Hintergrund

Im Skyguide Tower: Kommunikation ist der Schlüssel zu allem

Livia Gamper
30.8.2019
Bilder: Thomas Kunz

Mit hightech Navigations-, Funk- und Radarsystemen sichern Fluglotsen den Verkehr im hiesigen Luftraum. Ein Besuch im Tower zeigt: Viel essenzieller als all die Instrumente ist die menschliche Kommunikation und Kontrolle dahinter.

Die Hauptaufgabe der Fluglotsen ist laut Vladi ganz einfach: «Kollisionen am Boden und in der Luft verhindern, das ist alles.» Um den komplexen Ablauf von Flügen zu steuern, bedienen sich die Flugverkehrsleiter verschiedenster Technologien. Dabei macht ein Fluglotse nicht den ganzen Tag dasselbe. Jeder der vier, beziehungsweise fünf, Fluglotsen im Tower hat eine andere Aufgabe.

Transpondercodes für den Radar verteilen

Am Arbeitsplatz ganz links sitzt Christoph. Er ist für’s Clearance Delivery zuständig: Er ist für die Flugzeuge verantwortlich, die noch am Gate stehen. Sobald die Flugbegleiter die Türen geschlossen haben und bereit für den Abflug sind, funkt Christoph das Flugzeug an. Er teilt dem Piloten das Wetter und letzte Informationen für die Flugroute per Funk mit.

Mit dem Transpondercode können die Fluglotsen Flugnummer, Flughöhe und Geschwindigkeit der Flugzeuge auslesen. Es gibt auch spezifische Transpondercodes. So muss, falls ein Flugzeug in eine Luftnotlage kommt, der Code vom Piloten geändert werden. Für entführte Flugzeuge lautet der Squawk zum Beispiel 7500.

Koordination: Militärflugzeuge und die Rega haben Vortritt

Nebst der Koordination mit Dübendorf ist Xandel in der Position des Ground Controls auch für die Pistenbeleuchtung zuständig. Von den Lotsen wird diese Pistenbefeuerung genannt. Im Tower können alle Lichter, die sich auf den Pisten des Flughafens Zürich befinden, an- und abgestellt werden, sowie individuell angesteuert und ausgerichtet werden.

Am wichtigsten sind dabei die Stop-Bars. Das sind die roten Lämpchen, die vor jeder Kreuzung einer Lande- oder Startpiste leuchten. Für Piloten sind diese wie eine rote Ampel. Sie dürfen eine Piste erst überqueren, wenn sie von den Fluglotsen das Go erhalten haben.

Bei Nacht, Schnee, Regen oder Nebel muss die Pistenbeleuchtung angepasst werden. Ich frage Xandel, nach welchem System er die Beleuchtung anschaltet. «Meistens loangts, wenni eifach ausm Fenster rausschaue.»

Fluglotsen stehen auf Action

Wie alle Fluglotsen am Flughafen Zürich arbeitet Xandel nicht nur im Flughafentower, sondern auch in Dübendorf. In Dübendorf befindet sich eine Bezirksleitstelle, auch Area Control Center (ACC) genannt. Dort sind die Fluglotsen für den Anflugdienst, auch Approach Control genannt, zuständig. In diesen Funktionen leiten sie die An- und Abflüge zum oder vom Flughafen Zürich.

«Cleared to land»

Neben Xandel sitzt Stefan. Seine Position ist jene des Aerodrom Controllers. Seit ich im Tower stehe, ist er der einzige, der das Headset ständig aufgesetzt hat. Stefans Aufgabe ist es, die Flugzeuge für Start und Landung zu koordinieren und den Piloten die Freigaben für Abflüge, Landungen und Pistenüberquerungen zu erteilen.

Dazu redet Stefan fast nonstop auf der Funkfrequenz des Flughafens und antwortet auf die einkommenden Funknachrichten der Piloten. Stefan zeigt mir einen Edelweiss-Flieger, der hinten an der Piste steht. Der darf jetzt starten. Dazu nennt Stefan den Namen des Flugzeugs, Windstärke und Windrichtung und sagt dann: Cleared for takeoff. Der Flieger rollt auf der Piste an und hebt auf Höhe des Towers ab. «So, die geu iez aui nach Costa Rica», meint Stefan lachend.

Dann spricht er nochmals mit dem Piloten: «Contact departure», sagt er, was für den Piloten bedeutet, dass er jetzt die Funkfrequenz wechseln muss. Die Frequenz ist im Flight Management System des Fliegers hinterlegt, den Wechsel muss der Pilot aber noch von Hand machen. Damit wird der Pilot an die Lotsen in Dübendorf weitergegeben. Der Flughafentower ist bei startenden Flugzeugen nur bis kurz nach dem Abheben zuständig.

Bei landenden Fliegern sieht’s anders aus. Sobald ein ankommendes Flugzeug im Umkreis von 20 Kilometern des Flughafens ist, muss es den Tower kontaktieren. Für den Landeanflug reihen sie sich in einem Luftkorridor ein und erhalten dann von Stefan die Landeerlaubnis. «Cleared to land, Runway one four», sagt Stefan in den Funk, was soviel heisst, dass ein Flugzeug jetzt auf der Piste 14 landen darf.

«Vor einigen Jahren ist ein Flieger seitlich von dieser Piste gerollt», erklärt mir Vladi. «Die Lotsen haben’s wegen den hohen Bäumen erst gemerkt, als plötzlich Leute am Boden entlang der Piste gelaufen sind. Auch deshalb haben wir diese Kamera.»

Stefan steuert die Flugzeuge aber nicht nur, indem er aus dem Fenster auf die Piste schaut. Auf einem seiner vier Bildschirme ist der Bodenradar aller Flugpisten und Anfahrten abgebildet. Wie die Flugzeuge sind alle Autos und Busse, die am Flughafen herumkurven, mit einem Transponder ausgestattet. So erscheinen alle Flughafenvehikel auf Stefans Radarschirm. Das Radarbild generiert eine Anlage, die beim Dock E steht.

Ein weiterer von Stefans Bildschirmen zeigt das Pistenkreuz des Flughafens mit der Pistenkonfiguration. Weil Start und Landung immer gegen den Wind erfolgen müssen, wird auf diesem Bildschirm die Windrichtung und Windstärke angezeigt. Auf dem nächsten Bildschirm sieht Stefan den aktuellen Flugplan. Auf der linken Bildschirmhälfte sind alle startenden Flüge, auf der rechten alle landenden.

Trotz den drei verschiedenen Radaranlagen und den etlichen Bildschirmen: Das Wichtigste, also die Start- und Landefreigabe, wird von den Lotsen kontrolliert und ausschliesslich per Sprechfunk auf den UKW-Bändern freigegeben.

Es gibt mittlerweile Hightech-Systeme, bei der die Lotsen die Anweisung für den Piloten per Text eingeben können. Der Pilot sieht den Text dann direkt bei sich im Cockpit. Das System nennt sich CPDLC, was für Controller-Pilot Data Link Comnunications steht. Das System ist aber nur in den neueren Flugzeugen eingebaut. Im Tower wird sich diese Technologie vorerst nicht durchsetzen, erklären mir die Lotsen. Die Übermittlungszeiten seien hier schlicht noch zu lange.

Drohnen per Feldstecher orten

Auf dem Radar kann Stefan alle Flugzeuge, die über dem Schweizer Luftraum herumdüsen, identifizieren, indem er herauszoomt. Da alles auf dem Radar ersichtlich ist, erstaunt es mich, dass an jedem der Arbeitsplätze ein Feldstecher liegt. Vladi erklärt mir, dass sie diese brauchen, wenn sich mal wieder eine Drohne in den Luftraum um den Flughafen verirrt. Aber auch um Gegenstände auf der Piste zu orten, die entfernt werden müssen.

Drohnenflüge sind fünf Kilometer um den Flughafen verboten. Trotzdem kommt’s immer wieder vor, dass eine Drohne herumfliegt. Da die Drohnen von Weitem und mit blossem Auge nicht zu sehen sind, brauchen die Lotsen die Feldstecher. Es sei schon vorgekommen, dass die Flugverkehrsleiter einen Funk von Piloten im Anflug erhielten, dass da eine Drohne im Weg sei. Die Lotsen müssen dann vom Tower aus die Polizei informieren, erzählt mir Vladi.

Kommunikation im Zentrum

Die Fluglotsen arbeiten mit Hightech sowie alten Radarsystemen. Doch das Wichtigste an ihrer Arbeit ist die menschliche Kommunikation und Kontrolle – sprich sie selbst. Die gesamte Verantwortung der sicheren Flugabfertigung liegt bei ihnen. Ich bin erstaunt, dass sie noch so stark auf Radar und Feldstecher angewiesen sind und sich Dinge wie CPDLC noch nicht durchgesetzt haben. Manchmal scheint weniger tatsächlich mehr zu sein.

Weil der Flugbetrieb am Flughafen Zürich in Wellen funktioniert, nimmt der Betrieb wieder zu. Für mich ist es nun Zeit, den Tower zu verlassen, um die Fluglotsen wieder in Ruhe arbeiten zu lassen.

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Experimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival. 


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Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

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