Hintergrund

«Dune: Awakening» angespielt: packend und überfordernd

«Dune: Awakening» macht den legendären Wüstenplaneten zum Tummelplatz für Spiceschürfer und Hobby-Architekten. Das Spiel hat noch Optimierungsbedarf, macht aber schon genauso süchtig wie der begehrte Rohstoff.

Shit, shit, shit. Der riesige Sandwurm ist mir dicht auf den Fersen. Die rettenden Felsen sind noch mindestens 100 Meter entfernt und der Tank meines Sandbikes ist praktisch leer. Für den Boost muss das einfach noch reichen. Jeronimoooo! Geschafft. Fast wäre ich im messerscharfen Schlund des Shai-Hulud versunken und damit auch meine hart verdiente Beute. Die Wüste von Arrakis ist in «Dune: Awakening» unerbittlich und wird der Buchvorlage gerecht.

Alternativer Geschichtsstrang

«Dune: Awakening» ist Funcoms neuestes MMO, kurz für Massive Multiplayer Online. Für das norwegische Studio, das sich mit «Age of Conan», «The Secret World» und «Conan Exile» einen Namen gemacht hat, ist das Genre kein Neuland. Mit den bisherigen Spielen hat «Dune» einiges gemeinsam – im Guten wie im Schlechten. Ich habe mich in der PC-Version rund 20 Stunden durch den Sand gewühlt. Viel zu wenig für ein abschliessendes Fazit, aber genug, um angefixt zu sein.

«Dune: Awakening» ist ein Survial-Game, das aus der Third Person gespielt wird. Das passt zum Setting von Frank Herberts «Der Wüstenplanet». Arrakis besteht hauptsächlich aus Sand. Regelmässig fegen tödliche Stürme über den Planeten hinweg und gigantische Monsterwürmer durchpflügen das Erdreich. Während die Welt und die Bewohner der Buchvorlage entsprechen, verläuft die Geschichte anders. Im Spiel wird die Hauptfigur der Romane, Paul Artreidis, nie geboren. Die einheimischen Fremen sind verschwunden und Herzog Leto Artreidis ist nicht durch ein Attentat ums Leben gekommen. Nun tobt ein wilder Krieg zwischen ihm und den feindlich gesinnten Harkonnen.

Ich werde als Gefangener auf den Planeten geschickt, um das Verschwinden des Wüstenvolks aufzuklären. «Alles hängt davon ab», gibt mir der geheimnisvolle Frauenorden Ben Gesserit mit auf den Weg. Wenn das so wichtig ist, warum verlasst ihr euch auf einen Knasti wie mich? Die Geschichte fängt fadenscheinig an und ist bisher völlig nebensächlich geblieben.

Ich kann mich einer von zwei Fraktionen anschliessen. Bisher sind sie ähnlich blass wie dieser Harkonnen hier.
Ich kann mich einer von zwei Fraktionen anschliessen. Bisher sind sie ähnlich blass wie dieser Harkonnen hier.
Quelle: Philipp Rüegg

Blut-Tankstellen

Viel zentraler ist mein eigenes Überleben. Bereits zu lange in der brütenden Sonne zu stehen, endet tödlich. Zuoberst auf meiner Dringlichkeitsliste steht Wasser. Davon kann ich nie genug haben. Einerseits, um meinen Durst zu stillen, andererseits, um die Maschinen in meiner Basis zu unterhalten. So weit bin ich bei meiner Ankunft noch nicht. Also fliessen die paar Tropfen Wasser, die ich von Blumen extrahieren kann, in meinen Rachen. Damit habe ich genügend Energie, um Granit und Pflanzenfasern einzusammeln. Daraus baue ich meine erste Ausrüstung. Wie in den meisten Survival-Games besteht der Kreislauf in «Dune: Awakening» aus Ressourcen-Sammeln, Ausrüstung-Craften, Basis-Erweitern und natürlich Gegner-Umhauen.

Mit dem passenden Werkzeug kann ich Wasser von Pflanzen einsammeln.
Mit dem passenden Werkzeug kann ich Wasser von Pflanzen einsammeln.
Quelle: Philipp Rüegg

Im Laufe des Spiels lerne ich immer neue und effizientere Methoden, Wasser zu sammeln. Von Sicheln, die es von Pflanzen ernten, bis zu Luftfiltern. Doch der direkteste Weg bleibt der Blut-Extraktor: Die über die Karte verstreuten Banditen-Lager sind meine persönlichen Tankstellen. Habe ich einen Gegner erledigt, kommt Doktor Philipp mit der grossen Spritze und füllt damit seine Beutel auf. Entgegen der üblichen Spielelogik baue ich meine Basis vorzugsweise in der Nähe meiner Feinde. So habe ich es nicht weit, wenn am Abend der Vampir in mir erwacht.

Der Durst ist mein ständiger Begleiter und bedarf konstanter Überwachung. Einmal bin ich so in den Ausbau meiner Basis vertieft, dass ich verdurste. Und weil ich meine Basis nicht als Wiederbelebungspunkt ausgewählt hatte, muss ich zuerst die halbe Wüste überqueren, um zu meinem Körper zurückzukehren. Beim Ableben lasse ich alle gesammelten Ressourcen liegen und behalte nur, was ich am Körper trage. Vor einem Sandsturm oder dem gefrässigen Maul eines Sandwurms ist nicht einmal das sicher. Das muss ich schmerzlich lernen, als ich meine Basis verlegen will und im Magen eines mächtigen Shai-Hulud lande. Beim Respawn habe ich ausser ein paar Stoffunterhosen nichts mehr. Sogar mein Geld hat er gefressen!

Hat ein Sandwurm erst einmal die Verfolgung aufgenommen, bleiben nur Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen.
Hat ein Sandwurm erst einmal die Verfolgung aufgenommen, bleiben nur Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen.
Quelle: Philipp Rüegg

Auch sonst geht ständig etwas kaputt. Meine Ausrüstung beispielsweise. Die kann ich reparieren, allerdings nur an einer Reparatur-Station, mit dem richtigen Bauplan und den notwendigen Ressourcen. Als wäre das nicht genug, kann ich Dinge nicht vollständig reparieren. Die Gesamthaltbarkeit sinkt stetig. Arrakis ist ein hartes Pflaster.

Dune und die Aglo

Wenn ich nicht auf meinem selbstgebauten Sandbike, Sandbuggy oder später Ornithopter die Wüste erkunde, kümmere ich mich um meine Basis. Aus einer wachsenden Auswahl von Modulen stampfe ich in null Komma nichts ein neues Zuhause aus dem Boden.

Das Bauen funktioniert schnell und intutitiv.
Das Bauen funktioniert schnell und intutitiv.
Quelle: Funcom

Darin platziere ich Generatoren, einen Blutextraktor, die Recycling-Maschine und den Fabrikator. Letzterer ist besonders wichtig, da ich dort Ausrüstung herstelle. Sehr erfreulich ist, dass die Gerätschaften automatisch die nötigen Ressourcen aus den Kisten nehmen. Ich hasse nichts mehr als Kistenmanagement.

Langsam werden die Dach-, Wand- und Fenster-Elemente abwechslungsreicher. Aber noch immer gleichen die meisten Gebäude Plattenbauten aus der Sowjetunion. Sowohl meine, als auch die von anderen Spielern. Die Aglo von Arrakis scheint der Tummelplatz für gescheiterte Architekturstudenten zu sein.

Die meisten Spieler haben ein ähnlich ausgeprägtes Designverständnis wie ich.
Die meisten Spieler haben ein ähnlich ausgeprägtes Designverständnis wie ich.
Quelle: Philipp Rüegg

Für MMO-Verhältnisse begegne ich anderen Wüstenkundschaftern eher selten. Ihre Wohnsitze sind hingegen überall zu sehen. Meine Befürchtung, dass die ganze Welt durch postmoderne Überbauungen verunstaltet wird, ist aber bisher nicht eingetreten.

Von wegen staubtrocken

Die Spielwelt bereitete mir im Vorfeld Sorgen. Wie visuell abwechslungsreich kann eine Wüste schon sein? Es stellt sich heraus: sehr. Zum einen spielt Funcom gezielt mit Farben und Kontrasten. Durch den dynamischen Tag-Nachtwechsel sieht die gleiche Landschaft am Morgen blass grau aus, unter der brennenden Sonne bedrohlich rot und im Mondlicht beruhigend blau. Auch die riesigen Felsformationen, die an einen alienhaften Grand Canyon erinnern, laden zum Sightseeing ein. Einschränkungen gibt es dabei praktisch keine. Mit genug Ausdauer kann ich die höchsten Gipfel erklimmen.

In «Dune Awakeing» geht das Leveldesign auch in die andere Richtung. Beim Erkunden eines abgestürzten Raumschiffs in einer riesigen Felsspalte gleite ich dank Schwebemodul immer tiefer ins Innere des Planeten. Für den Rückweg brauche ich gut eine halbe Stunde, weil die Höhlen derart verschlungen sind.

In unterirdischen Testlabors gibt es sogar Vegetation.
In unterirdischen Testlabors gibt es sogar Vegetation.
Quelle: Funcom

Aber auch die grossen Sanddünen sind keine langweiligen, leeren Flächen. Da ich relativ früh ein Sandbike bauen kann, komme ich zügig voran. Ich muss nur aufpassen, dass ich keinen Sandwurm anlocke. Die legendären Monster lassen nicht lange auf sich warten, wenn ich mit Bleifuss herumkurve. Heftet sich mir einer der gigantischen Würmer an die Fersen, muss ich die Beine in die Hand nehmen. Nur auf festem Untergrund bin ich vor ihnen sicher. Ein Sandwurm ist nicht das Einzige, bei dem ich meine gesamte Ausrüstung verlieren kann. Auch vor den Koriolis-Stürmen muss ich mich in Acht nehmen.

Die Gefahr durch die Wüste hat Funcom hervorragend eingefangen. Das Traversieren über weite offene Flächen ist nervenaufreibend. Auch der Sand selbst birgt Gefahren. Wenn ich plötzlich ein bedrohliches Hämmern vernehme, bedeutet das, dass ich über Trommelsand fahre. Dort kann ich mitsamt meinem Fahrzeug versinken. Schnellt gleichzeitig das riesige Maul eines Shai-Huluds aus dem Boden, wächst bald ein Blümchen, wo ich gestanden habe.

Die Karte lässt erahnen, wie gross die Welt ist.
Die Karte lässt erahnen, wie gross die Welt ist.
Quelle: Philipp Rüegg

Gespannt bin ich, was mich in der «Deep Desert» erwartet. Diese besonders gefährliche Zone bietet die beste Beute, jede Menge Spice, aber auch die meisten Gefahren. Es handelt sich um ein PvP-Gebiet. Dort können sich Spielerinnen und Spieler angreifen und ihre Schätze streitig machen. In der restlichen Welt sind nur die Raumschiffswracks PvP-Zonen. Weil es nur dort bestimmte Crafting-Ressourcen gibt, sind sie unumgänglich. Bisher bin ich aber entweder niemandem begegnet oder man hat sich freundlich zugewunken.

Beim PvP ist ein Team von Vorteil. Beim Rest des Spiels bin ich bisher gut alleine zurechtgekommen. Lediglich beim Basenbau wäre eine gewisse Arbeitsteilung wünschenswert.

Wenig Abwechslung beim Kämpfen und Questen

Banditen, die überall ihre Camps aufschlagen, sind immer für einen Kampf zu haben. Sie sind bisher der unaufregendste Teil des Spiels. Es scheint nur einen Gegnertypen zu geben und das sind Menschen. Greifen sie mit dem Schwert an, gibt es einen kurzen Tanz. Blocken, kontern und im richtigen Moment den Energieschild durchdringen, führt zum Erfolg.

Schwertkämpfe sind angenehm dynamisch und kurzweilig.
Schwertkämpfe sind angenehm dynamisch und kurzweilig.
Quelle: Funcom

Gegnern mit Schusswaffen verteile ich Kopfschüsse mit dem üblichen Sortiment aus Pistole, Schrotflinte, Scharfschützengewehr etc. Zwar gibt es verschiedene Charakter-Klassen – ich habe mich für den Techniker «Mentat» entschieden und kann Geschütztürme aufstellen und Giftwolken verschiessen. Daraus hat sich bisher aber nicht viel Abwechslung ergeben. Da erhoffe ich mir für den späteren Verlauf noch deutlich mehr.

Das gilt auch für das Questdesign. MMO-typisch läuft es immer gleich ab. Entweder besorge ich etwas, ich töte jemanden oder beides. Selbst die als Story markierten Quests folgen diesem Muster. Für «Waffen des Krieges» muss ich ein Schwert erforschen, dann herstellen und anschliessend 15 Gegner damit töten. Absolut eintönig und die Waffe ist erst noch schlechter als meine bisherige. Zwischendurch gibt es esoterisch angehauchte Quests mit Traumsequenzen. Wirklich spannend sind die auch nicht.

Regelmässig stürme ich feindliche Camps. Spielerisch bietet das wenig Abwechslung und die Zahl der Gegner ist überschaubar.
Regelmässig stürme ich feindliche Camps. Spielerisch bietet das wenig Abwechslung und die Zahl der Gegner ist überschaubar.
Quelle: Philipp Rüegg

Unnötig kompliziert

Bei der Zugänglichkeit sollte Funcom dringend nachbessern. Vieles im Spiel ist kryptisch und kompliziert. So dachte ich ursprünglich, die Farben der Ausrüstung wären der Seltenheitsgrad, so wie bei allen Rollenspielen. Stattdessen stehen orange, grün oder blau für die Orte, an denen ich die Ressourcen dafür finde. Was die zwei Ausklappmenüs mit «Circuit 1-8» bei meinen Maschinen bedeuten, verstehe ich weiterhin nicht. Und beim Bau- und Forschungsmenü zeigt der erste Menüpunkt nicht alles an, sondern nur Bau-Empfehlungen, die grösstenteils Humbug sind.

Das Werkzeug für den Erzabbau belegt einen der begrenzten Schnellauswahl-Slots.
Das Werkzeug für den Erzabbau belegt einen der begrenzten Schnellauswahl-Slots.
Quelle: Philipp Rüegg

Die fehlende Übersicht erinnert mich an «Age of Conan». Im MMO aus dem Jahr 2008 konnte ich im Inventar einen Dolch kaum von einem Stück Holz unterscheiden. Als ein Freund online kam, der deutlich weiter im Spiel war, bombardierte ich ihn eine Stunde lang mit Fragen zu Dingen, die mir nicht klar waren.

Unnötig umständlich sind auch die unzähligen Gadgets. Ich habe acht Slots für meine Schnellauswahl. Die benötige ich für alles, von Waffen, über Verbände bis zum Feldstecher. Bereits jetzt habe ich mehr Geräte als Slots. Blut abzapfen, Erz abbauen, Fahrzeug reparieren, Wasser von Pflanzen extrahieren, für alles muss ich erst das passende Werkzeug auswählen. Wieso kann ich nicht einfach eine Taste drücken und das Werkzeug wird automatisch ausgewählt? Selbst um meine Fahrzeuge zu verstauen oder einzusetzen, gibt es ein eigenes Gerät.

Wieso ich jedes noch so kleine Gerät aktiv ausrüsten muss, ist mir schleierhaft.
Wieso ich jedes noch so kleine Gerät aktiv ausrüsten muss, ist mir schleierhaft.
Quelle: Philipp Rüegg

Fazit: ein vielversprechender Start

Trotz einiger Unzulänglichkeiten hat mich «Dune Awakening» in seinen Bann gezogen. Mir gefällt das ruhige Spieltempo. Ich kämpfe mich nicht durch Horden von Gegnern, sondern verbringe die meiste Zeit mit Entdecken und dem Managen meiner Basis. In den ersten 20 Stunden motiviert mich meine Neugier und der typische Upgrade-Loop. Immer wieder lockt mich eine neue Ausrüstung oder ein neues Gerät aus meiner sicheren Basis hinaus in die bedrohliche Welt.

Dabei hilft, dass «Dune Awakening» verdammt schick aussieht und von einem tollen Soundtrack begleitet wird. Er kommt nicht ganz an die Opulenz von Hans Zimmer heran, der die Musik für die beiden Filme komponiert hat. Aber wenn der Sound im Spiel anschwillt, erzeugt auch er eine packende Atmosphäre. Da kann ich es verkraften, dass die Kämpfe und Quests etwas eintönig ausfallen.

Wenn Funcom noch an der Zugänglichkeit feilt und die Verwendung der Werkzeuge vereinfacht, sehe ich eine blühende Zukunft für diesen staubigen Planeten.

«Dune Awakening» ist ab sofort erhältlich für PC und wurde mir von Funcom zur Verfügung gestellt. PS5 und Xbox Series X/S folgen später.

Mehr über das Thema reden wir in der aktuellen Folge des Tech-telmechtel-Podcasts

30 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


Gaming
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    «Doom the Dark Ages»-Vorschau: Panzer statt Flugakrobat

    von Philipp Rüegg

  • Hintergrund

    «City Tales: Medieval Era» erscheint im Early Access und hinterlässt gemischte Gefühle

    von Debora Pape

  • Hintergrund

    «Inzoi» angespielt: Das Sims auf Steroiden weckt Hoffnung in mir

    von Michelle Brändle

11 Kommentare

Avatar
later