Der 13-Kilo-Laptop des Vaters ebnete den Weg zur eigenen Softwarefirma
Hintergrund

Der 13-Kilo-Laptop des Vaters ebnete den Weg zur eigenen Softwarefirma

Eine eigene Firma zu gründen, ist riskant und stressig. Nicht so für Maja Fritschi. Sie arbeitet seit fünf Jahren als selbstständige Programmiererin. Gegenwind begegnet ihr auf dem Weg dorthin nie.

Ein helles Büro mit Blick auf die Sihl. Das Macbook Pro auf dem Tisch, ihr iPhone neben der Kapselkaffeemaschine und ein iPad als Notizblock. «Früher habe ich auf Papier gekritzelt», sagt Maja Fritschi, Gründerin sowie einzige Mitarbeiterin der Softwarefirma Freegee. «In den Notizbüchern habe ich nichts mehr gefunden, nur geblättert. Auf dem iPad kann ich nach Keywörtern suchen, das hat mir die Arbeit extrem vereinfacht.» Vor allem, seit die 37-Jährige vor fünf Jahren den Schritt in die Selbständigkeit gewagt hat.

Angefangen hat alles mit dem 13-Kilo-Laptop ihres Vaters. Er ist Elektriker, aber stark im Bereich Messtechnik involviert. Durch seine Arbeit besitzt die Familie seit 1984 einen Compaq Portable. In den 90ern wird das Monstrum auch für Maja interessant. Sie spielt Spiele, klickt sich durch Programme, sitzt vor dem Bildschirm, bis Mama telefonieren muss. 1998 muss sich Maja für eine Ausbildung entscheiden. Am liebsten würde sie die damals noch ziemlich neue Informatiklehre beginnen. Doch sie traut sich nicht. «Ich wusste doch gar nichts über IT, das hat mir Angst gemacht.» Sie wird Chemielaborantin.

Angekommen in der Männerdomäne

Nach der Ausbildung zur Chemielaborantin holt sie die eidgenössische Matur nach und beginnt, an der ETH in Zürich Sport zu studieren. «Dort hat mir der Informatikkurs am meisten Spass gemacht.» Ein Zeichen, das sie nach zwei Jahren und mit der Bestärkung ihres Freundes ernst nimmt und das Studium abbricht. 2011 beginnt sie ihr Informatikstudium an der ZHAW. «Ich habe es sofort geliebt. Ich war eine von bloss drei Frauen, aber das hat mich nicht gestört.» Sie wird in der Männerdomäne gut aufgenommen, hat immer hilfsbereite Kommilitonen um sich. Entgegen aller Erwartungen, muss sie sich als Frau nicht überdurchschnittlich beweisen, wird nie belächelt, die Ellbogen bleiben eingefahren.«Ich habe meine Fähigkeiten hinterfragt, ich habe meine Motive hinterfragt, aber nie mein Geschlecht.»

Mit dem Beginn ihres Studiums landet sie ihren ersten Job als Programmiererin. «Ein Pfadi-Freund, der in der Onlinevertonung arbeitet, bekam einen Auftrag für eine iOS-App und brauchte Leute für die Umsetzung.» Im 50-Prozent-Pensum ist sie dort angestellt und entwickelt gemeinsam mit einem anderen Mitarbeiter ihre erste App. Zu diesem Zeitpunkt beruhen ihre Kenntnisse auf dem Informatikkurs des Sportstudiums und ein paar Modulen während der Erwachsenenmatur. «Und ich habe eine Website für eine Freundin, die Ferienwohnungen vermietete, gebastelt. Dafür habe ich mir ein Buch gekauft und alles mit Adobe GoLive umgesetzt.» Klingt nach wenig Erfahrung, doch der Freund erkennt ihr Talent, ihre Leidenschaft und ihren Willen.

Ein Event und die Karriere nimmt ihren Lauf

Direkt nach dem Bachelor macht sich Maja mit ihrer Firma selbstständig. Das ist jetzt fünf Jahre her, diesen Monat feiert sie Jubiläum. «Für mich war schnell klar, dass der Weg in die Selbstständigkeit der richtige ist. Grossunternehmen sind nichts für mich.» Die Angst, die sie bei der Entscheidung für eine Ausbildung verspürte, ist weg. Die ersten zwei Jahre arbeitet sie weiterhin 50 Prozent bei ihrem Kumpel. So generiert sie ein fixes Einkommen und bringt ihr eigenes Unternehmen zum Laufen. Lange gedauert hat das nicht. «Der Apple Store im Glattzentrum lud mich zu einem B2B-Event ein.» Ein Anlass, an den andere bloss hingehen, um gratis verköstigt zu werden, lanciert ihre Karriere. «Ich kam mit einem Typen ins Gespräch, der heute ein guter Freund ist. Er hat mich weiterempfohlen, wodurch einige Aufträge reinkamen», sagt Maja. Bis heute lebt sie fast ausschliesslich von Mund-zu-Mund-Propaganda. Eine Website, die auf eine Landing Page reduziert ist, reicht ihr für ein gut laufendes Business.

Was sich aber verändert hat, ist ihr Fokus. «Anfangs wollte ich nur iOS-Apps programmieren. Die ganze Schweiz war voller iPhones, Android musstest du nicht bieten können.» Heute geht das nicht mehr. Wer eine iOS-App will, will auch eine Android-App und auch eine Website. Das sind Grossprojekte, die für Maja alleine meist nicht zu stemmen sind. «Darum habe ich mich für den Webbereich entschieden.» Die Affinität zu Apple bleibt. Das lässt sich nicht nur an der Wahl ihrer Gadgets erkennen, sondern auch ihrem Strahlen beim Gedanken an einen Auftrag für eine native iOS-App. «So einen Job würde ich natürlich gleich annehmen.»

Winterthur, Graubünden und die Kanaren

Im Büro mit Blick auf die Sihl und knarrendem Parkett ist sie nur etwa einmal pro Woche. «Zwei Freunde von mir, mit denen ich ab und zu Projekte umsetze, arbeiten hier und bieten mir ab und zu ein Plätzchen.» Ansonsten arbeitet sie von zu Hause in Winterthur aus. Als Ein-Frau-Unternehmen funktioniert das problemlos. «Momentan will ich kein Büro oder weitere Angestellte, das würde mir meine Freiheiten nehmen.» Freiheit, das ist für sie im Winter in einer Ferienwohnung in Graubünden und im Sommer in einem möblierten Apartment auf den Kanaren zu arbeiten. An beiden Domizilen geht sie ihrer zweiten Leidenschaft nach, dem Sport. Im Winter verbringt sie ihre Freizeit auf dem Snowboard, im Sommer auf dem Surfbrett. In Versuchung, mehr Fokus auf das Hobby als auf die Arbeit zu legen, gerät sie nie. «Ich habe genug Disziplin, um spätestens zwischen acht und neun Uhr den Laptop einzuschalten.»

Auch den Austausch mit Kollegen vermisst sie im Alltag nicht. «Ich brauche absolute Ruhe, um konzentriert arbeiten zu können. Nicht einmal Musik hören funktioniert für mich.» Benötigt sie die Meinung oder Hilfe von anderen, kann sie jederzeit auf ihr berufliches Netzwerk zurückgreifen – oder auf Papa. «Er ist zwar eher der Tüftler, aber trotzdem sind Computer unser gemeinsames Thema. Irgendwann landen wir immer dort.» Was auffällt? All diese Bezugspersonen sind Männer. Benachteiligt fühlt sie sich dadurch nie, eher im Gegenteil: Sie sticht heraus, findet sie. Und sie wird immer unterstützt. Von Männern. Sie legen ein gutes Wort für sie ein, empfehlen sie weiter. An andere Männer. Auf ihre erste Kundin wartet sie noch. Die einzige Frau in ihrem beruflichen Umfeld ist ihre Buchhalterin. «Bis heute habe ich mir nie überlegt, ob vielleicht alles so reibungslos läuft, weil Männer für mich die Hand ins Feuer legen.» Überzeugen muss sie die Männer am Ende aber selbst. Und das tut sie.

Speditiv und günstig

Als Selbstständige muss Maja Allrounderin sein. Sie hat keine designierten Programmierer, Designer, Key-Account-Manager. Sie vereint alle diese Aufgaben in sich selbst. «Klar kann ich nicht dasselbe Niveau bieten, wie spezialisierte Mitarbeiter. Dafür bin ich speditiver und günstiger.» Und sie lernt stetig dazu. Durch ihren Freund, der aus der Branche kommt, entwickelt sie ein besseres grafisches Auge. Und bessere Codes schreibt sie durch das Lesen anderer Codes und das Gegenlesen lassen der eigenen von Kollegen. «Das ist ziemlich dasselbe wie bei einem klassischen Text. Wir programmieren in einer gewissen Sprache, die auf Syntax basiert. Dabei hat aber jeder seinen eigenen Stil.»

Auch Maja hat ihren Stil in der Branche gefunden. Sie arbeitet in ihrem Traumjob. Mal zu Hause, mal im Büro, mal in den Bergen, mal am Meer, aber immer ohne Probleme. Niemand wirft ihr Steine in den Weg. Die einzige Person, die ihr jemals das Leben schwer macht, ist sie selbst. Sie braucht länger als die Menschen in ihrem Umfeld, um ihre eigenen Fähigkeiten zu erkennen und sich vollends für die Informatik zu entscheiden. Das Wagnis hat sich gelohnt. Und Papa hat seither immer jemanden zum Fachsimpeln.

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Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.


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