Ratgeber

Ich habe versucht, meine Kabel selbst zu sleeven, das Ergebnis ist...

Kevin Hofer
25.1.2019

Gesleevte Kabel sehen verdammt schick aus. Sie sind aber auch sehr teuer. Um Geld zu sparen, habe ich es selbst versucht. Das ist die Geschichte meines Scheiterns.

Langsam schiebe ich das Kabel durch den Paracord. Es. Geht. Nicht. Vorwärts. Pro Minute bewege ich das Kabel gefühlt einen Zentimeter. Meine Finger schmerzen. Ich verspanne mich am ganzen Körper. Der Schweiss läuft mir den Nacken runter. «Beweg dich endlich vorwärts, du scheiss Kabel!» Es will nicht. Nein, sleeven ist nichts für mich. Dabei war ich zu Beginn voll motiviert.

Die Königsdisziplin des Moddings?

Schaue ich während dem Gamen nach rechts, sehe ich das Innere meines PCs. Mir gefallen meine farblich abgestimmten Komponenten. Was mich stört, sind die schnöden schwarzen Netzkabel. Ich habe schon Videos von Moddern gesehen, die ihre Kabel selbst sleeven. Das will ich auch versuchen.

Mit Sleeven ist der Prozess gemeint, bei dem die fetten Kabel des Netzteils ihrer Hülle entledigt und in einzelne Stoffkleider (Sleeves) gesteckt werden. Die Arbeit wird als mühsam und zeitaufwendig beschrieben. Klar, will ich tatsächlich alles selbst machen, muss ich erstmal Kabel abmessen, schneiden, crimpen und quetschen. Und das bei jedem einzelnen Kabel für Mainboard, GPU und alle weiteren Anschlüsse. Das dauert.

Ist das Kabel sleeven gar die Königsdisziplin des Case Moddings? Wohl eher nicht, beim Biegen von Hard Tubes oder dem Modellieren von Gehäuse-Komponenten ist die künstlerische Ader mehr gefragt. Aber am zeitaufwendigsten ist das Sleeven ganz bestimmt.

Kein Wunder greifen heute immer mehr Modder zu fertig gesleevten Kabeln oder lassen sie anfertigen. Die Auswahl an verschiedenen Farben ist mittlerweile relativ gross. An die Möglichkeiten vom Selbermachen kommen sie aber noch nicht heran – auch preislich nicht.

Schier grenzenlose Möglichkeiten

Die meisten Modder verwenden Fallschirmleinen – Paracord genannt – als Sleeves. Die bestehen aus Nylon und wurden vom US-Militär erstmals während dem Zweiten Weltkrieg verwendet. Die Leinen erfreuen sich heute auch bei Bastlern und Campern grösster Beliebtheit. Fun Fact: Paracord wurde sogar zur Reparatur des Hubble-Weltraumteleskops verwendet.

Fürs Modding von internen PC-Netzkabeln wird Paracord des Typs III – auch 550 Paracord genannt – verwendet. Die Zahl 550 weist auf die Mindestbruchlast von 550 Pfund – umgerechnet 249 Kilogramm – hin. Die Leine gibt es in verschiedensten Uni-, Camouflage-, Multi- und Neon-Farben sowie reflektierend und im Dunkeln leuchtend.

Mein Projekt

Für die optimale Lösung benötige ich nebst Paracord noch Werkzeug, Kabel, Pins und Schrumpfschlauch. Die Anschaffungskosten dafür übersteigen aber den Preis von fertigt gesleevten Kabeln. Ich entscheide mich deshalb für die Budget-Variante und sleeve die vorhanden Kabel meines Netzteils.

So muss ich lediglich die Pins aus den Steckern entfernen, die Kabel sleeven und wieder einführen. Zu kaufen brauche ich somit nur den Paracord und Schrumpfschläuche, um die Sleeves zu fixieren. Auf Sleevingwerkzeug verzichte ich. Die Pins will ich mit Behelfs-Werkzeug in Form von Bostich-Klammern entfernen.

Fertig, bevor ich richtig angefangen habe?

Leider stosse ich unter der Sleeve auf einen Kondensator. Darf ich den Kondensator einfach entfernen? Wie lösen das die Hersteller von gesleevten Kabeln? Wenn ich jetzt alles selbst machen würde, wäre mir der Kondensator gar nicht aufgefallen. Stresslevel 50.

Neue Hoffnung mit dem PCI-E-Kabel?

Einfach aufgeben will ich aber nicht. Schliesslich habe ich bis jetzt noch gar nicht gesleevt. Ich versuche es mit dem PCI-E-Strang. Der hat nur acht Kabel. Wie sich beim Lösen der bereits bestehenden Sleeve herausstellt, ist auch hier ein Kondensator zwischengeschalten. Hinzu kommt, dass vom ersten Stecker weitere Kabel auf einen zweiten Stecker gehen. Ich entschliesse mich, diese einfach abzuzwacken und nur das primäre Kabel zu sleeven.

Jetzt kann’s aber endlich losgehen. Da ich sehr faul bin und bereits einige Hürden überwinden musste, entschliesse ich mich, nur die Pins auf der GPU-Seite zu entfernen. Das unsichtbare Ende beim Netzteil fixiere ich mit einem Schrumpfschlauch auf dem Kabel. Die Kabel schreibe ich beim Netzteilende an, damit ich wieder weiss, in welches Loch sie gehören.

Ein Werkzeug wäre keine schlechte Idee gewesen. Ich rutsche beim Reindrücken der Klammern immer wieder ab und die Bostich-Klammern bohren sich genüsslich in meinen Daumen. Nach vier Pins ist dieser ganz wund und jeglicher Druck schmerzt. Mein Stresslevel steigt wieder etwas an und liegt bei 65.

Als schwieriger erweist es sich, die Pins herauszuziehen. Es ist erstaunlich viel Kraft nötig und schliesslich will ich das Kabel nicht herausreissen. Der schmerzende Daumen macht das nicht einfacher. Irgendwann gelingt es mir dann doch, alle Kabel aus dem Stecker zu entfernen. Mit pochendem Daumen mache ich mich endlich ans Sleeven. Die Vorfreude darauf lässt mein Stresslevel wieder auf die gute alte 42 sinken.

Kabel in Hülle

Die eigentliche Arbeit hat noch gar nicht begonnen und ich hatte bereits zahlreiche Probleme. Jetzt muss einfach alles reibungslos klappen. Ich messe den Paracord ab, indem ich ihn neben dem Kabel aufrolle. Etwa fünf Zentimeter vor dem PSU-Stecker schneide ich den Paracord durch. Jetzt muss ich nur noch das Garn aus der Sleeve ziehen. Das geht zur Abwechslung mal ganz einfach. Stresslevel 20, jetzt kann’s nur gut kommen.

Ich beginne mit den äusseren Kabeln links und rechts, die ich mit weissem Paracord sleeven will. Die Pins klebe ich mit Isolierband ab, damit sich die Widerhaken nicht per Zufall in der Sleeve verheddern. Danach kann ich sie Zentimeter für Zentimeter über das Kabel ziehen. Meine Daumen schmerzen, aber ich habe Freude, dass alles so gut läuft.

Sobald der Paracord übergestreift ist, schneide ich zwei Schrumpfschläuche zu, einen für jedes Ende. Auf der PSU-Seite mache ich den Schlauch etwas länger.Den sieht man ja nicht. Auf der Mainboard-Seite will ich eine Technik anwenden, bei der der Schrumpfschlauch nicht oder nur sehr wenig sichtbar ist. Ich beginne dort, weil ich da sehr exakt arbeiten muss.

Ich bin am Ende

Jetzt muss ich entweder von meinem Plan, alles möglichst einfach zu machen, abkommen und alles selbst machen: Also Kabel abmessen, schneiden, crimpen und quetschen. Oder ich befestige den Paracord so, dass der Schrumpfschlauch sichtbar ist. Ich entscheide mich für die zweite Variante, weil’s mir langsam stinkt.

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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