Hintergrund

Experiment: Arbeiten mit einem Digitec-PC von 2009

David Lee
12.5.2025
Bilder: David Lee

2009 kaufte ich einen günstigen PC der Marke «Digitec». Ich habe ihn reaktiviert, um zu sehen, ob ich damit noch sinnvoll arbeiten kann.

Am 26. September 2009 bestellte ich bei digitec.ch einen Computer namens «Digitec Tharsis T40.7». Eine Eigenmarke also. Der Desktop-PC kostete 709 Franken. Installiert war Windows Vista Home Premium. Nicht, dass ich mich noch so genau daran erinnern könnte. Aber im Bestellarchiv des Shops sehe ich alles, was ich jemals bestellt habe.

Heute ist der PC nicht ganz der gleiche wie damals. Die wichtigste Änderung war 2012 der Einbau einer SSD – das macht den Systemstart schätzungsweise zehn Mal schneller. Das nervige Dauergerödel der Festplatte ist damit auch gleich eliminiert. Zudem hat der PC heute vier statt wie zu Beginn zwei Gigabyte Arbeitsspeicher und läuft mit Windows 10 statt Windows Vista. Die Grafikkarte Nvidia GT 430 war fast, aber nicht ganz von Anfang an drin.

Neben der SSD von 120 GB für System und Programme sind zwei Festplatten eingebaut: eine für die Daten und eine als Backup. Diese Harddisks sind nicht ständig aktiv und so stört weder ihr Lärm noch ihre Langsamkeit.

Das System war bei mir viele Jahre im Einsatz. Ab 2015 musste ich mit einem virtualisierten System arbeiten, was mein Tharsis nicht konnte. So übernahm mein Vater die Kiste. In den letzten Jahren stand sie aber nur noch herum. Ein Verwandter, der noch 2024 interessiert war, wollte den Tharsis am Ende doch nicht nehmen. Nicht mal gratis.

Nicht weinen, Tharsis. Komm zurück zu mir.

Wiedersehen mit einem alten Bekannten: Hallo Digitec Tharsis.
Wiedersehen mit einem alten Bekannten: Hallo Digitec Tharsis.

Begrüssung eines alten Kumpels

Ich schleppe den alten PC zu mir nach Hause, schliesse Maus, Tastatur und Monitor an und starte ihn. Er läuft auf Anhieb. Datum und Uhrzeit stimmen, die Stützbatterie hat offenbar noch Saft. Zunächst wundere ich mich, dass da doch nur 2 GB RAM installiert sind. Doch beim Öffnen des Gehäuses merke ich, dass einer der beiden RAM-Riegel nicht richtig eingesteckt ist. Einmal kurz Reindrücken und schon sind es wieder 4 GB.

Nach der längeren Ruhepause müssen viele Windows-Updates heruntergeladen werden. Es dauert einige Stunden, bis der PC wieder up to date ist.

Das grosse Update auf Windows 11 liegt allerdings nicht drin. TPM 2.0, eine Anforderung von Windows 11, steht dem im Weg. Momentan ist das noch kein Problem, aber nach Oktober 2025 gibt es keine Sicherheitsupdates mehr für Windows 10. Die Kiste könnte ab dann ungepatchte Sicherheitslücken enthalten.

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Arbeiten mit einem 16-jährigen PC

2023 versuchte ich in einem Selbstexperiment, eine Woche lang mit einem Mac Powerbook von 2001 zu arbeiten. Das klappte überhaupt nicht. An produktives Arbeiten war nicht im Ansatz zu denken.

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Mit dem Digitec-PC stehen meine Chancen deutlich besser. Also versuche ich es noch einmal. Die ersten Schritte sind erfreulich. Microsoft Teams: Ein bisschen träge, funktioniert aber. Sogar die Video-Calls. E-Mail mit Outlook 365 klappt ebenfalls. Texte schreiben und redigieren geht sowieso. Das alles mache ich im Webbrowser. Deshalb könnte ich es vermutlich auch mit Linux tun, obwohl ich Microsoft-Anwendungen benutze. Dies als weitere Überlegung für das absehbare Ende von Windows 10.

Beim Prozessor handelt es sich um einen Intel Core 2 Duo E7200 mit 2,53 GHz. Bei normaler Büroarbeit ist die Geschwindigkeit akzeptabel. Was jedoch stört: die Lüfter. Ich arbeite seit Jahren mit einem vollkommen lautlosen Mac Mini und bin das überhaupt nicht mehr gewohnt. Dabei ist die Grafikkarte passiv gekühlt und ich hatte den ursprünglichen Gehäuselüfter bereits durch einen leiseren ersetzt. Der CPU-Fan nervt jedoch gewaltig. Nachdem ich im BIOS auf Silent Mode umgeschaltet habe, ist es halbwegs erträglich, aber immer noch gewöhnungsbedürftig. Unter «silent» verstehe ich etwas anderes.

Der PC hat kein eingebautes Bluetooth und ich habe meinen Bluetooth-Dongle nicht mehr. Auch WLAN gibt es nicht. USB-C hat Mr. Tharsis auch nicht und der eingebaute Kartenleser erkennt die heutigen Speicherkarten nicht. Ich muss also auf einiges verzichten. Trotzdem überwiegt die Freude. Ich kann mit dem PC normal arbeiten. Normal heisst: Ich brauche nicht auf antike Programmversionen zurückzugreifen, sondern arbeite mit der gleichen Software wie auf einem modernen Rechner. Für einen 16-jährigen Oldie keine Selbstverständlichkeit.

Videokonferenz mit Ach und Krach

Am nächsten Morgen der erste Härtetest: Ein virtuelles Meeting in Microsoft Teams mit sechs Leuten. Es geht gerade so, ich kann mich per Videokonferenz mit den anderen verständigen. Aber der PC ist so hart am Anschlag, dass er während der Konferenz nicht einmal das Windows-Startmenü zeigen kann.

Verwende ich die Desktop-App anstelle des Browsers, ist während des Meetings wenigstens nicht alles andere blockiert. Zum Beispiel ist es mir gelungen, einen Screenshot von der Konferenz zu machen und den Text, den du gerade liest, um diesen Absatz zu erweitern.

Die Videokonferenz mit Microsoft Teams bringt den Prozessor an den Anschlag.
Die Videokonferenz mit Microsoft Teams bringt den Prozessor an den Anschlag.

Ich probiere Youtube aus und erlebe eine unerfreuliche Überraschung: Das Vollbild läuft mit maximaler Auflösung nicht flüssig. Dabei ist die maximale Auflösung nur Full HD, die Grafikkarte kann kein UHD. Und offenbar überlässt die GPU das Rechnen grosszügig der CPU – die läuft auf 100 Prozent. Ich muss die Auflösung auf 720p herunterschrauben.

Manchmal, nach dem Systemstart, läuft die CPU auch einfach so auf 100 Prozent. Minutenlang. Weil Windows im Hintergrund noch irgendwas machen muss.

Fotobearbeitung: RAW ist schwierig

Bislang ging es um gewöhnliche Büroarbeit. Für meine tägliche Arbeit brauche ich jedoch auch ein Tool, mit dem ich RAW-Fotos bearbeiten kann.

Normalerweise nutze ich Adobe Lightroom. Aber der antike Digitec-PC hat dafür zu wenig Arbeitsspeicher, die Mindestanforderungen liegen derzeit bei 8 GB. Ich bin froh, dass ich das nicht ausprobieren muss. Denn selbst wenn die Software laufen würde, wäre sie sicherlich quälend langsam.

Stattdessen installiere ich Darktable. Das ist kostenlos und somit spricht nichts dagegen, es einfach mal zu versuchen. Es läuft, allerdings langsam. Drehe ich an irgendwelchen Reglern, erkenne ich nicht sofort deren Auswirkungen. Kommt hinzu, dass ich mich in Darktable überhaupt nicht zurechtfinde. Nichts ist dort so, wie ich es von anderen RAW-Konvertern kenne.

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Dies scheint das Motto bei Darktable zu sein.
Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Dies scheint das Motto bei Darktable zu sein.

Ich versuche es mit dem webbasierten und kostenlosen Photopea. Hier ist die Bedienung kinderleicht. Die Software arbeitet jedoch auf meinem PC unerträglich langsam. Schliesslich installiere ich auch noch RawTherapee. Dieser Konverter gilt als besonders ressourcenschonend. Bei den grossen Dateien meiner Canon EOS R5 mit 45 Megapixeln Auflösung ist aber auch RawTherapee auf der alten Kiste zu langsam.

Zum Schluss kommt mir noch eine Idee: Ich habe immer noch eine Box-Version von Lightroom – denn als ich noch jung und die Welt noch in Ordnung war, konnte man Lightroom kaufen statt abonnieren. Also installiere ich Lightroom 3 ab DVD. Dass der Mauszeiger beim Einlegen einer DVD kurz einfriert, hatte ich schon längst vergessen. Hach, die guten alten Zeiten.

Lightroom 3 kann die RAW-Files meiner aktuellen Kamera nicht lesen. Diese müssen erst mit dem Adobe DNG-Converter ins DNG-Format konvertiert werden. Was auf diesem PC nicht eben schnell geht. Das Importieren der DNGs in Lightroom ist aber noch schlimmer. Der Computer braucht etwa eine Minute, um zwei (!) Bilder zu importieren. Sind sie aber mal geladen, geht es erstaunlich flott. Schon während ich mit den Reglern herumspiele, wird das Ergebnis ohne grosse Verzögerung gezeigt.

Unter dem Strich ist die Fotobearbeitung mit RAW-Dateien immer mühsam, egal mit welcher Software. Ich müsste entweder zu einer Kamera mit wesentlich tieferer Auflösung oder zurück zu JPEG wechseln.

Videoschnitt: Einfach so tun, als wäre 2005

Zeitgemässer Videoschnitt ist mit dem Digitec Tharsis unmöglich. Ich kann Videos in der heute üblichen Qualität nicht einmal abspielen. Ans Bearbeiten wage ich gar nicht zu denken.

Anders sieht es aus, wenn ich für einen Jubiläums-Beitrag meine Kameras aus den Nullerjahren hervorkrame und damit filme. Die Canon PowerShot G1 und die Nikon Coolpix L3 erzeugen Videos mit einer Auflösung von 240p. Das schafft der Digitec-Oldie locker. Diese Kameras arbeiten mit veralteten Speicherkarten – also mit solchen, die der eingebaute Kartenleser des Digitec-PC erkennt. Wunderbar. Etwas schwieriger ist es, eine Software zu finden, die auf dem Oldie läuft. Mit Microsofts Browser-App Clipchamp funktioniert es.

Die alte CF-Karte der Canon PowerShot G1 passt hier rein.
Die alte CF-Karte der Canon PowerShot G1 passt hier rein.

Er kann wenig, frisst dafür viel Strom

In einem Punkt übertrifft der alte Tharsis meinen aktuellen Mac Mini um Längen: im Stromverbrauch. Ist der PC eingeschaltet und unbeschäftigt, verbraucht er etwa 80 Watt. Unter Volllast sind es 120 Watt. Und Volllast ist selbst bei gewöhnlicher Arbeit keine Seltenheit. Noch übler finde ich aber, dass der PC sogar ausgeschaltet 4 Watt Strom verbraucht – Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr. Ausser, wenn ich hinten den Netzschalter umlege, dann ist der Strom gekappt.

4 Watt verbraucht der Mac Mini, wenn er eingeschaltet ist. In meinem realen Setup sind es 8 Watt, weil das Dock mit seiner SSD noch einmal so viel braucht. Stark beschäftigt saugt das Gerät 20 bis 25 Watt. Volllast habe ich im Alltag nie, laut Apple wären es 39 Watt. Ein Mac Mini aus dem Jahr 2009 konnte unter Vollast durchaus über 100 Watt verbrauchen.

Berechne ich den täglichen Stromverbrauch mit 8 Stunden Betrieb und 16 Stunden ausgeschaltet, komme ich auf folgende Werte.

Digitec Tharsis (2009):

  • 16 Stunden × 4 W = 64 Wh
  • 8 Stunden × 100 W = 800 Wh
  • Total 864 Wh

Mac Mini (2020):

  • 16 Stunden × 0 W = 0 Wh
  • 8 Stunden × 12 W = 96 Wh
  • Total 96 Wh

Der PC von 2009 braucht an einem Acht-Stunden-Arbeitstag somit neunmal so viel Strom wie mein aktueller Computer.

Aufrüsten? Nur beschränkt möglich

In seiner jetzigen Form ist der Digitec Tharsis für einfache Büroarbeiten brauchbar; für mehr nicht. Bleibt noch die Frage, ob ich den PC ohne grossen Aufwand so aufmotzen kann, dass er vielseitiger wird.

Ohne grossen Aufwand heisst vor allem: Ich tausche das Mainboard nicht aus. Dann wäre es im Inneren ein komplett neuer PC. Es bleibt beim Asus P5GC-MX1333.

Mehr Arbeitsspeicher wäre sehr nützlich. Aber das Mainboard schafft gar nicht mehr als4 GB.

Beim Prozessor bin ich auf den Sockel LGA 775 beschränkt. Auf ricardo.ch finde ich einen Intel Core 2 Duo E8400 für fünf Franken. Der ist etwas besser als mein E7200.

Ein Schmuckstück!
Ein Schmuckstück!

Bei der Grafikkarte versuche ich mein Glück mit der GeForce 710, die ich erstaunlicherweise neu kaufen kann. Nvidia hat sie mit GDDR5 neu herausgebracht. Das passt mir, denn ich will unbedingt weiterhin eine passiv gekühlte Karte.

Mit der neuen Grafikkarte

Ich war mir nicht ganz sicher, ob die brandneue Grafikkarte auf dem PC von 2009 überhaupt läuft. Doch sie wird erkannt und macht meinen PC 4K-tauglich. Das klappt zwar nicht auf Anhieb. Zunächst erscheinen in 4K weisse Flächen gelb und es sieht auch sonst fürchterlich aus. Ich muss in den Einstellungen einige Male zwischen Full HD und UHD hin und her wechseln; irgendwann klappt es. Dafür ist nun die Anzeige in Full HD fehlerhaft. Naja, Hauptsache, es funktioniert.

Leider laufen Youtube-Videos in Full HD weiterhin nicht rund. An UHD ist schon gar nicht zu denken. Ein Blick in die Leistungsüberwachung des Task-Managers zeigt sofort, wo das Problem ist: Die CPU ist überfordert, nicht die Grafikkarte. Der Prozessor läuft konstant auf dem Maximum, wenn ich versuche, ein Youtube-Video in 4K abzuspielen.

Mit der GT 710 (vorne) gibt es immerhin 4K.
Mit der GT 710 (vorne) gibt es immerhin 4K.

Ein neuer Prozessor – oder auch nicht

Nicht so schlimm, denke ich mir, ich habe ja noch den Intel Core 2 Duo E8400, der besser ist als der E7200. Nun ist also der Zeitpunkt für den Wechsel gekommen.

Beim Abnehmen des Lüfters zeigt sich, dass die Wärmeleitpaste zu Staub zerfallen ist. Das ist anscheinend normal und sollte bei jedem alten PC überprüft werden.

Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch mehr Wärmeleitpaste.
Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch mehr Wärmeleitpaste.

Vermutlich habe ich beim Wechseln des Prozessors den Sockel leicht beschädigt. Jedenfalls startet der PC weder mit dem neuen E8400 noch mit dem alten E7200 auf. So kann ich leider nicht sagen, ob der Prozessorwechsel einen entscheidenden Vorteil gebracht hätte.

Fazit: PCs sind heute länger nutzbar

In seiner ursprünglichen Form, also ohne Upgrades wie SSD oder mehr RAM, wäre der Digitec Tharsis T40.7 heute kaum noch brauchbar. So aber klappt es mit Büroarbeit, auch mit aktueller Software. Sogar Microsoft Teams läuft, obwohl das nicht eben ressourcenschonend ist.

Das finde ich erstaunlich. Der PC ist 16 Jahre alt. Hättest du vor zehn Jahren versucht, mit einem 16 Jahre alten Gerät zu arbeiten, wärst du nicht so weit gekommen. Computer sind heute länger nutzbar als früher. Das ist die Haupterkenntnis des Experiments.

Trotzdem würde ich ein solches Gerät niemandem empfehlen. Heute bekommst du wesentlich bessere Gebraucht-PCs für sehr wenig Geld. Es ergibt selbst mit einem ganz schmalen Budget keinen Sinn, sich diese Qualen anzutun.

Alles, was über gewöhnliche Büroarbeit hinausgeht, ist mit dem Digitec Tharsis schmerzhaft bis unmöglich. RAW-Bildbearbeitung oder Videoschnitt, moderne Games und andere ressourcenfressende Anwendungen laufen gar nicht oder unerträglich schlecht. Sogar Youtube-Videos beginnen mit Full HD zu ruckeln. Zudem ist der Oldie laut und frisst schon im Ruhezustand eine Menge Strom. Darum bin ich auch nicht allzu traurig, dass ich ihn versehentlich geschrottet habe. Das wäre sowieso bald sein Schicksal gewesen.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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