Jan Johannsen
Hintergrund

«Framework ist mein Ziel»: der Traum vom modularen Thinkpad

Jan Johannsen
3.12.2024

Sein Traum ist ein modulares Thinkpad, aber als Nächstes soll erst einmal der USB-C-Anschluss austauschbar werden. Christoph Blindenbacher von Lenovo im Interview.

Herr Blindenbacher, wann ist die Reparierbarkeit von Notebooks bei Lenovo in den Fokus gerückt?

Vor etwa fünf Jahren wollten wir wissen, warum unsere kommerziellen Notebooks bereits nach drei bis vier Jahren ausgetauscht werden. Unserem Anspruch nach sollten die Thinkpads länger nutzbar sein. Dabei kam heraus, dass die Arbeitgeber denken, dass die Laptops nicht mehr genug Wertigkeit für die Mitarbeitenden hätten.

Geht es dabei um Hardware-Upgrades oder die Reparatur defekter Komponenten?

Die Nachrüstbarkeit war unter den Top-3-Prioritäten. Davor landete die Austauschbarkeit von Tastatur und Akku. Das wichtigste Kriterium, warum neue Geräte gekauft wurden, war die Wertigkeit, beziehungsweise die Abnutzungserscheinungen der Tastatur. Das gilt aber nur für das Enterprise-Umfeld, also bei Firmenkunden und den Thinkpads. Bei unseren Consumer-Notebooks Ideapad oder Yoga sieht das sicherlich anders aus.

Covid verursachte einen zusätzlichen Push im Bereich Nachrüstbarkeit. Mit der Verlagerung ins Homeoffice wurden einige Anwendungen wichtiger, die mehr Rechenpower verlangen. Microsoft Teams und ähnliche Programme benötigen aber vor allem Arbeitsspeicher und nicht unbedingt mehr CPU-Leistung. Deswegen haben wir vor allem die RAM-Riegel leichter austauschbar gemacht.

Welche Komponente wollen Sie als nächstes austauschbar machen?

Und wie schnell hat sich das Reparieren anstelle des Verkaufs neuer Geräte bei einem Computerhersteller durchgesetzt?

Von Smartphone-Herstellern habe ich gehört, dass minderwertige Ersatzakkus mit ein Grund dafür waren, Batterien fest zu verbauen. Wie will Lenovo verhindern, dass es bei den deutlich größeren Notebook-Akkus zu ähnlichen Problemen kommt?

Da Sie gerade Regulierungen erwähnen: Sind solche Vorgaben, zum Beispiel jene der EU in Bezug auf die Reparierbarkeit, lästige Pflichten oder helfen sie dabei, bestimmte Ideen innerhalb der Firma durchsetzen zu können?

Das hilft mir in dem Sinne schon. Solche Vorgaben gelten dann ja auch für alle. In meinem Produktbereich ist es aber durchaus auch etwas leichter, da Firmenkunden andere Ansprüche haben. Meinen Kollegen aus dem Consumerbereich würde es zum Beispiel deutlich schwerer fallen, ein Notebook drei Millimeter dicker zu machen, damit die Tastatur austauschbar ist. Die Hardware-Abteilungen von Firmen freuen sich dagegen sehr darüber.

Wichtig ist, bei solchen Anforderungen auf dem Laufenden zu bleiben und zu wissen, was einen in der Zukunft erwartet. Hier sind wir sehr froh, iFixit als kompetenten Partner an unserer Seite zu haben. Als nächster großer Schritt kommt die Vorgabe der EU, dass Batterien in allen Geräten austauschbar sein müssen. Das gilt ab dem 1. Januar 2027 nicht nur für Notebooks, sondern zum Beispiel auch für Smartphones. Da wird sich einiges ändern.

Ist iFixit auf sie zugekommen oder hat sich Lenovo an die Reparaturexperten gewendet?

Wir sind auf iFixit zugegangen. Sie hatten bereits eine große Expertise zu den verschiedenen Gesetzen, die je nach Land sehr unterschiedlich ausfallen. Frankreich ist zum Beispiel noch einmal strenger als die EU insgesamt. Und in den USA führen immer mehr Staaten ein «Right to Repair» ein. Da wollten wir Experten haben, die sich nur um dieses Thema kümmern.

Wie zufrieden ist Lenovo bisher mit der Kooperation?

Wir haben ja nicht nur die generelle Beratung von iFixit in Anspruch genommen, sondern sie von Anfang an direkt an der Entwicklung zweier Notebooks der T- und der L-Serie beteiligt. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden und haben gerade die Rahmenbedingungen für eine weitere langjährige Zusammenarbeit mit ihnen besprochen. Ich denke, diese Partnerschaft war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten.

iFixit hat ja die Ersatzteile vorrätig und entwirft Reparaturanleitungen.

Ja, sie haben uns eben auch dort geholfen. Außerdem bewerten sie die Reparierbarkeit nach transparenten Kriterien. Das schafft für Kunden eine gute Vergleichbarkeit. Sie haben dort Standards gesetzt und bleiben trotz der Zusammenarbeit mit uns unabhängig.

Theoretisch könnten auch andere Hersteller hingehen und sich einen iFixit-Score für ihre Notebooks holen.

Ja, Microsoft hat es uns ein bisschen nachgemacht. Wir wissen auch, dass andere Hersteller angeklopft haben. Was uns sehr freut, weil es doch zeigt, dass wir da einen gewissen neuen Maßstab gesetzt haben. Und von Kunden erhalten wir extrem gutes Feedback.

Können Sie zusammenfassen, was einfache Mittel sind, um die Reparatur eines Notebooks generell zu erleichtern?

Also zunächst ist es ganz wichtig, nichts Proprietäres zu verwenden. Wenn Sie sich das Thinkpad T14 anschauen, da verwenden wir normale Philips-Schrauben (Kreuzschlitz, Anm. d. Red.). Zudem so wenig Schrauben wie möglich, stattdessen andere Befestigungen, die ohne Klebstoff auskommen. Für unser Thinkpad haben wir aber noch zusätzliche Anforderungen an die Robustheit. Dort sind Schrauben derzeit am besten.

Eindeutige Markierungen sorgen dafür, dass die Leute erkennen, welche Komponenten sie austauschen können. Und dann muss der Repair Guide sehr einfach gehalten sein. Am besten eine Anleitung mit vielen Bildern oder als Video, um verschiedene Bedürfnisse zu erfüllen.

Was können wir in Sachen Reparierbarkeit in Zukunft noch erwarten?

Damit der Nutzer bei der Reparatur nichts beschädigt, könnten wir etwa die Platine besser vor Berührungen schützen und einfachere Steckverbindungen einführen. Das könnte auch die Angst reduzieren bei Reparatur die Garantie zu verlieren.

Gilt das für alle Notebooks von Lenovo?

Ich kann da nur für meine Sparte sprechen. Die Pläne der Consumer-Kollegen kenne ich nicht im Detail. Wir sind noch dabei herauszufinden, wie weit die Kunden zu Kompromissen bereit sind. Die T- oder L-Serie verkaufen wir an andere Personen als das Thinkpad X1. Bei diesem spielen das Design und die sehr flache Bauweise eine viel wichtigere Rolle.

Die Batterien werden durch die EU-Richtlinie ab Januar 2027 in allen Geräten austauschbar sein müssen. Aber ob wir zum Beispiel die Tastatur bei noch mehr Notebooks leicht auswechselbar machen, hängt auch von der Nachfrage der Kunden ab.

Ich fand den Framework-Laptop ja sehr spannend. Dieser hat ein modulares Konzept und hält sich bereits seit ein paar Jahren auf dem Markt. Er hat zum Beispiel vier Steckplätze, an denen man die Anschlüsse nach Bedarf einfach wechseln kann.

Ja, das Framework ist ein sehr interessantes Konzept, bei dem man sich aber immer die Frage stellen muss, wo man Kompromisse abzüglich der Qualität eingeht. Aber das Gerät haben wir uns natürlich im Detail angeschaut, da es schon einen kleinen Trend gesetzt hat.

Daraus haben sich für uns sehr viele Fragen ergeben. Ich liebe die modularen Ports, aber dafür müssten wir unsere Geräte tiefer bauen. Das ist eine Entscheidung, die man nicht so schnell trifft. Das Framework-Design birgt auch Risiken hinsichtlich der Langlebigkeit der Geräte.

Wenn sie mich fragen, ist Framework mein Ziel. Wie kriegen wir ein Framework mit den Thinkpad-Merkmalen bezüglich der Qualität hin?

Technologisch sind wir noch nicht dort, wo wir sein wollen. Und dann ist da noch das Bewusstsein der Privatkunden. Für viele ist Nachhaltigkeit noch kein relevantes Kriterium. Ich denke aber, dass wir dieses Bewusstsein durch die Einhaltung von entsprechenden regulativen Vorgaben nach und nach fördern werden.

Titelbild: Jan Johannsen

35 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Digitec und Galaxus. 


Notebooks
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Von der Idee zum PC-Gehäuse-Designerstück: ein Blick hinter die Kulissen bei Be Quiet

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    «Powerwash Simulator» und Co: Warum wir in Games gerne langweilige Arbeiten ausführen

    von Rainer Etzweiler

  • Hintergrund

    Ein Handwerker im sowjetischen Geheimlabor: Vorschau zu «The Lift»

    von Philipp Rüegg