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Huawei vs. USA: Ein Blick auf Microsoft, Windows und Matebooks

Microsoft darf nicht mehr mit Huawei zusammenarbeiten. Der Konzern sieht sich, sollte die aktuelle Lage Bestand haben, einem möglichen Betriebssystemwechsel gegenüber. Die Möglichkeiten und Folgen reichen von Regierungsnähe bis Eigenentwicklung.

Der Wirtschaftskrieg zwischen den USA und China hat Huawei erreicht. Seit Donnerstag, 16. Mai 2019, steht der chinesische Konzern Huawei auf der schwarzen Liste der US-Amerikaner. Das bedeutet, dass Amerikanische Firmen keine Geschäfte mehr mit Huawei treiben darf. Google darf nun nicht mehr mit Huawei zusammenarbeiten.

Im gestrigen Artikel sind Fragen aufgekommen.

Wollte mir heute ein MateBook X pro kaufen - sollte ja eigentlich kein problem geben?
SlimPress
Betrifft dies nur Huawei oder auch andere chinesische Firmen? Huawei verkauft ja auch Notebooks mit Intel Hardware und Microsoft Software, ist dies in Zukunft auch verboten?
Lunatic75

Eine Anfrage bei Microsoft Schweiz ergab eine kurze und knappe Antwort:

Leider kann Microsoft Schweiz zu diesem Thema keine Stellung nehmen.
Tobias Steger, Mediensprecher Microsoft Schweiz

Das kann bedeuten, dass die Gespräche zwischen den Betroffenen noch nicht so weit fortgeschritten sind, dass eine geeinte Message an Medien weitergegeben werden kann. Dies deckt sich mit aktuellen Medienberichten und dem Inhalt dieses Artikels: Viel Spekulation, eine sich stündlich ändernde Situation und starke Gegner, die alle Tricks kennen.

Das Wichtigste in Kürze

Huaweis Problem heisst Matebook

Huawei hat mit der Matebook-Serie einen starken Player im Laptop-Markt. Die Strategie gleicht der des Mobile Business aus dem Hause Huaweis: Starke Hardware, Kampfpreis. Doch im Unterschied zur Mobile Division setzt Huawei nicht auf ein offenes Betriebssystem, denn egal, was Mac User sagen, die Welt läuft auf Windows. Daher ergibt die Wahl des Betriebssystems mit Windows am meisten Sinn.

Das Problem: Windows ist ein Produkt aus den Vereinigten Staaten und darf laut US-Regierung am 21. Mai 2019 nicht mehr nach China geliefert werden.

Aktuelle Geräte dürften, wenn sich die aktuelle Rechtslage mit der der Mobile Division deckt, nicht betroffen sein. Microsoft Schweiz bezieht keine Stellung, weswegen über einen finalen Entscheid oder eine aktuell richtige Rechtslage nur spekuliert werden kann.

Keine Alternative zu Windows

Sollte der Beschluss vom 21. Mai 2019 bestand haben und keine Sonderbewilligungen oder eine legale Lücke ausgenutzt werden, so dürfte es Microsoft nicht mehr möglich sein, den sekundären Geldfluss unter Windows 10 aufrecht zu erhalten. Dass die Nutzer des Betriebssystems in China oder auf chinesischen Produkten keine Updates mehr erhalten würden ist dabei nur ein sekundäres Problem, das dann vor allem Huawei das Leben schwer machen könnte.

Das Problem ist vielmehr das, dass Huawei keine valable Alternative für Windows parat zu haben scheint. Apples macOS wird ausserhalb Bastlerkreisen immer nur auf Apple-Produkten laufen, Linux ist so gut wie unbekannt in China und wird auch international nur marginal genutzt. Weltweit laufen nur 0.84% aller mit dem Internet verbundenen Rechner auf Linux.

Zukunftsvision I: Microsoft China

Aus dieser Situation ergibt sich folgende Lage: Huawei will Microsoft, Microsoft will China. Denn beide Parteien profitieren in Milliardenhöhe von der Partnerschaft. Der chinesische Markt ist sogar so wichtig, dass Microsoft in China einen eigenen Firmensitz hat.

Microsoft (China) Co., Ltd. hat seinen Firmensitz laut Börsenportal Bloomberg in der chinesischen Hauptstadt Beijing und beschreibt sich selbst wie folgt:

Übersetzung:

VIPKid ist im Jahre 2013 von der chinesischen Unternehmerin Cindy Mi gegründet worden und wird aktuell mit einem Wert von drei Milliarden US-Dollar gehandelt. VIPKid sieht sich selbst als «grösstes englischsprachiges Online-Klassenzimmer», bietet Englischkurse von Native Speakers an chinesische Kinder an. Lehrer verdienen bis zu 22 US-Dollar pro Stunde.

VIPKid ist ein wichtiges Tool für die chinesische Wirtschaft, damit der Westen erschlossen werden kann. Genau wie auch Windows für Huawei ein wichtiges Werkzeug ist, den Westen zu erschliessen und Märkte möglichst zu beherrschen.

Zukunftsvision II: Kylin/NeoKylin

Das Betriebssystem gleicht in seinem Look anno 2015 Windows XP bis hin zum Desktophintergrund mit einem grünen Hügel. Die South China Morning Post berichtet am 14. September 2015, dass 40% aller von Dell verkauften Computer mit vorinstalliertem NeoKylin ausgeliefert werden.

Bei NeoKylin handelt es sich laut Quartz um eine Linux-Distribution, auch wenn Journalist Nikhil Sonnad nicht abschliessend sagen kann, welche grosse Distribution sich die chinesische Regierung zum Vorbild genommen hat. Er vermutet aber, dass sich NeoKylin 6.0 an Fedora orientiert.

NeoKylin ist für Huawei und den Westen keine besonders attraktive Alternative. Zum einen ist da die Verbindung zum Chinesischen Militär, das an der Entwicklung Kylins mitgearbeitet hat. Zum anderen die Tatsache, dass die Entwicklung Kylins recht weit fortgeschritten ist.

Für Huawei ergibt der Wechsel zu Kylin zum aktuellen Zeitpunkt wenig Sinn.

Zukunftsvision III: HongMeng OS, das eigene Betriebssystem

Huawei's own-developed smart phone Operating System, reportedly named
HongMeng OS", is being trialled out and will gradually replace the Android system, according to three Chinese media reports. "Global Times News, Twitter, 20. Mai 2019

Übersetzung:

Huaweis Smartphone-Betriebssystem-Eigenentwicklung, Reports zufolge
HongMeng OS" genannt, ist derzeit in der Probephase und wird Android graduell ersetzen, besagen drei chinesische Medienreports. "Global Times News, 20. Mai 2019

Bisher ist nur die Rede davon, dass HongMeng OS, sollte es denn so heissen, Android auf den Smartphones Huaweis ersetzen soll. Aber mit dem Wechsel zu HongMeng OS, einer Entwicklungszeit von sechs Jahren und einem Portfolio, das weit über Smartphones hinausgeht, ist es möglich, dass die Grenze zwischen Desktop-Betriebssystem und mobilem Betriebssystem abgeschafft wird. Der Schritt zum nahtlosen Ökosystem könnte mit HongMeng OS gelingen.

Randnotiz: HongMeng könnte, wenn die Schreibweise «红梦» stimmen sollte, für «roter Traum».

Zukunftsvision IV: Linux

Es steht Huawei frei, eine eigene Distribution zu erstellen oder eine bestehende abzuändern. Sollte sich der Konzern für letzteres entscheiden, ist es möglich, dass die Entwicklung ähnlich wie Huaweis Emui verläuft. Das Betriebssystem unter der Oberfläche bleibt im Wesentlichen die Basisdistribution und der Konzern packt eigene Features und eine eigene Desktopumgebung darauf.

Alle drei Zukunftsvisionen sind derzeit reine Spekulation und keinesfalls abschliessend. Weiter wäre die gestern angerissene Idee von Huawei US auch für die Zusammenarbeit mit Microsoft denkbar. Ohne Statement bezüglich dem Windows-Portfolio von Microsoft und/oder Huawei gibt es nichts Definitives zu sagen.

Zukunftsvision V: Ohne Betriebssystem

Huawei kann seine neuen Laptops ohne Betriebssystem ausliefern. Das wäre für Betriebssystementhusiasten und Linux-Fans attraktiv. Da diese aber nicht besonders zahlreich sind, muss eine Lösung für die Allgemeinheit her. Diese könnte in Form einer Art Bootloader kommen, also eines USB-Sticks, von dem aus die Installation Windows gestartet wird. Vergleichbar ist das mit der Installationsdiskette aus den 1990er-Jahren.

Juristisch müsste aber abgeklärt werden, wie um die aktuelle Regelung herumgewerkelt werden kann.

Dossier Handelskrieg China/USA

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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