
Hintergrund
«Populous», «Black & White» und danach? Die Evolution der Göttersimulation
von Kim Muntinga
«Fata Deum» will die Faszination der alten Götterspiele zurückholen. Zwischen Dorfaufbau, Glaubenssystem und göttlichen Rivalitäten entfaltet sich ein Spiel, das klassische Mechaniken mit moralischen Entscheidungen verbindet – noch nicht perfekt, aber mit erkennbarem Potenzial.
Ich bin Gott. Keine Gestalt aus Fleisch und Blut, kein Gesicht, keine Stimme, die Sterbliche hören könnten. Und doch spüren sie mich. Ich blicke hinab auf die vielen Dörfer, die sich wie kleine Punkte in der Landschaft ausbreiten. Winzige Menschen wuseln geschäftig zwischen Feldern, Tempeln und Hütten. Manche beten, andere schuften, als gäbe es kein Morgen.
Manchmal schenke ich ihnen meine Gunst, manchmal strafe ich ihren Unglauben. Unsichtbar hinterlasse ich Spuren, die ihre Welt verändern. Doch ich bin nicht allein. Andere Götter fordern dieselben Menschen für sich, locken mit Versprechen oder drohen mit Zorn. Jeder Tempel, jedes Dorf, jede Seele wird so zum Schlachtfeld im göttlichen Wettstreit.
Genau hier entfaltet «Fata Deum» seine Faszination: eine Göttersimulation, in der ich nicht nur Welten lenke, sondern zugleich beweisen muss, dass mein Glaube der stärkere ist.
Hinter dem Spiel, das sich noch im Early Access befindet, steht das kleine deutsche Studio 42 Bits Entertainment. Als Göttersimulation reiht es sich in die Tradition von Klassikern wie «Populous» und «Black & White» ein. Schon seit Jahren pendelt das Genre zwischen Nische und Kultstatus, wie ich in meinem Artikel über die Evolution der Götterspiele beschrieben habe. «Fata Deum» versucht nun, dieses alte Gefühl von Allmacht neu zu beleben und dem Genre frischen Atem einzuhauchen.
So groß diese Worte klingen – in der Praxis fühlt sich Gott spielen in «Fata Deum» erstaunlich bodenständig an. Meine Macht entfaltet sich nicht in allumfassenden Gesten, sondern in einem klaren Rhythmus, der meine Tage strukturiert.
Ein typischer Tag in «Fata Deum» beginnt unspektakulär: Ich beobachte meine Siedlungen, erkenne Gläubige und Zweifler. Ich kann eingreifen, segnen oder drohen, Menschen in bestimmte Richtungen lenken. Manchmal reicht schon ein kleiner Impuls – ein Funke Gunst, der eine Familie enger an mich bindet, oder ein strafender Hauch, der die Ungläubigen in Angst versetzt.
In der Nacht plane ich strategisch, beeinflusse die Träume meiner Anhänger und setze Weichen für die Zukunft. Hier bestimme ich, welche Bauprojekte beginnen, welche Strukturen sich festigen und welche Wünsche oder Ängste sich im Unterbewusstsein meiner Anhänger verankern.
Wenn der Tag anbricht, zeigt sich die Wirkung meiner Entscheidungen: Manche Dörfer gedeihen, andere geraten ins Stocken – je nachdem, ob ich Vertrauen gestärkt oder Zweifel gesät habe. Die Phasen von sichtbarem Eingreifen am Tag und strategischem Planen in der Nacht bilden einen dynamischen Kreislauf, in dem jede meiner Entscheidungen nachhaltige Spuren in der Welt hinterlassen kann.
Doch gerade hier hadere ich mit der Umsetzung. Vieles bleibt undurchsichtig. Selbst nach dem Tutorial habe ich manche Mechaniken nur halb verstanden. Wann inspiriere ich meine Einwohner am besten? Wann ist der richtige Moment für einen Ausbau? Fragen wie diese begleiten mich und führen direkt zum Fundament des Spiels: dem Bauen.
Wenn ich auf einer neuen Insel ankomme, sind die Menschen schon da. Sie bauen, pflügen, beten – ohne mich, aber nicht ohne Glauben an Mutter Natur. Ich trete nicht in eine Wüste, die ich füllen muss, sondern in Dörfer, die sich selbst am Leben halten. Meine Aufgabe ist es, sie an mich zu binden und ihre Entwicklung zu lenken.
Doch bauen darf ich erst, wenn die Hälfte der Menschen mir folgt. Solange ihr Glaube schwankt, bleiben meine Hände gebunden. Erst wenn genug Augen zum Himmel aufschauen, öffnen sich neue Möglichkeiten: Dann darf ich Tempel setzen, Tavernen planen oder neue Produktionsstätten errichten.
Alternativ kann ich auch irgendwann mit den notwendigen Fähigkeiten ganz neue Dörfer gründen, um meinen Einfluss weiter auszubreiten und neue Siedlungen von Grund auf zu gestalten.
Die Bauaufträge entstehen aus meiner Einflussnahme, doch die Siedlung organisiert sich selbstständig. Ich bestimme Standorte für Gebäude, verschiebe vielleicht eine Person mit meiner unsichtbaren Hand, und das Dorf reagiert: Strukturen und Prioritäten verschieben sich. Nicht, weil ich direkt befehle, sondern weil mein Wille wie eine unsichtbare Strömung wirkt.
Ein Kernelement von «Fata Deum» ist das Ressourcensystem, das den Aufbau und die Entwicklung der Siedlungen maßgeblich bestimmt. Zu den wichtigsten Ressourcen zählen Nahrung, Holz, Stein und Eisen, die für Infrastruktur, Werkzeuge und Gebäude benötigt werden. Daneben spielt Mana eine entscheidende Rolle als göttliche Energiequelle, die durch Gebete und Opfergaben der Anhänger generiert wird und für das Wirken von Wundern unabdingbar ist.
Das Ressourcenmanagement wirkt einerseits klassisch, erhält aber durch göttliche Eingriffe einen eigenen Dreh: Ich muss darauf achten, dass genug Baumaterialien vorhanden sind und die Nahrung zuverlässig produziert und verteilt wird. Mit meinen göttlichen Eingriffen kann ich außerdem den Fluss der Ressourcen verändern. Ich greife selbst ein und sammle Holz oder Nahrung und schenke sie über das Dorfzentrum meinem Volk.
Dieses Zusammenspiel aus Aufbau und spiritueller Einflussnahme schafft eine spannende Balance, bei der nicht nur Quantität, sondern auch die Moral und der Glaube der Bevölkerung die Spielwelt formen. Eine Mechanik, die mir schon bei «Black & White» gefiel.
In der Praxis zwingt mich das Ressourcenhandling ständig zu strategischen Entscheidungen: Fördere ich ein Dorf, während ein anderes stagniert? Diese Dynamik ist reizvoll, auch wenn das Management meist eher funktional bleibt und wenig Tiefe bietet. Zusammen mit den anderen Mechaniken vermittelt es dennoch jenes göttliche Gefühl von Macht und Verantwortung.
So kann ich beispielsweise Handel zwischen den Dörfern initiieren. Nahrung, Holz oder Stein lassen sich verschieben, wenn die eine Siedlung zu viel hat und die andere kurz vor dem Stillstand steht. In der Praxis ist das aber kaum nachvollziehbar. Mir fehlt jede klare Übersicht, wie Ressourcen tatsächlich fließen. Ich sehe zwar, was im Moment im Lager liegt, aber nicht, wie sich Bestände entwickeln oder welche Dörfer wirklich profitieren.
Nach dem Aufbau der materiellen Grundlagen – Häuser, Nahrung und Rohstoffe – beginnt in «Fata Deum» das eigentlich faszinierende Spiel: den Glauben der Menschen zu formen und zu lenken. Doch wie gewinnt man Anhänger, und wie verliert man sie? Das Spiel setzt hier auf ein dynamisches Stimmungs- und Glaubenssystem.
Wohlwollen entsteht durch regelmäßige Tempelbesuche. Es steigert die Opfergaben und füllt meinen Vorrat an Mana. Furcht dagegen kann zwar kurzfristig Unterwürfigkeit erzwingen, doch ein Übermaß erzeugt Unruhe. Dorfbewohner fliehen oder rebellieren, und mein Schrecken kann einem Dorf beinahe den Glauben rauben.
Leider sind die Auswirkungen dieser Mechaniken auf die Dörfer kaum einsehbar – und deshalb schwer nachvollziehbar.
Neben dem Aufbau und der spirituellen Einflussnahme prägen Kriege das Geschehen zwischen den Dörfern. Ich habe die Macht, meine Anhänger nicht nur mit sanfter Hand zu führen, sondern sie in fanatische Krieger zu verwandeln. Mein Verhalten – ob ich Güte oder Furcht schenke – beeinflusst direkt, wie meine Siedlungen agieren.
Furcht und Schrecken können Unterwerfung erzwingen, doch sie bringen auch Zerstörung mit sich. Dörfer, die von Gewalt geprägt sind, leiden unter Instabilität und Verfall. Die Entscheidung für einen tyrannischen oder gütigen Weg ist deshalb mehr als strategisch: Sie ist moralisch. Meine Krieger ziehen aus, um angrenzende Dörfer zu attackieren oder die eigenen Grenzen zu verteidigen.
Der Ausgang hängt nicht nur von der Stärke der Streitmacht ab, sondern auch von der Moral und dem göttlichen Beistand. Die Kämpfe sind damit auch ein Spiegel meiner göttlichen Entscheidungen: Gewalt führt zu Schrecken und Misstrauen, während Wohlwollen Frieden und Wachstum fördert. Die Kämpfe selbst wirken noch rudimentär, was dem Early-Access-Status geschuldet ist. Dennoch steckt darin großes Potenzial.
Ich bin nicht allein. Je nach Karte trete ich gegen bis zu vier weitere Götter an, die ihren Anteil am Glauben beanspruchen. Diese Rivalen haben eigene Persönlichkeiten und Strategien: von der fürsorglichen Fruchtbarkeitsgöttin bis zum gewalttätigen Kriegsgott. Der Wettstreit ist dynamisch und wird von meinem wirtschaftlichen Wachstum ebenso geprägt wie vom Glaubensklima in den Dörfern.
Konflikte verlaufen nicht bloß als stumpfer Ressourcenwettkampf, sondern wirken oft chaotisch und spannungsvoll inszeniert. Ich kann Rivalen direkt herausfordern, ihre Anhänger schwächen oder meine eigenen Unterstützer stärken. So entsteht eine Atmosphäre ständiger Bedrohung, in der mein göttlicher Einfluss fortwährend auf die Probe gestellt wird.
Visuell setzt «Fata Deum» auf einen charmanten, stilisierten Grafikstil, der an Klassiker wie «Black & White» erinnert. Die lebendigen Dörfer, das Treiben der Einwohner und die detailreichen Inseln schaffen eine interessante Welt, deren Atmosphäre von entspannter bis epischer Musik getragen wird. Allerdings wirkt das Interface eher funktional denn majestätisch, was die göttliche Rolle des Spielers etwas abflacht.
Was mich wirklich stört, ist das Fehlen elementarer Übersichten und Informationsanzeigen. Ja, ich habe eine Ressourcenübersicht oder kann sehen, wie viele Bewohner eines Dorfes an mich oder an eine andere Gottheit glauben. Allerdings gibt es keine vernünftige Übersicht über die einzelnen Dorfbewohner. Ich kann zwar auswählen, dass bei allen Bewohnern die Energieleiste angezeigt. Das sorgt aber eher dafür, dass ich noch mehr den Überblick verliere.
Einfache Listen- oder Kartenansichten, um gezielt auf Personen zuzugreifen, fehlen komplett. Stattdessen muss ich mühsam von Ort zu Ort scrollen, um einzelne Charaktere auszuwählen. Das erschwert gerade präzise Eingriffe und wirkt wenig benutzerfreundlich.
Auch das Feedback auf meine Entscheidungen bleibt schwach. Häufig bekomme ich kaum spürbare Rückmeldungen darüber, wie sich Segnungen, Drohungen oder Wunder konkret auf die Moral, den Glauben oder die Stimmung einer Siedlung auswirken. Gerade in einem Spiel, das so stark von spirituellen Einflussnahmen lebt, ist das enttäuschend.
Die Steuerung funktioniert zwar grundsätzlich, fühlt sich aber oft friemelig an. Sie erfolgt standardmäßig über Maus und Tastatur. Das Setzen von Gebäuden ist unnötig kompliziert: Oft dauert es, bis ich einen Platz finde, an dem ich etwa meine Taverne errichten darf und dann muss ich sie auch noch so ausrichten, dass die Straße halbwegs passt.
Auch das Hantieren mit der unsichtbaren Hand wirkt nicht rund. Mehr als einmal hatte ich Probleme, Gegenstände oder Menschen wieder loszulassen. Das Feedback des Spiels bleibt vage, die Steuerung hakelig. Vielleicht habe ich mich manchmal ungeschickt angestellt, doch genau hier braucht es klarere Rückmeldungen vom Spiel.
«Fata Deum» bietet keine lineare Kampagne mit festen Missionen, wohl aber storybasierte Quests, die mich als Spieler in verschiedene Aufgaben und Herausforderungen führen. Diese Quests werden von den Schicksalsgöttinnen zugeteilt und sorgen für eine gewisse Struktur, die über die reine Sandbox-Erfahrung hinausgeht.
Mir gefällt das Insel-für-Insel-Vorgehen, bei dem ich meine Gottheit Stück für Stück je nach Karte ausweite. Jede Insel stellt eine neue Bühne mit eigenen Dörfern, Ressourcen und rivalisierenden Göttern dar. Es macht Spaß, strategisch meinen Einfluss zu vergrößern und gleichzeitig die treuen Anhänger zu pflegen. Doch trotz der Quests, die immer wieder kleine Zielpunkte setzen, fehlt dem Spiel ein klarer, übergeordneter roter Faden, der mich langfristig leitet. Das wirkt manchmal etwas offen und unstrukturiert, was für mich mitunter die Motivation mindert.
Die Mischung aus Sandbox-Feeling und kleinen Missionsaufträgen funktioniert gut, aber ich wünsche mir mehr narrative Tiefe und greifbare Fortschrittsmomente, um das Gefühl zu verstärken, wirklich in einer göttlichen Odyssee unterwegs zu sein.
Dass «Fata Deum» im Early Access steckt, macht sich an vielen Stellen bemerkbar. Es läuft zwar stabil, doch vieles wirkt noch unvollständig: Animationen sind steif, Menüs fragmentiert, Feedbackschleifen unausgereift. Besonders die Übersicht über Bewohner, Ressourcenflüsse und Glaubensverteilung schreit nach Überarbeitung.
Gleichzeitig zeigt das Spiel, wie viel Potenzial in der Idee steckt. Die Mischung aus klassischem Siedlungsaufbau und moralischem Einfluss hebt es von reinen City-Buildern ab. Es erinnert an Genreklassiker wie «Populous» oder «Black & White», ohne bloß deren Konzepte zu kopieren. Genau diese Nische könnte «Fata Deum» füllen – wenn die Entwickler mehr Tiefe liefern und die Benutzeroberfläche konsequent verbessern.
Ich bin zuversichtlich, dass die Entwickler auf die Community hören werden. «Fata Deum» zeigt bereits jetzt, was aus ihm werden könnte, wenn die richtigen Stellschrauben gedreht werden.
«Fata Deum» wurde mir von 42 Bits Entertainment für den PC zur Verfügung gestellt. Das Spiel ist seit dem 15. September verfügbar.
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