Hintergrund

«Hollow Knight: Silksong», ich liebe und hasse dich

Kevin Hofer
4.10.2025
Bilder: Kevin Hofer

«Hollow Knight: Silksong» ist ein ständiger Kampf zwischen purer Faszination und dem unbändigen Wunsch, den Controller zu zertrümmern – und genau deshalb brillant.

Er liegt am Boden. «Der letzte Richter», der gnadenlose Boss der gesprengten Stufen, hat nach 16 quälend langen Versuchen endlich sein Urteil über sich selbst gefällt.

Die letzten anderthalb Stunden waren eine Meisterklasse darin, wie man nicht gegen einen Boss kämpft. Versuch eins bis acht: Zu gierig, immer einen Schlag zu viel riskiert. Versuch neun bis zwölf: Gedanklich bereits beim Abendessen, während meine Finger Hornets Grab schaufeln. Versuch 13: Kurz abgelenkt von einer Whatsapp – zack, tot. Versuche 14 und 15: Eine Mischung aus beidem, garniert mit kreativen Flüchen, die meine Kinder nicht hören sollten. Aber Versuch 16? Pure, konzentrierte Perfektion. Oder einfach nur Glück. Egal – ich habe gewonnen, und das ist alles, was zählt.

Nicht nur am letzten Richter beisse ich mir die Zähne aus.
Nicht nur am letzten Richter beisse ich mir die Zähne aus.

«Hollow Knight: Silksong» ist brutal hart, ich bin brutal schlecht und trotzdem liebe ich es – meistens zumindest. Obwohl ich die letzten Wochen beinahe täglich in das fantastische Pharloom eingetaucht bin, habe ich das Spiel immer noch nicht durch. Zwischendurch brauche ich einfach eine Pause, damit ich nicht dem Wahnsinn verfalle.

Dennoch: Team Cherry hat es wieder getan. Sie haben ein Meisterwerk geschaffen. Ein wunderschönes, forderndes Meisterwerk, das ich am liebsten gegen die Wand schmettern würde.

Die erwartete Perfektion – und mehr

Vom ersten Moment an fühlt sich «Silksong» vertraut und doch erfrischend neu an. Die Steuerung von Hornet ist eine Offenbarung. Wo der Ritter aus «Hollow Knight» stoisch und methodisch war, ist Hornet ein Wirbelwind. Sie ist schneller, akrobatischer, ihr Tanz mit Nadel und Faden eine Augenweide. Durch die Lüfte zu zischen, von Wänden abzuspringen und Gegner mit einer flinken Präzision zu attackieren, die den Vorgänger fast schon behäbig wirken lässt – das ist pures Gameplay-Gold.

«Silksong» ist vertikaler als sein Vorgänger.
«Silksong» ist vertikaler als sein Vorgänger.

Und dann ist da Pharloom. Diese neue Welt ist kein Abklatsch von Hallownest. Sie ist lauter, bunter, lebendiger – und einfach nur schön. Von moosbewachsenen Wäldern bis zu golden glänzenden Städten strotzt jeder Bildschirm nur so vor Details und Atmosphäre.

Die Welt ist nicht nur grösser, sondern auch vertikaler. Das, kombiniert mit Hornets agilen Fähigkeiten, schafft ein völlig neues Gefühl der Erkundung. Das neue Ausrüstungssystem für aktive und passive Fähigkeiten fügt zudem eine strategische Ebene hinzu, die ich nicht mehr missen möchte. Es ist alles da, was ich an «Hollow Knight» geliebt habe – auf Steroiden.

Das Spiel bietet einfach geniale Schauplätze.
Das Spiel bietet einfach geniale Schauplätze.

Die wunderschöne Optik und das geniale Gameplay werden vom super Soundtrack, für den sich erneut Christopher Larkin verantwortlich zeichnet, und dem phänomenalen Sounddesign gekittet. Pharloom lebt nicht nur visuell, sondern auch akustisch. Jedes Rascheln oder Zischen ist mit der Umgebung verwoben und gibt mir Aufschluss darüber, was mich erwarten könnte.

Der Haken: Pharloom verzeiht nichts

Ich liebe Herausforderungen. In «Hollow Knight» habe ich die Prüfungen im Kolosseum der Narren gemeistert, den Weissen Palast bezwungen und das Absolute Licht besiegt. Meiner Meinung nach war ich bereit für «Silksong». Ich habe mich geirrt.

«Silksong» nimmt die Samthandschuhe gar nicht erst aus der Kiste. Die Gegner sind aggressiver, ihre Angriffsmuster komplexer und die Bosse... sehen zwar geil aus, sind aber brutal schwer. Klar, einige der ersten strecke ich beim ersten Versuch nieder, aber andere treiben mich an den Rand der Verzweiflung. Obwohl jeder meiner Tode fair ist: ein falsches Ausweichen, ein Angriff zu viel. Es ist meine Schuld. Das Spiel flüstert mir ständig ins Ohr: «Werd besser.»

Viel zu oft wache ich nach meinem Ableben wieder auf der Bank auf.
Viel zu oft wache ich nach meinem Ableben wieder auf der Bank auf.

Diese brutale Schwierigkeit ist der zentrale Kritikpunkt – der durch die langen Walkbacks zu den Bossen noch grösser wird. Die schnellere Gangart ist Segen und Fluch zugleich. Einerseits fühlt sich der Spielfluss fantastisch an, andererseits lässt er kaum Raum für Fehler. Wo ich in «Hollow Knight» oft noch einen Moment zum Heilen fand, muss ich in «Silksong» meine Gelegenheiten im Millisekundentakt erkämpfen. Für Veteranen ist das vielleicht der ultimative Kick. Für mich ist es eine Gratwanderung zwischen Euphorie und dem Wunsch, meinen Controller in seine Einzelteile zu zerlegen.

Eine Hassliebe, wie sie im Buche steht

Ich sitze in einer Schleife aus Bewunderung und Frustration gefangen. Schalte ich die Konsole aus, schwöre ich mir, dieses sadistische Spiel nie wieder anzufassen. Zehn Minuten später sitze ich wieder davor. Weil ich weiss, dass ich es schaffen kann. Weil dieser eine Moment, wenn der Boss nach dem fünfzigsten Versuch endlich fällt, einfach unbezahlbar ist.

«Silksong» ist kein Spiel für alle. Es braucht eine masochistische Ader und verlangt alles von mir: Geduld, Präzision und eine hohe Frustrationstoleranz. Es ist ein Spiel, das mich an meine Grenzen bringt und mich dafür mit einer der faszinierendsten Spielwelten und einem der besten Gameplays belohnt, die es gibt.

«Silksong» ich liebe und hasse dich – und deshalb bist du so verdammt gut.

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