Ratgeber

Die Virtual Machine gegen die Microsoft Scammer

Microsoft-Scammer nerven. Sie geben nicht auf und wollen deinen PC mit Viren, Trojanern und anderem Müll infizieren. Rhetorisch kannst du nicht viel ausrichten. Daher: Nerven wir zurück. Auf hohem Niveau. Mit einem virtuellen Computer.

Wenn Chefredaktor Aurel Stevens nach Dienstschluss SMS versendet, dann ist die Sache entweder lustig oder wichtig. Diesmal beides, denn die Microsoft-Scammer haben sich bei ihm gemeldet. Sein PC sei mit einem Virus infiziert und nur sie, die Scammer, können ihn retten. Indem sie via Teamviewer Software installieren. Denn sie, die Scammer, seien von Microsoft und haben nur dein bestes im Sinne.

Ja, ne, is klar.

  • Hintergrund

    Wie ich die Telefon-Betrüger in den Wahnsinn trieb

    von Aurel Stevens

Im untersten Absatz erwähnt er etwas, das ich anno dazumal mal gemacht habe. Ich hatte eine Virtual Machine, die total schlecht aussah. Eigentlich war sie ein Ubuntu mit einem in MS Paint gemalten Hintergrund, der in etwa so aussah, wie der Standard-Windows-Desktop. Aurel und ich lachen herzlich und denken «so blöd».

Dann sagt er so: «Hey, kann ich die VM haben?»

Und ich so: «Logo.»

Bis mir auffällt, dass ich die VM von vor x Jahren schon gar nicht mehr habe. Daher muss ich die nachbauen. In der Nacht, denn die Idee ist so gut, dass ich sie nicht seinlassen kann.

Gedanken in der Nachtschicht

Es ist also etwa 23 Uhr, als ich mit der Arbeit beginne. Ich will mein Ubuntu-Crap-Desktop-Ding nachbauen, denke mir dann aber, dass ich den Witz mittlerweile besser machen kann. Ich lade mir also eine Mint-VM runter, denn die kommt mit Cinnamon, das in etwa so aussieht wie Windows 10. Plusminus.

Jetzt habe ich dich schon mit einer Menge Fachjargon bombardiert, deshalb ein kleines Glossar. Wenn dich das alles nicht interessiert, dann drücke CTRL/CMD+F auf deiner Tastatur und suche «Die fertige Virtual Machine».

  • VM: Virtual Machine. Ein Betriebssystem, das auf deinem PC oder Mac läuft, aber nur virtuell existiert. Du brauchst keinen separaten Computer dafür
  • Mint Linux: Eine Linux-Distribution. Davon gibt es schier unendlich viele
  • Cinnamon: Eine Desktop-Umgebung
  • Desktop-Umgebung: Unter Linux gibt es verschiedene grafische Oberflächen. Da kannst du das Aussehen des Desktops radikal verändern. Dieses Feature nennt sich Desktop-Umgebung

Da die Linux-Community schon lange auf den Zug mit Virtual Machines aufgesprungen ist, kann ich mich im Internet frei bedienen. Die Website osboxes.org bietet vorgepackte Virtual Machines an, spart mir also etwa eine Stunde Arbeit.

Die Hauptschwierigkeit wird darin liegen, den Look von Windows 10 hinzukriegen, aber auch da habe ich Glück. b00merang hat eine Theme für Cinnamon und andere Desktop-Umgebungen erstellt.

Also muss ich das nur noch zusammenstückeln. Ich werde das im Folgenden beschreiben, damit du das zu Hause nachbauen oder zumindest nachvollziehen kannst.

VMWare Workstation Player: Ohne das Ding geht gar nichts

Eine VM kannst du dir wie eine CD von anno dazumal vorstellen. Ohne Player läuft nichts. Wie bei allem anderen im Internet auch, gibt es zig Möglichkeiten, eine VM abzuspielen. Ich habe schon immer mit VMWare Workstation Player gearbeitet, weshalb ich das in diesem Tutorial auch tun werde.

All das musst du nur einmal machen.

VMWare Workstation Player: Installation und Setup

  • Setz ein Häkchen in «Enhanced Keyboard Driver». Du musst nachher deinen Computer neu starten, aber macht nix
  • «Check for Product Updates»: Ja
  • «Join the VMWare Customer Expierence Program»: Nein
  • Create Shortcuts: Beide Ja
  • Nachher einfach alles «Ja», «Weiter», «Fertig», «Amen»

So, VMWare Player läuft jetzt. Damit kannst du die VM aufstarten. Weiter unten findest du einen fertigen Downloadlink für die VM, die ich in diesem Tutorial baue. Wenn du magst, darfst du sie dir selbst nachbauen. Macht Spass und nimmt etwa zwei Stunden in Anspruch, wenn du es gemütlich nimmst.

VMWare Workstation Player: Konfiguration für Linux Mint

Konfigurieren wir also eine ganz normale, unmodifizierte VM von osboxes.org.

  • Lade dir die Linux Mint VM von osboxes.org herunter
  • Wahrscheinlich brauchst du die 64bit-Version Mints
  • Entpacke das 7Zip an einen Ort, an dem du die VM speicherst. Das Download-Verzeichnis ist eventuell nicht schlau. Ich tu die immer in den Standardordner, den VMWare mir vorschlägt
  • Öffne VMWare Player auf deinem PC
  • Wähle rechts «Create a New Virtual Machine»
  • Wähle «I will install the operating system later»
  • Wähle unten bei Version «Other Linux 4.x or later Kernel 64-bit». Somit erklärst du der Virtual Machine ihre Grundlagen.
  • Gib einen Namen für deine VM ein
  • Den Speicherort unten lässt du intakt
  • Maximum Disk Size: 8GB
  • Split virtual disk into multiple files
  • Nachher einfach alles «Ja», «Weiter», «Fertig», «Amen»
  • Du bist wieder am Anfangsbildschirm und links zeigt sich die VM

VMWare Workstation Player: Setup Linux Mint

Damit du mit der runtergeladenen Mint-VM arbeiten kannst, musst du noch schnell die virtuelle Festplatte deiner Virtual Machine austauschen.

  • Klicke einmal auf die VM links
  • Dann im rechten Panel auf «Edit Virtual Machine Settings»
  • Klicke unten auf «Add»
  • Wähle «Hard Disk»
  • Bei SCSI einfach auf «Next»
  • Wähle «Use an existing virtual disk»
  • Klicke auf «Browse» und suche die entpackte VM von oben
  • Klicke auf «Finish»
  • Du bist wieder beim Bildschirm mit der virtuellen Hardware-Konfiguration

Jetzt musst du noch schnell die alte leere Festplatte aus der VM rauswerfen.

  • Du siehst in der Hardware-Config zwei Festplatten
  • Wähle die Festplatte, die nicht als Disk File die Linux Mint von oben hat
  • Klicke auf «Remove»

Dein Linux Mint

Sodala, jetzt kannst du deine VM starten und damit arbeiten. Dazu drückst du im Hauptbildschirm einfach auf «Play Virtual Machine» und dann kann es losgehen.

  • Falls Fehlermeldungen erscheinen, drücke einfach auf «Yes»
  • Der erste Start dauert einen Moment
  • Das Passwort für den Login lautet «osboxes.org»
  • Nach dem Login erscheint unter Umständen ein Hinweis oben rechts von wegen «Running in Software Rendering Mode», die erst verschwindet, wenn du einmal drauf klickst
Linux Mint mit Cinnamon

Linux Mint: Installation der VMWare Tools

Da die VM aktuell nur im Fenstermodus funktioniert, musst du schnell einige Grafikhelfer installieren, damit das Betriebssystem in der VM checkt, dass es in einer VM ist und nicht auf einem Hardware Computer läuft.

  • Im Menü «Player» klickst du auf Help → Install VMWare Tools
  • Auf dem Desktop der VM erscheint ein virtuelles CD-Laufwerk mit den Tools
  • Doppelklicke auf das Icon
  • Darin findest du eine .tar.gz-Datei, deren Name mit VMwareTools beginnt
  • Kopiere diese Datei auf den Desktop
  • Rechtsklicke auf die Datei und wähle «extract here»
  • Ein Ordner namens vmware-tools-distrib erscheint

Jetzt musst du rasch via Terminal – eines der grossartigsten Features Linux – die Tools installieren.

  • Öffne vmware-tools-distrib
  • Klicke rechts in die Leere
  • Wähle «Open in Terminal»
  • Gib nun folgende Kommandozeile ein

sudo perl vmware-install.pl

  • Drücke Enter
  • Das Passwort lautet nach wie vor «osboxes.org»
  • Danach einfach bei allem Enter drücken, denn in all den Jahren, in denen ich schon mit VMs arbeite, ist mir noch kein Fall untergekommen, in dem die Default Config der VMWare Tools nicht funktioniert hat
  • Wenn alles durchgerattert ist und du wieder eine Zeile im Terminal siehst, die mit grüner Schrift und «osboxes@osboxes» beginnt, ist die Installation fertig
  • Tippe Exit und drücke Enter

Danach gehst du oben ins Player Menu und wählst unter «Power» die Option «Restart Guest» damit die VM neu startet und die Config der VMWare Tools aktiv wird.

Der Hauptzweck der VMWare Tools? Du kannst im Vollbildschirm arbeiten.

Viel Spass damit.

Die fertige Virtual Machine

All das habe ich gestern Nacht gemacht, nachdem ich noch schnell im Kino war. Das Koffein ging zu Neige, die Augenlider wurden schwer, die Musik – eigentlich total interessant – hat angefangen, zu nerven. Doch ganz fertig war ich nicht. Denn nicht nur kannst du unter Linux die Desktop-Umgebung konfigurieren, sondern diese auch noch anpassen. Findige Coder haben sich aufgemacht, Cinnamon so aussehen zu lassen wie Windows 10.

Dazu musst du einfach schnell die Theme und den Icon Pack austauschen. Geht ganz leicht und wenn du dich oben durch den Guide geackert hast, dann kriegst du das easy hin. Sonst vertrau auf dein Google-Fu.

Die fertige Virtual Machine

An der VM habe ich, abgesehen vom Look, nur noch TeamViewer installiert. Denn den wollen die Scammer ja.

  • Das Passwort für den Team digitec Account lautet rootpassword
  • Die VM ist nicht für irgendetwas ausser zum Nerven von Scammern zu brauchen
  • Um die VM zu entpacken, brauchst du 7zip, das gratis ist oder ein ähnliches Programm

Hier kannst du sie runterladen, in deinem VM-Verzeichnis entpacken, eine Kopie davon erstellen, und dann einfach aufstarten.

Was du mit der digitec Microsoft Scam VM tun kannst

Die Idee hinter der VM ist folgende: Wenn deine Scammer anrufen, dann kannst du sie per TeamViewer auf deine vom Rest deines Systems abgeschottete VM loslassen und zuschauen, was passiert. Wichtig ist, dass du am Telefon stets darauf bestehst, dass das Windows ist. Einige Sätze, die ich anno dazumal am Telefon gebraucht habe:

  • «Ich bin nicht so gut mit Computern»
  • «Mein Cousin hat das für mich eingerichtet»
  • «Ja, das ist ganz bestimmt Windows!»

Letzterer Satz ist der Wichtigste im ganzen Arsenal. Und nach dem Telefonat: Die Kopie der VM löschen und von der Original-VM eine neue Kopie erstellen.

So. Fertig. Viel Spass mit den Scammern und erzähl mir die Geschichten unten in der Kommentarspalte.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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