Hört auf, Sprachnachrichten zu senden
31.5.2023
Sprachnachrichten sind das unnötige Übel unserer modernen Gesellschaft: Sie stehlen uns Zeit und Nerven. Dabei braucht’s die rücksichtslose Form der Kommunikation überhaupt nicht, es gibt genügend Alternativen.
Schnell auf den Mikrofon-Button gedrückt und los geht’s: Ein minutenlanger Monolog wird aufgenommen, angereichert mit «ähms», «was wollte ich noch sagen», «hmmm», «ou, hoppla Schorsch, jetzt ist mir auch noch ein Stift runtergefallen» – alles, was niemand hören will. Dann wird nonchalant auf Senden gedrückt. Und das Gegenüber ist gezwungen, das Ganze anzuhören und sich dann noch aus dem Geschwätz das Wichtige zu merken.
Das nervt nicht nur, es spaltet unsere Gesellschaft in zwei Gruppen: in die Sprachnachrichten-Sendenden und in deren Opfer – also in diejenigen, die ihr Gequassel in der Weltgeschichte herumschicken und in jene, die sich das anhören müssen. Ich gehöre zur zweiten Gruppe, und ich sag’s, wie’s ist: Es reicht!
Ihr raubt uns die Zeit
Menschen, die Sprachnachrichten verschicken, stehlen jenen, die Sprachnachrichten empfangen, ihre Zeit. Oder anders gesagt: Die Zeit, die sie sich sparen, wälzen sie einfach auf ihre Gegenüber ab, die sich die Nachricht anhören müssen. Das ist nicht nur asozial, sondern eine Frechheit.
Den Bogen eindeutig überspannt hat vor kurzem eine meiner besten Freundinnen. Sie sendete mir 13 Minuten Gerede. 13 Minuten! Auch in doppelter Geschwindigkeit brauchte ich elendig lange, um mir das anzuhören. Und dann konnte ich ihr nicht antworten, weil ich sowieso schon wieder die Hälfte vergessen hatte.
Eine Sprachnachricht könnte einfach ein Anruf sein. Oder eine lange Textnachricht, von mir aus.
Nur in wenigen Fällen sind Sprachnachrichten in Ordnung: in absoluten Ausnahmefällen. Dann, wenn du unterwegs bist und schnell etwas mitteilen musst. Aber: Leute, die ständig Sprachnachrichten schicken, können gar nicht so viel unterwegs sein, wie sie ihr Geplapper herum senden! Ihr Verhalten macht sie damit zu skrupellosen Wiederholungstätern und -Täterinnen. Sie machen einfach immer weiter mit dieser rücksichtslosen Art der Kommunikation. Wenn ich interveniere und zurückschreibe, dass ich keine Sprachnachrichten möchte, wird darauf auch noch mit einer Sprachnachricht geantwortet.
Und ich weiss nie, wann ich wieder Sprachnachrichten-Opfer werde und muss allzeit bereit sein. Habe ich Kopfhörer dabei, kann ich mir die Nachrichten wenigstens im Zug anhören – ohne Kopfhörer, mit dem Handy am Ohr, passiert’s mir immer wieder, dass die Nachricht plötzlich auf Lautsprecher ist und der halbe Zug die privaten Details meiner Freundinnen zu hören bekommt. Das will niemand.
Ein Ende ist nicht in Sicht
Dass die Sprachnachrichten-Seuche immer schlimmer wird, zeigt auch, dass sie sogar im beruflichen Bereich Einzug nimmt. Ich schickte kürzlich einer Person einen Artikel zum Gegenlesen, diese antwortete mir per Sprachnachricht. Und gab mir so ihre Feedback-Punkte durch.
Ich war zu perplex, um zu protestieren. Mir blieb nur noch der Griff zum Block, um Notizen zu machen. Ich schrieb also auf, was von Anfang an ein Text hätte sein sollen. Der Zeitaufwand für mich: zehn Minuten. Für eine zweiminütige Nachricht. Also fünf Mal so lange. Das ist so respektlos wie unnötig.
Ein Ende des Ganzen ist auch nicht in Sicht: Sogar in Microsoft Teams können neuerdings Sprachnachrichten versendet werden.
Wer es nicht lassen kann: Nutz die Diktierfunktion!
Liebe Sprachnachrichten-Versender und -Versenderinnen, lasst euch gesagt sein: Ihr seid keine Podcaster oder Podcasterinnen. Sonst hättet ihr nämlich einen. Hört auf damit, euer Gefasel herumzusenden. Wir, also die, die keine Sprachnachrichten versenden, wollen auch keine erhalten.
Und für jene, die es nicht lassen können und zu gestresst sind, um zu tippen: Nutzt die Diktierfunktion. Es gibt zwar noch keine in WhatsApp selbst, aber mit einem kleinen Umweg geht’s trotzdem: Mit Google oder Siri kannst du Sprache in Text umwandeln lassen. Einfach in der Tastatur das Mikrofon-Symbol für die «Spracheingabe» wählen, fertig.
Und ja, dann müsst ihr Schriftdeutsch sprechen, weil in Schweizerdeutsch je nach Dialekt nur die Hälfte korrekt umgewandelt wird – aber das ist noch immer deutlich weniger aufwändig als eine ganze Nachricht abzuhören, das Wichtige herauszufiltern und herauszuschreiben.
Meine Lösung für die rüpelhaften Sprachnachrichten in der Zwischenzeit: Ich höre mir sie per sofort einfach nicht mehr an.
Titelfoto: Livia GamperExperimentieren und Neues entdecken gehört zu meinen Leidenschaften. Manchmal läuft dabei etwas nicht wie es soll und im schlimmsten Fall geht etwas kaputt. Ansonsten bin ich seriensüchtig und kann deshalb nicht mehr auf Netflix verzichten. Im Sommer findet man mich aber draussen an der Sonne – am See oder an einem Musikfestival.
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