

Nicht so bei Sony.

Ein typisches Hollywood-Set: Von der Kamera über den Referenzmonitor bis zum Wohnzimmer-TV.
Ein typisches Hollywood-Set: Von der Kamera über den Referenzmonitor bis zum Wohnzimmer-TV.
Quelle: Luca Fontana

An der IFA in Berlin betreten wir Journalisten stattdessen eine Blackbox, die glatt das Set von Ridley Scotts «The Martian» sein könnte: roter Sand am Boden, oranger Berg-Hintergrund und ein Astronaut-Mannequin mittendrin. Daneben Sonys Profikamera Venice 2 – die gleiche, mit der «Top Gun: Maverick» und «F1: The Movie» gefilmt wurden – und zwei Mastering-Monitore im Wert eines Kleinwagens. Dazu ein Bravia 9 als aktuelles Flaggschiff.

Die Botschaft ist klar: Sony will nicht nur Fernseher verkaufen. Sie inszenieren sich als End-to-End-Marke. Vom Filmstudio über die Kamera bis zum Wohnzimmer-Bildschirm – alles aus einer Hand. «Das unterscheidet uns von anderen Marken», erklärt ein Sprecher. Und spätestens hier spüre ich, dass Sony diesmal mehr will als ein weiteres Marketing-Buzzword. Im Zentrum steht nämlich eine neue Flaggschiff-Technologie: RGB-LED.

Was ist RGB-LED eigentlich?

Der Name sei noch provisorisch, heisst es. Das Prinzip aber ist klar: Statt blauer LEDs mit Farbfiltern sitzen im Backlight winzige rote, grüne und blaue LEDs, die sich separat ansteuern lassen. Das klingt simpel, ist aber eine echte Revolution für LCD-TVs:

  • Grössere Farbpräzision: Weil keine Phosphorschicht mehr im Weg ist, erzeugen die LEDs reineres Licht. Das sorgt für kräftigere, differenziertere Farben – und eine breitere Abdeckung des BT.2020-Farbraums.
  • Natürlichere Helligkeit: Anstatt einfach nur die Leuchtkraft hochzuschrauben, verteilt Sonys neue Backlight-Steuerung das Licht dynamisch.
  • Weniger Blooming, stabilere Blickwinkel: Die Kombination aus mehr Dimmzonen und feinerer Signalverarbeitung reduziert die typischen Lichtkränze von LCDs.

Ganz neu ist die Idee nicht. Hisense zeigte an der CES im Januar seine «RGB-Mini-LED»-Version. Mit Sony sprach ich bereits im März über die bevorstehende Ankündigung von RGB-LED. Und Samsung ging sogar noch weiter und präsentierte erst kürzlich «Micro RGB» – ein 115-Zoll-Monster für 30 000 Franken.

Bei Sony klingt das anders: Shoji Charlie Ohama, Head of TV für Europa, sagt mir vor Ort: «Wir denken nicht, dass RGB-LED so teuer sein sollte. Unser Ziel ist Perfektion, die man sich leisten kann, nicht der Erste am Markt zu sein.»

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    von Luca Fontana

Doch damit fängt die Herausforderung an. Wo früher ein einziges blaues LED im Backlight sass, dessen Licht durch eine Phosphorschicht weiss gefärbt wurde, sind es jetzt drei: Rot, Grün und Blau. Jedes davon will einzeln angesteuert werden – und das in Tausenden von Dimmzonen gleichzeitig. Das treibt die Rechenlast in völlig neue Dimensionen.

Genau hier, so betont Sony, trennt sich die Spreu vom Weizen. Die Bildqualität hängt nicht nur vom Panel ab, sondern vom Prozessor, der die Abertausenden Mikrodioden in Echtzeit kontrolliert. Sony ist überzeugt, in diesem Bereich mit jahrzehntelanger Erfahrung beim Bau eigener TV-Prozessoren die meiste Expertise im Markt zu haben. Und selten war deren Bedeutung so entscheidend wie hier.

Wohnzimmer statt Blackbox

Sony will nächstes Jahr mit RGB-TVs starten – nicht mit 115 Zoll, sondern mit Grössen, die ins Wohnzimmer passen: 55 oder 65 Zoll, zum Beispiel. Und preislich? «Auf dem Niveau heutiger Flaggschiff-TVs», verspricht man uns. Also nicht billig. Aber weit entfernt von Samsungs Marketing-Luxus-Gigant. Müsste ich schätzen, würde ich auf etwa 4000 Franken für ein 65-Zoll-Modell tippen.

Links der Profi-Referenzmonitor für 40 000 bis 50 000 Franken, das Mass für Hollywood-Farbkorrektur. Rechts: Sonys Bravia 9, der dieses Bild erstaunlich nah nachahmt – für weit weniger Geld und in XXL-Diagonale.
Links der Profi-Referenzmonitor für 40 000 bis 50 000 Franken, das Mass für Hollywood-Farbkorrektur. Rechts: Sonys Bravia 9, der dieses Bild erstaunlich nah nachahmt – für weit weniger Geld und in XXL-Diagonale.
Quelle: Luca Fontana

Und wie sieht das aus? Wir bekommen eine 65-Zoll-Demo zu sehen, die zuvor hinter einem schwarzen Vorhang versteckt worden ist. Gezeigt werden Clips aus «Frozen 2», «Life of Pi» und eine Szene mit einem Schmied vor loderndem Feuer. Fotografieren oder filmen dürfen wir leider nicht, und das ist wirklich schade. Denn ehrlich: Es ist lange her, dass mich ein TV so weggeblasen hat.

Mein Eindruck: Wow – und nochmal wow

Die Farben waren unfassbar kräftig und gleichzeitig so leuchtend, dass ich mehrmals blinzeln musste. Etwa beim Schmied, der auf ein orange glühendes Metallstück hämmerte. Highlights stachen heraus, ohne die Details im Rest des Bildes zu verschlucken. Das Schwarz um seinen Ofen herum blieb tief, selbst wenn direkt daneben ein weisses Glühen aufflammte.

Blooming? So gut wie nicht sichtbar. Ich stellte mich absichtlich seitlich vor den Fernseher – der Härtetest für jedes LCD-Panel –, aber auch dort blieb der Eindruck erstaunlich stabil. Selbst bei dieser unheimlich herausfordernden Szene aus «Frozen 2».

Im direkten Vergleich wirkte Sonys Bravia 9 (Mini-LED) fast schon blass. Und selbst die beiden Könige der vergangenen Jahre, LGs Tandem-OLED und Samsungs QD-OLED, konnten in puncto Leuchtkraft und Farbdynamik nicht mithalten. Der Unterschied war subtil, aber er war da, und zwar genau dort, wo bisher die Messlatte lag.

Das Entscheidende ist die Luminanz. Das heisst nicht, dass man die Farbe einfach heller dreht. Dann würde sie ausgewaschen wirken, so wie ein Lieblings-T-Shirt, das man zu oft gewaschen hat. Nein – hier strahlen die Farben regelrecht. Sie bleiben satt, behalten ihre Tiefe, und gleichzeitig haben sie eine Leuchtkraft, die ich so noch nie gesehen habe. QD-OLED hat diese Kunst bislang dominiert. Tandem-OLED hat zuletzt stark aufgeholt. Aber das, was Sony hier mit RGB-LED gezeigt hat, war schlicht abartig.

Filmen durfte ich es nicht. Schade. Aber vielleicht war das sogar egal. Denn Kameras hätten das ohnehin nicht eingefangen. Diese Art von Strahlkraft musst du mit eigenen Augen sehen, sonst glaubst du es nicht.

Noch kein Heiliger Gral – aber fast

Klar: RGB-LED ist kein OLED, und schon gar nicht Micro-LED. Am Ende bleibt es LCD, mit all seinen physikalischen Grenzen. Aber: Was ich hier gesehen habe, war anders als alles, was ich bisher von LCD kannte. Nicht nur, weil Blooming deutlich reduziert war. Es waren die Farben mit ihrer schieren Leuchtkraft, die selbst High-End-OLEDs alt aussehen liessen.

Sonys Venice 2: Mit dieser Kamera werden Hollywood-Blockbuster gedreht.
Sonys Venice 2: Mit dieser Kamera werden Hollywood-Blockbuster gedreht.
Quelle: Luca Fontana

Diese Luminanz ist der eigentliche Gamechanger. Farben, die nicht einfach nur heller sind, sondern strahlen, ohne auszuwaschen. Ein tiefes Rot bleibt tief, während es gleichzeitig leuchtet, ein sattes Grün behält seine Fülle, auch wenn es in den hellsten Highlights glüht. Genau das machte den Unterschied zu Sonys Bravia 9 und sogar zu den neuesten QD-OLEDs und Tandem-OLEDs von Samsung und LG.

Zum ersten Mal bin ich versucht zu sagen: Hier könnte ein LCD-Fernseher entstehen, der OLED nicht nur herausfordert, sondern sogar übertrumpft. Die grosse Frage bleibt allerdings: Wie nah kommt das Serienmodell an das, was uns in der Blackbox gezeigt wurde? Das entscheidet am Ende, ob wir gerade wirklich die Zukunft gesehen haben – oder nur ein sehr gut inszeniertes Märchen.

Titelbild: Luca Fontana

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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