Hintergrund

Fünf Monate auf Reisen mit einem Billig-Objektiv – die Bilanz

David Lee
8.4.2025
Bilder: David Lee

Das günstige Canon RF 24-105mm F4.0-7.1 habe ich als Verlegenheitslösung auf eine lange Reise mitgenommen. Dort mauserte es sich überraschend zu meinem Nummer-Eins-Objektiv. Seine Mängel stören in der Landschaftsfotografie kaum.

Für meine mehrmonatige Reise durch Neuseeland hätte ich wohl das teurere Objektiv ausgewählt. Aber da ich das billige schon hatte, nahm ich es mit. Ich erwartete nicht, dass ich es allzu oft brauchen würde.

Ich lag falsch.

Das Objektiv der Wahl für drei Viertel aller Fotos

Für den Fall, dass ich eine grosse Blende benötige, nahm ich noch das 50mm F1.8 mit. Damit schoss ich gerade Mal fünf Fotos, vier davon Katzenporträts.

Doch warum habe ich die Billiglinse so oft verwendet? Der erste Grund ist banal: Die Brennweite 24 bis 105 Millimeter ist von meinen Objektiven am vielseitigsten. Einen Weitwinkel von weniger als 24 Millimeter brauche ich bei Landschaftsaufnahmen eher selten. Selbst wenn die Szenerie sich dafür eignet, erfordert extremer Weitwinkel eine sorgfältige Ausrichtung und Bildkomposition. Für spontanes Herumknipsen ist der mittlere Brennweitenbereich viel besser geeignet.

Ich war zu faul für ständige Objektivwechsel

Der zweite Grund hängt mit dem ersten zusammen: Ich hätte das 14-35mm für einzelne Fotos an die Kamera schrauben müssen. Die Objektivwechsel waren unterwegs mühsamer, als ich das im Voraus wahrhaben wollte. Ich war oft draussen in der Natur am Wandern, das Objektiv befand sich im Rucksack. Ein Objektivwechsel bedeutete:

Ein ziemliches Prozedere. Ich tat es nur, wenn es einen sehr guten Grund dafür gab. Ansonsten liess ich das vielseitigste Objektiv drauf, und das war eben das 24-105mm.

Das ging so weit, dass ich manchmal sogar für kleine Vögel das 24-105mm benutzte, statt auf das 100-400mm zu wechseln. Dabei kam mir der Umstand entgegen, dass die Vögel auf Neuseeland weniger scheu sind als in Europa.

Die Schwächen des Objektivs stören mich kaum

Der dritte Grund ist der erstaunlichste: Ich merkte schnell, dass ich mit der Bildqualität zufrieden war. Von den 2136 Bildern gibt es nur ganz wenige, von denen ich denke: Hätte ich doch ein hochwertiges L-Objektiv benutzt, dann wäre dieses Bild besser geworden!

Für diesen Artikel habe ich natürlich noch einmal ganz genau hingeschaut – und ja, ich gebe zu, dass die Aufnahmen noch einen Ticken schärfer sein könnten. Das obsessive Hereinzoomen in Fotos, um allfällige Mängel zu entdecken, auch «Pixel Peeping» genannt, nimmt allerdings schnell Formen einer sinnlosen Zwangsneurose an – vor allem, wenn du deine Fotos am Ende nur auf dem Smartphone zeigst.

Noch theoretischer sind weitere Schwächen wie Vignettierung oder Verzeichnung. Das wird alles automatisch korrigiert – schon im Sucher der Kamera, später auch in Adobe Lightroom. Auch im RAW-Format. Schalte ich diese Korrekturen in Lightroom manuell aus, sehe ich schon einen Unterschied. Aber warum sollte ich das tun?

Aber … die Lichtstärke!

Fazit: Der Preis ist nicht entscheidend

Ob ein Objektiv für dich brauchbar ist, hängt nicht von seinem Preis ab. Sondern davon, ob es auf deinen Verwendungszweck zugeschnitten ist. In meinem Fall waren zum Beispiel die Lichtstärke und die Randschärfe nicht wichtig. Dies sind jedoch zwei Dinge, die den Preis eines Objektivs stark nach oben treiben.

Darum mein Tipp: Versteif dich nicht auf Pixel Peeping, sondern finde heraus, welche Punkte dir bei einem Objektiv wirklich wichtig sind – und welche nicht. Um deine Anforderungen genau zu kennen, musst du vor allem viel fotografieren. Und nie vergessen: Sind die Ergebnisse völlig unbefriedigend, liegt es höchst selten an der Ausrüstung.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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