
Kritik
«The Amateur»: erstaunlich abgeklärt für einen «Hobby-Spion»
von Patrick Vogt
«The Omen» gilt als Horror-Klassiker. Oft wird er in einem Atemzug mit «Der Exorzist» genannt. Kann ein fast 50 Jahre alter Low-Budget-Film ohne Spezialeffekte heute noch gruselig sein? Ich habe ihn mir angeschaut.
Ein Horror-Abklatsch, der fast nicht produziert wird. Das ist die Ursprungsgeschichte von «Omen» in einem Satz. Autor David Seltzer wollte eigentlich nur auf der Erfolgswelle der «Böse-Kinder-Filme» mitreiten. Diese wird 1968 von «Rosemarys Baby» und 1973 von «Der Exorzist» losgetreten. Schliesslich kauft Warner Bros. die Geschichte. Der geplante Hauptprotagonist Charlton Heston lehnt es aber ab, in einem derartigen Film mitzuspielen. So verhökert Warner die Rechte an Fox.
Trotz eines klammen Budgets von lediglich 2,8 Millionen US-Dollar und null Spezialeffekten schafft es «The Omen» in den Olymp der Horror-Klassiker. Popkulturell und finanziell: Allein in den USA spielt «The Omen» 61 Millionen US-Dollar ein. Das hat die Macher dazu bewogen, innerhalb von fünf Jahren zwei Fortsetzungen zu produzieren. Wie ist dem Film das gelungen?
Das Leben des Ehepaars Thorn scheint prima zu laufen. Ehemann Robert Thorne (Gregory Peck) ist Konsul an der US-Botschaft in der italienischen Hauptstadt Rom und beruflich erfolgreich. Seine Ehefrau Kathy (Lee Remick) ist schwanger und bringt das Kind am 6. Juni um 6 Uhr morgens zur Welt. Leider stirbt das Kind kurz zuvor – es handelt sich um eine Totgeburt. Kathy Thorn bekommt dies allerdings nicht mit. Sie wird vor Schmerzen ohnmächtig.
Pfarrer Spiletto, der die Geburt als Geistlicher begleitet hat, legt dem Kindsvater Robert nahe, einen Säugling zu adoptieren, dessen Mutter bei der Geburt starb. Und zwar unverzüglich – noch bevor seine Frau Kathy das Bewusstsein wiedererlangt. Dadurch soll er ein Trauma verhindern. Thorn tut, wie ihm geheissen. Sie nennen das Kind Damien (Harvey Stephens).
Das Leben läuft wie gehabt weiter und hält eine positive Überraschung bereit: Thorn wird zum Botschafter ernannt und an die US-Botschaft nach London berufen. Am Fest zu Damiens fünftem Geburtstag (also dem Beginn seines sechsten Lebensjahres) wendet sich das Blatt: Sein Kindermädchen versichert lautstark, dass sie Damien liebe und dies nur für ihn tue – und erhängt sich vor der versammelten Gästeschar. An Damiens mimischer Teilnahmslosigkeit ob dieser Tragödie kann man erstmals erahnen, dass da etwas nicht ganz stimmt.
Jetzt geht’s rund. Damien erhält ein neues Kindermädchen, Ms. Baylock. Diese kann zwar keine Dokumente vorweisen, wird aber trotzdem eingestellt. Mit ihrer zunächst fürsorglichen und liebenswert resoluten Art erinnert sie an Mary Poppins. Anders als Disney’s fliegende Nanny hat Ms. Baylock aber etwas Schauerliches.
In Damiens Umfeld beginnen sich tödliche Unfälle zu häufen. Als Kathy Thorn abermals schwanger wird, wird Robert Thorn von einem Priester aufgesucht, Vater Brennan. Dieser bescheidet ihm, dass sein Adoptivsohn Damien einem Schakal abstammt und von Luzifer persönlich auf die Erde gesandt wurde. Er müsse seinen Adoptivsohn töten, um das ungeborene Kind zu schützen. Damien habe es auf dessen Leben abgesehen. Vater Brennan stirbt kurz darauf selbst durch einen Unfall.
Zu Beginn tut Thorn das Ganze als Spinnerei ab. Doch als sich die Unfälle häufen und auch der Fotograf Keith Jennings ihn auf gewisse Ungereimtheiten anspricht, ändert sich das. Er geht mit Jennings auf Recherche nach Italien und erfährt dort die ganze schreckliche Wahrheit. Kann sich jetzt noch alles zum Guten wenden?
Da Fox kein wirklich nennenswertes Budget sprechen will, bleiben Spezialeffekte komplett aus. Übernatürliche Elemente gibt es keine. Monster oder besessene Menschen auch nicht. Vor allem Letzteres hat dem Film «Der Exorzist» zum Erfolg verholfen. Für eine düstere Grundstimmung muss also was Preiswerteres herhalten. Die Filmmusik. Vor allem der Choral «Ave Satani» von Jerry Goldsmith ist zum Kultstück avanciert.
Die Kompositionen sind passend und werden im Film geschickt platziert, sodass mich regelmässig ein Schauer überkommt – obwohl eigentlich gar nichts Spektakuläres passiert. Die Musik verpasst dem Film eine Ambiance, die es locker modernen Horrorfilmen aufnehmen kann.
Wenn du noch etwas jünger bist, kennst du das Lied vielleicht aus der Zeichentrickserie South Park. In der zehnten Folge der ersten Staffel hat «Damien» als Sohn des Teufels einen Gastauftritt. In Anlehnung an Omen wird in der Episode wiederholt «Ave Satani» gespielt.
Zweifelsohne lebt der Film zu grossen Teilen von Gregory Peck, der den Kindsvater Robert Thorn spielt. Das spaltet mich. Die Figur Robert Thorn droht schon sehr früh, mir unsympathisch zu werden. Auch für die 70er-Jahre, wo weniger «Awareness» geherrscht hat als heute, ist der Akt, der eigenen Frau nach einer Fehlgeburt einfach ein anderes Kind unterzuschieben, unfassbar übergriffig. Eigentlich reicht das Wort übergriffig bei weitem nicht. Auch seine patriarchale Art eckt an; zum Beispiel als Kathy kein Kind mehr will und er ihr eine Abtreibung verbietet. Auch ist er Bediensteten oder einfachen Angestellten gegenüber sehr arrogant. Dem haftet etwas Klassistisches an.
Allerdings büsst er in der Folge dafür. Sein Leben gerät derart aus den Fugen, dass ich wieder beginne, Mitleid mit ihm zu haben. Er wandelt sich im Laufe des Films vom arroganten Botschafter und Geschäftsmann zum liebenden Familienvater, der verzweifelt gegen äussere Umstände und mit seinen inneren Konflikten kämpft.
Was den Film ebenfalls zu dem macht, was er ist: Harvey Stephens, der Damien spielt und zum Zeitpunkt des Films gerade mal sechs Jahre alt ist. Sein mal stoischer, mal stechender Blick, dazu seine Schweigsamkeit und komplett teilnahmslose Mimik während brutaler Todesfälle verursachen bei mir Gänsehaut.
Das Witzige: Stephens Spiel ist purer Zufall. Die Regie stellte zu spät fest, dass Stephens einen starken Cockney-Akzent hatte. Das passte nicht zur wohlhabenden Upper-Class-Familie, der er im Film angehört. Deshalb wies ihn die Regie an, nicht zu sprechen. Einzige Ausnahme sind die Szenen, die in oder nahe einer Kirche spielen.
Auch wenn ich mit Religion und Glaube wenig zu tun habe, vermag es «The Omen», mir Gänsehaut zu bescheren. Der Film arbeitet (fast) ausschliesslich mit sogenannten «Daylight-Horror»-Elementen. Die Andeutungen einer «bösen» Präsenz, die Musik und die sehr raren, aber geschickt platzierten Schock-Elemente kreieren eine tolle Ambiance. Explizites ist hier gar nicht vorhanden – für Fans von Splatter, Torture-Porn oder Jumpscare-Horror gibt's nichts zu holen. «Gehobenes Gruseln» für Zuschauer und Zuschauerinnen, die auch langsamere Bildwechsel ertragen.
Titelbild: alphacoders.comSeit ich herausgefunden habe, wie man bei der ISDN-Card beide Telefonkanäle für eine grössere Bandbreite aktivieren kann, bastle ich an digitalen Netzwerken herum. Seit ich sprechen kann, an analogen. Wahl-Winterthurer mit rotblauem Herzen.