Warner Bros.
Kritik

«Weapons»: Der perfekte Horrorfilm? Fast.

Luca Fontana
6.8.2025

Was passiert, wenn ein Mystery-Horror seine Antworten zu früh gibt? «Weapons» beginnt wie ein Albtraum, spaltet dann das Publikum – und bleibt trotzdem hängen. Vielleicht gerade deshalb.

Keine Sorge: Die folgende Filmkritik enthält keine Spoiler. Ich verrate dir nicht mehr, als ohnehin schon bekannt und in den Trailern zu sehen ist. «Weapons» läuft ab dem 7. August im Kino.

Eigentlich hasse ich solche Filme. Nicht, weil sie mir zu blutig wären – das wäre mir noch egal. Sondern weil sie zu gut sind. «Hereditary», «Smile», «The Conjuring» und Konsorten. Die, die nicht einfach einen Schockmoment reinhauen, sondern mich langsam und genüsslich fertig machen. Und trotzdem sitze ich im Kino. Freiwillig.

Wieso? Wegen des bisher perfekten Kritiker-Scores. Zumindest stand heute, 6. August, wenn wir Rotten Tomatoes Glauben schenken. Und das, obwohl es kaum offizielle Kritiken gibt. Der Film ist umhüllt von Geheimniskrämerei, fast schon verschwörerisch zurückhaltend beworben. Bis dieser Trailer genau diesen Score zelebriert.

«Perfect score», heisst es da oben in der Überschrift, und «you were warned» später im Trailer.

Oh Gott.

Ich weiss nicht, was mich mehr beunruhigt: die schiere Prämisse von «Weapons» – oder die Möglichkeit, dass der Film dieser Prämisse auch noch gerecht werden könnte. Denn sie ist verdammt stark.

Wie ein Stephen-King-Roman, nur schlimmer

Maybrook, Pennsylvania. Sechzehn Kinder steigen eines Nachts um exakt 2:17 Uhr aus dem Bett, öffnen die Haustür, strecken die Arme aus – und rennen hinaus in die Dunkelheit. Wie kleine Bomber auf Zielkurs. Kein Zwang, keine Gewalt, nur ein kollektiver Impuls, der sich jeder Logik entzieht. Zurück bleibt ein leerer Klassenraum. Und ein einziger Junge namens Alex, der verschont blieb. Oder vergessen wurde. Oder auserwählt war.

Wer weiss das schon.

Nur der kleine Alex (Cary Christopher) blieb von der mysteriös verschwundenen dritten Klasse übrig.
Nur der kleine Alex (Cary Christopher) blieb von der mysteriös verschwundenen dritten Klasse übrig.
Quelle: Warner Bros.

Das alles klingt wie der Anfang eines Stephen-King-Romans – und fühlt sich auch so an. Nur dass es nicht Stephen King war, der «Weapons» geschrieben hat, sondern Zach Cregger. Ein Mann, der bereits mit «Barbarian» bewiesen hat, wie viel Horror in den Fugen der Normalität lauert. Diesmal schickt er uns nicht in ein gruseliges Airbnb, sondern in eine typisch amerikanische Vorstadthölle – wo das eigentliche Monster nicht unter dem Haus wohnt, sondern in den Bewohnern.

Denn so verstörend das Verschwinden der Kinder ist, die wahre Eskalation folgt erst danach. Eltern, die anfangs noch zittern, fangen bald an zu schreien. Wut ersetzt die Trauer, und Justine Gandy – die Lehrerin der vermissten Kinder, gespielt von einer brillanten Julia Garner – wird zur Zielscheibe kollektiver Schuldzuweisung.

Julia Garner (rechts) spielte zuletzt den Silver Surfer in «Fantastic Four: First Steps».
Julia Garner (rechts) spielte zuletzt den Silver Surfer in «Fantastic Four: First Steps».
Quelle: Warner Bros.

Was Cregger dann macht, ist clever: Er bleibt nicht bei Justine, sondern zeigt die Geschehnisse aus sechs verschiedenen Blickwinkeln. Wie durch ein dunkles Prisma: Der Vater eines verschwundenen Kindes (Josh Brolin), ein Cop (Alden Ehrenreich), ein Junkie (Austin Abrams), der Schuldirektor (Benedict Wong) und noch eines anderen, dessen Rolle ich hier nicht vorwegnehmen will.

Jede Person erzählt ihr Kapitel. Jede Perspektive ist ein neues Puzzleteil. Und je mehr Teile wir sehen, desto klarer wird das Bild – aber auch beunruhigender. Denn was wir erkennen, ist nicht nur ein Mysterium. Es ist ein Spiegel. Ein Spiegel unserer Gesellschaft. Unserer Angst.

Unserer Raserei.

Wer ist das wahre Monster?

Das ist stark. Wirklich stark. Denn «Weapons» will nicht bloss ein verstörender Thriller um des Horrors Willen sein. Er erzählt auch davon, wie wir uns selbst zu Waffen machen und wie Wut Menschen verwandelt, wenn Schmerz ihre Wahrheit verzerrt. So, dass aus einem unverständlichen Verlust eine Hexenjagd wird, die keine Rücksicht auf Kollateralschaden nimmt.

Nach traumatischen Ereignissen sucht die Gesellschaft oft zuerst nach Sündenböcken, nicht nach Ursachen.
Nach traumatischen Ereignissen sucht die Gesellschaft oft zuerst nach Sündenböcken, nicht nach Ursachen.
Quelle: Warner Bros.

Kein Wunder wollte Horror-Meister und «Get Out»-Regisseur Jordan Peele den Film unbedingt von seiner eigenen Produktionsfirma Monkeypaw realisiert sehen. Passt ja auch ein bisschen zu seinen Horror-Streifen, die immer irgendwo zwischen blutigem Spektakel und Gesellschaftskritik wandeln.

Angeblich soll Peele sogar so frustriert gewesen sein, bei der Rechtevergabe zu Zach Creggers neuem Film letztlich doch leer ausgegangen zu sein, dass er seinem langjährigen Manager den Laufpass gab. Offiziell bestätigt ist das nicht. Aber das Gerücht fügt sich irgendwie in das Bild eines Films, der so geheimnisvoll ist, dass selbst sein Entstehungsprozess zum Mythos taugt.

Der Film jedenfalls erzählt seine Geschichte zwei Drittel lang mit kalter Eleganz, stiller Wucht und einer Kamera, die immer wieder spannende neue Blickwinkel aufzeigt. Und dann ist da noch die beängstigend gute Filmmusik, die förmlich unter die Haut kriecht, ohne je aufdringlich zu sein. Das macht den ganzen Film unheimlich beklemmend, während unser Hirn lange Zeit seine eigenen Geistergeschichten spinnt – mit Assoziationen an Schulmassaker, Verschwörungstheorien und moralischen Verfall.

Aber dann – dann kommt der letzte Akt.

Wenn das Puzzle fertig ist

Das Problem ist: Irgendwann fügt sich das Puzzle zusammen. Stück für Stück. Und sobald sich das grosse Ganze offenbart, verliert «Weapons» an Schärfe. An Sogwirkung. Nicht, weil die Auflösung schlecht wäre. Sondern weil die Spannung bis dahin eben vor allem davon lebt, nicht zu wissen, wie alles zusammenhängt.

Doch kaum weiss man’s, hat der Film noch mindestens eine halbe Stunde Laufzeit. Eine halbe Stunde, die sich ohne hypnotisches Mysterium ganz schön lang anfühlt. Fast ein bisschen so, als würde «Weapons» auf der Stelle treten. Das Rätseln fällt weg. Das Deuten. Vermuten. Und dann passiert noch etwas:

Der Film kippt tonal.

Ich wünschte, «Weapons» hätte seine düster-unheilvolle Atmosphäre bis zum Schluss durchgezogen.
Ich wünschte, «Weapons» hätte seine düster-unheilvolle Atmosphäre bis zum Schluss durchgezogen.
Quelle: Warner Bros.

Was vorher subtil und psychologisch war, wird plötzlich deutlich lauter, grotesker und fast schon humoristisch überzeichnet. Als wäre ich schlagartig im falschen Film gelandet. Ob das Absicht ist? Ich denke schon. Regisseur Zach Cregger weiss genau, was er tut. Er will wohl verstören, überraschen, vielleicht auch herausfordern. Viele werden das als mutig und originell empfinden. Andere, so wie ich, werden sich etwas verloren fühlen.

Denn so sehr ich schätze, wenn Filme etwas wagen – ich kann mit diesem letzten Tonbruch nur wenig anfangen. Die düstere, emotionale Verbindung, die sich zuvor langsam aufgebaut hatte, geht für mich im finalen Klamauk ein wenig verloren. Statt eines finalen Höhepunkts bleibt eher ein Gefühl von Irritation zurück.

Ob das gut oder schlecht ist? Schwer zu sagen. Aber es beschäftigt mich. Und das ist vielleicht genau das, was der Film will.

Fazit

Mut zur Irritation

«Weapons» ist kein perfekter Film. Aber er beginnt wie einer. Denn was Zach Cregger hier inszeniert, ist über weite Strecken meisterhaft: ein hypnotischer Mystery-Horror, der sich mit jeder neuen Perspektive tiefer in unser Unterbewusstsein bohrt. Der mehr andeutet, als er erklärt und genau dadurch so verstörend wirkt.

Erst gegen Schluss verliert der Film etwas den Halt. Nicht komplett, aber spürbar. Die Sogwirkung sinkt, die Tonlage kippt, die emotionale Klarheit verflüchtigt sich. Was bleibt, ist ein Film, der mutig ist. Der es wagt, anders zu sein – und genau deshalb angreifbar ist.

Titelbild: Warner Bros.

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Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.» 


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