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Hintergrund

Online-Aspirin: Die Schweiz diskriminiert ihre eigenen Anbieter

Wer in der Schweiz rezeptfreie Medikamente online bestellt, erlebt eine widersprüchliche Situation: Während ausländische Anbieter wie Amazon Aspirin & Co. problemlos direkt nach Hause liefern, ist dies Schweizer Anbietern untersagt. Der Bund möchte diese Ungleichbehandlung nun beenden. Doch in welche Richtung soll es gehen?

Wer derzeit in der Schweiz online bei der "zur Rose" nach Aspirin sucht, macht dies vergebens. Eine kurze Mitteilung weist daraufhin, dass Schweizer Firmen nicht-verschreibungspflichtige Medikamente nur unter Vorlage eines Rezeptes versenden dürfen. Anders sieht es bei der US-Plattform Amazon aus: Hier können sich Schweizerinnen und Schweizer Aspirin nachhause liefern lassen. Ohne Rezept. Von deutschen Apotheken, die Amazon als Marktplatz nutzen und so in die Schweiz verschicken.

Bundesgericht überrascht 2015 mit Verbot

Hintergrund dieser Ungleichbehandlung ist ein Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 2015. Das Bundesgericht hält darin fest, dass das Heilmittelgesetz (HMG) in Artikel 27 den Versandhandel, auch mit rezeptfreien Medikamenten, nur mit einer ärztlichen Verschreibung erlaubt. Damit soll Überkonsum und Missbrauch verhindert werden. Allerdings holt sich kaum jemand erst beim Arzt ein Rezept ab, um dann online damit ein Medikament zu bestellen, das er auch einfach ohne Rezept in der Apotheke nebenan abholen kann. Deshalb liefern Schweizer Online-Versandapotheken deshalb seither keine rezeptfreien Medikamente nachhause. Wo keine Nachfrage ist, lohnt sich auch kein Angebot.

Alter Zopf führt zu Schlupfloch

Warum aber haben ausländische Plattformen rezeptfreie Medikamente im Sortiment und liefern diese auch in die Schweiz? Weil es für sie legal ist. Denn neben Artikel 27 im HMG gibt es eine weitere Bestimmung in Artikel 20, der dann noch weiter ausgeführt wird in Artikel 48 des Arzneimittel-Bewilligungsverordnung. Hier steht drin, dass Patienten für den Eigengebrauch im Ausland kleinere Mengen an Arzneimittel beziehen und einführen dürfen.

Bei Schnupfen greifen Leute oft zu Medikamenten, die sie zurzeit aber nur im Ausland online kaufen können.
Bei Schnupfen greifen Leute oft zu Medikamenten, die sie zurzeit aber nur im Ausland online kaufen können.
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Die Regeln stammen offensichtlich aus einer anderen Zeit, was auch der Bund so festhält (siehe Bericht). Einerseits hat er die Ausnahme in Artikel 20 für Touristen und Reisende vorgesehen, Versandhandel im Internet war beim Erlass des Artikels noch kein Thema. Andererseits bestreitet auch der Bundesrat nicht, dass der Schutzgedanke in Artikel 27 HMG neuere technologische Entwicklungen verkennt. Oder anders ausgedrückt: Anbieter können heutzutage durchaus online sicherstellen, dass Patienten die notwendige Beratung erhalten. Das habe die Erfahrung in der Covid-Krise gezeigt.

Dämpfender Effekt auf Gesundheitskosten

Um abzuklären, welche Auswirkungen eine Lockerung des Verbots in Artikel 27 HMG mit Begleitmassnahmen hätte, hat der Bund Gesundheitsökonomen mit einem Gutachten beauftragt. Dieses liegt seit diesem März vor. Darin sehen die Autoren überwiegend positive Effekte einer Lockerung des Artikels 27. Die Ungleichbehandlung zwischen Schweizer und ausländischen Anbietern würde beseitigt. Dass die Sicherheit der Patienten abnehmen würde, lässt sich laut der Experten nicht beobachten. In unseren Nachbarstaaten ist dieser Versand grundsätzlich erlaubt, und es gebe keine Hinweise, dass Menschen dadurch vermehrt zu viel oder die falschen Medikamente konsumieren. Die Fachleute hinter der Studie geben viel eher zu Bedenken, dass die derzeitige Ausnahmebestimmung die Patientensicherheit verringert. Denn die ausländischen Versender und ihre Produkte sind nicht der Schweizerischen Arzneimittelaufsicht (Swissmedic) unterstellt. Schliesslich könnte eine Liberalisierung zu höherer Preistransparenz und zu mehr Wettbewerb führen, wodurch sich die Gesundheitskosten senken liessen.

Nun bist du gefragt

Wie genau der neue Artikel 27 HMG lauten soll und welche Begleitmassnahmen Online-Händler in der Schweiz ergreifen müssen, arbeitet der Bund derzeit aus. Er prüft dabei auch, ob er die Ausnahmebestimmung einschränken soll (siehe seine Antwort). Mich interessiert nun deine Meinung! Welche Richtung soll die Schweiz einschlagen?

Online rezeptfrei Medikamente kaufen?

Was soll in der Schweiz künftig gelten?

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Beruflich darf ich mich viel mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigen. Privat kauf ich gern Bücher und staple sie daheim. Hab mal gelesen, die Japaner nennen das Tsundoku.


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