Debora Pape, «Guild Wars Reforged»
Hintergrund

«Guild Wars» feiert seinen 20. Geburtstag und ich fühle mich alt

Debora Pape
5.12.2025
Bilder: Debora Pape

Das MMORPG «Guild Wars» feiert seinen 20. Geburtstag und der Entwickler spendiert dem Game dafür nach vielen Jahren ein Update. Ich will es mir anschauen und stoße auf ein Hindernis – das mich in Erinnerungen schwelgen lässt.

Der Ladebalken im Update-Screen von «Guild Wars Reforged» steht bei 20 Prozent und füllt sich im Schneckentempo von 28 Kilobit pro Sekunde. 42 Megabyte sind schon geschafft, 160 fehlen noch. Jop, das kann dauern. Ich warte darauf, mit meiner gerade erstellten Mesmerin ein neues Abenteuer in «Guild Wars» zu beginnen. Solche Ladezeiten gehören zu einem MMORPG aus dem Jahr 2005 einfach dazu. Warum mich das Spiel auch heute noch mit derartigen Wartezeiten bestraft, weiß ich allerdings nicht.

«Guild Wars» feiert aktuell seinen 20. Geburtstag. Das erschreckt mich, mir wird bewusst, wie alt ich bin. Für das Entwicklerstudio Arenanet ist das Jubiläum Anlass, das lange brachliegende Game «mit Systemverbesserungen zu revitalisieren» (es ist kein Remaster, sagen die FAQ) und es jetzt «Guild Wars Reforged» zu nennen.

Zurück zum Ladescreen. Eigentlich wollte ich nur mal ins Spiel reinschauen und dann einen kleinen Geburtstagsbeitrag schreiben. Aber jetzt bin ich zum Warten verdammt und lasse gezwungenermaßen meine Gedanken schweifen.

Ich krame auf der Festplatte und in Erinnerungen

«Guild Wars». Lange ist es her. Die Ladescreen-Musikschleife und die Visuals lassen viele Erinnerungen an mein 20 Jahre jüngeres Ich aufleben. An das Ich, das sich 2005 kein Monatsabo für das brandneue «World of Warcraft» leisten konnte, auf das alle heiß waren.

In den beiden umfangreichen Begleitheften lohnt es sich zu blättern.
In den beiden umfangreichen Begleitheften lohnt es sich zu blättern.

«Guild Wars» erforderte kein Abo und die Spielemagazine lobten das Fantasy-Game in den Himmel. Also kratzte ich die 45 Euro zusammen und hielt kurz darauf die dicke «Guild Wars»-Schachtel in der Hand. Sie ist so dick, weil ihr zwei umfangreiche Handbücher beiliegen, die detailliert die Spielwelt, die Charakterklassen und deren Fähigkeiten beschreiben. Voller Vorfreude studierte ich die Lektüre, während ich – wie heute – gefühlte Stunden warte, bis das Spiel installiert war.

  • Meinung

    Press F to pay respect: Ein Nachruf auf die vergessene Kunst der Spielanleitungen

    von Rainer Etzweiler

Der Ladebalken steht jetzt bei 65 Prozent. Noch immer ist genug Zeit, durch 20 Jahre alte Screenshots zu blättern, die mehrere Festplattenumzüge überlebt haben. Ich sehe meine taufrische Stufe-3-Waldläuferin im Startgebiet neben einer hübschen Wassermühle posieren.

Ein Screenshot aus dem Jahr 2005: Ich mache mit einer Waldläuferin meine ersten Schritte in «Guild Wars».
Ein Screenshot aus dem Jahr 2005: Ich mache mit einer Waldläuferin meine ersten Schritte in «Guild Wars».

Auf einmal erinnere ich mich an Dinge, die ich jahrelang nicht mehr im Kopf hatte: Gespräche im Ingame-Chat, Gedanken und sogar Gerüche aus dieser Zeit. Was so ein Soundtrack im Ladescreen und ein paar Screenshots doch ausmachen!

Flucht in das virtuelle Land Tyria

Es war für mich ein schwieriges Jahr. Eine Trennung, ein Umzug, beruflicher Stillstand. Ich verkroch mich in Games, noch mehr als sowieso schon immer. Und «Guild Wars» wurde das Spiel, in dem ich alles andere vergessen konnte.

Die 2000er Jahre waren die Zeit, in der Spiele auch grafisch richtig schön wurden. Von Fotorealismus zu sprechen wäre übertrieben, aber Partikel- und Lichteffekte machten aus einer funktionalen, dreidimensionalen Umgebung eine hübsche Spielwelt.

Lichtstrahlen zwischen den Bäumen haben mich damals sehr beeindruckt.
Lichtstrahlen zwischen den Bäumen haben mich damals sehr beeindruckt.

Das herbstlich gestaltete Startgebiet von «Guild Wars», in dem alle neuen Charaktere ihr virtuelles Leben beginnen, bot die schönste Grafik, die ich bis dahin je gesehen hatte. In der Gegend um die Stadt Ascalon wage ich meine ersten Schritte im Game, absolviere die ersten Quests und erhalte meine ersten Fähigkeiten. Und oh boy, ist das ein schönes Startgebiet! Ein idyllisches Ideal, ein nicht endender Herbsttag auf dem Land (mit ein paar anfängerfreundlichen Monstern, aber die gehören eben dazu).

Schade nur, dass die Szenerie schon nach kurzer Zeit im Spiel durch die fortschreitende Hintergrundgeschichte unwiederbringlich zerstört und in eine karge Mondlandschaft verwandelt wird. Erst danach nimmt das Spiel richtig Fahrt auf. Aber weil ich die friedliche Landschaft vor der Katastrophe so liebte, erstellte ich mir auch später weitere Charaktere, mit denen ich immer wieder durch die unschuldige Idylle wanderte.

Neuer Charakter, gleiches Startgebiet: Auch meine geliebte Mesmerin feiert ihren 20. Geburtstag.
Neuer Charakter, gleiches Startgebiet: Auch meine geliebte Mesmerin feiert ihren 20. Geburtstag.

Natürlich ist auch die riesige restliche Spielwelt größtenteils schön. Mir fällt wieder das verschneite Gebirge mit den heißen natürlichen Quellen ein. Und wie ich mir früher vorstellte, selbst durch das Schneegestöber zu laufen, mich ins warme Wasser zu legen und dem Wind zuzuhören, der über die Landschaft strich. «Guild Wars» war für mich wie eine Urlaubsreise.

Ich betrete das schneebedeckte Gebirge. Hier herrscht eine ruhige Stimmung, Schnee fällt, Wind rauscht – ich liebe es.
Ich betrete das schneebedeckte Gebirge. Hier herrscht eine ruhige Stimmung, Schnee fällt, Wind rauscht – ich liebe es.

Mit den drei folgenden DLCs kamen weitere Regionen hinzu. Im Spiel liegt mir die Welt zu Füßen: Berge, Wüsten, Dschungel, das Meer mit türkisem Wasser und weißen Stränden, dunkle Wälder mit kathedralenartigen Bauwerken, ein weiteres Meer mit erstarrten Wellen aus Jade, eine Stadt wie aus 1001 Nacht – und ich als Waldläuferin, Mesmerin, Assassinin (und viel mehr) mitten drin.

Kathedralen aus Bäumen in der «Factions»-Erweiterung – die fand ich beeindruckend.
Kathedralen aus Bäumen in der «Factions»-Erweiterung – die fand ich beeindruckend.

Als es im richtigen Leben nicht gut lief, half mir «Guild Wars» dabei, mit meinem Spielcharakter Abenteuer zu erleben und die Welt zu entdecken. Es war zwar eine virtuelle Welt, aber für mich machte das keinen Unterschied.

Ein Phoenix aus der Asche?

Während «World of Warcraft» bis heute regelmäßig mit neuem Content versorgt wird, liegt «Guild Wars» seit 2012, als der Nachfolger «Guild Wars 2» erschien, weitgehend brach. Auch ich habe mich vielen anderen Games zugewandt und «Guild Wars» fast vergessen.

Ich erkunde mit meiner Mesmerin die Wüste. Auf ihr hübsches Kleidchen habe ich lange hingearbeitet und war besonders stolz darüber.
Ich erkunde mit meiner Mesmerin die Wüste. Auf ihr hübsches Kleidchen habe ich lange hingearbeitet und war besonders stolz darüber.

Anstatt die Server abzuschalten und das Game endgültig sterben zu lassen, will es der Entwickler mit «Reforged» jetzt wiederbeleben. Warum auch nicht: Es gibt jede Menge Content, oder in Worten von Arenanet: «eine verzauberte Welt grenzenloser Abenteuer, ein tiefgründiges und flexibles fertigkeitenbasiertes Kampfsystem, PvE- und PvP-Herausforderungen aller Art und vieles mehr». Der Entwickler plant sogar, neue Inhalte zu veröffentlichen.

Jetzt ist der Ladebalken voll. Meine neu erstellte Mesmerin spawnt in Ascalon, der Hauptstadt des Startgebiets. Nach all den Jahren bin ich zurück. Die Landschaft ist für heutige Verhältnisse ein wenig karg, die Texturen matschig, aber dank Anti Aliasing gibt es zumindest keine Treppeneffekte an Modellrändern. Das «Reforged»-Update macht «Guild Wars» nicht zu einem topmodernen Spiel. Man merkt ihm sein Alter an. Aber spielbar ist es definitiv.

Zwei Dekaden später in «Guild Wars Reforged»: Ich bin mit einer neuen Mesmerin zurück im Startgebiet.
Zwei Dekaden später in «Guild Wars Reforged»: Ich bin mit einer neuen Mesmerin zurück im Startgebiet.

Und was mich am meisten freut: In Ascalon herrscht Leben! Da rennen andere Leute herum und stellen im Chat 20 Jahre alte Fragen. Etwa danach, wie man an einen Gildenumhang kommt und ob jemand Lust hat, gemeinsam einen Boss umzulegen. Ein altes Spiel wieder zu öffnen und dort andere Spieler zu finden, fühlt sich an wie eine Reise mit einer Zeitmaschine. Das ist richtig schön.

Titelbild: Debora Pape, «Guild Wars Reforged»

6 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.


Gaming
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Der Walliser Game-Entwickler, dessen Demo so erfolgreich ist, dass Valve sich bei ihm meldet

    von Philipp Rüegg

  • Hintergrund

    Angespielt: «Dragon Quest VII Reimagined» sieht phänomenal aus

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    «Tales of Xillia Remastered»: mein unvergesslicher Einstieg in die «Tales»-Reihe

    von Kevin Hofer

3 Kommentare

Avatar
later