«Perifractic»
Hintergrund

Commodore-Fans aufgepasst: Liebhaber-Projekt hat große Pläne

Debora Pape
4.7.2025

Nach seinem Kollaps verschwand Commodore von der Weltbühne. Nun hat ein ambitionierter Fan das Unternehmen kurzerhand gekauft und möchte damit die Achtziger wiederauferstehen lassen.

Bist du ein Kind der Siebzigerjahre und liebst Technik? Dann besteht eine gute Chance, dass du in den Achtzigern oder Neunzigern einen Commodore-PC hattest und damit schöne Erinnerungen verbindest. Commodore war vor der Jahrtausendwende einer der erfolgreichsten Anbieter von Computerhardware. 1994 meldete das Unternehmen Konkurs an, aber die enthusiastische Fan-Community hält das Andenken weiterhin am Leben.

Einer dieser Fans, der britische YouTuber «Peri Fractic», der im echten Leben Christian Simpson heißt, hat eine Vision, die jetzt Wirklichkeit werden könnte. Er kaufte das Unternehmen Commodore Corporation inklusive aller 47 noch eingetragenen Marken. Der Plan: Commodore als Fan-Projekt wiederbeleben und mit neuem, retro-futuristischem Leben füllen.

Simpson ist jetzt Geschäftsführer und hat ein illustres Team früherer Commodore-Angestellter sowie weiterer Retro-begeisterter Menschen mit an Bord. Zum Beispiel den Schauspieler Thomas Middleditch, den du vielleicht aus der HBO-Serie «Silicon Valley» kennst. Er ist selbst ein Atari-Kind und ein passionierter Gamer.

Retro gegen die moderne Tech-Welt

In einem sehr retrolastigen und emotionalen ersten Video von Anfang Juni erklärt Simpson, was Commodore für ihn bedeutet: Erinnerungen an die Kindheit mit dem Commodore-Computer, der auf sein 14-jähriges Ich wie «reine Magie» wirkte. Damals wurden Computer erstmals für Privatpersonen erschwinglich und standen für Optimismus, Transparenz, Freude und neue Möglichkeiten. Die heutige Tech-Welt werde dagegen von übermächtigen, seelenlosen Konzernen beherrscht, die User nach Likes süchtig gemacht hätten, sie mit Pop-ups zuspammen und ihre Jobs mit KI bedrohen.

Was Simpson mit Commodore vorhat, klingt wie eine Utopie. Der Reboot von Commodore soll «uns retten». Er möchte mit modernen Retro-Produkten den Achtziger-Zeitgeist wiederbeleben. Alte und junge Fans sollen wieder die Freude empfinden, die er selbst als Jugendlicher mit seinem Commodore 64 hatte.

Neue Produkte sollen zum alten Zeitgeist passen

Simpson betont in seinen beiden Videos immer wieder, das Unternehmen und die Marke im besten Interesse des «alten» Commodore und dessen Community betreiben zu wollen. In den Regeln zum Schutz der Marke wurde verankert, dass «Retro Computing» erhalten und gefördert werden soll.

Commodore ist nun als «Public Benefit Corporation» eingetragen, ein Unternehmen, das im Interesse der Öffentlichkeit handelt, dabei aber auch Profite machen soll. Das ist nötig, sagt Simpson, weil er einen weiteren Bankrott vermeiden will. Dazu setzt er auf «dumme statt smarte» Produkte – aber innovativ sollen sie trotzdem sein, eine Rückbesinnung auf den Pioniergeist der boomenden Heimcomputer-Zeit vor der Jahrtausendwende.

Unter diesen Regeln soll Commodore weiterleben.
Unter diesen Regeln soll Commodore weiterleben.
Quelle: Peri Fractic

Der Plan ist, Hardware-Herstellern zu ermöglichen, Produkte unter dem Namen «Commodore» zu entwickeln. Ausdrücklich gefragt sind dabei Fangruppen, die bereits Ersatzteile und Neuheiten für Commodore verkaufen, sie aber nicht lizenzieren konnten. Für Commodore soll dabei ein Anteil von 6,4 Prozent der Verkaufserlöse abfallen. Statt billiger Massenware soll es um Produkte mit sorgfältig kontrollierter Qualität gehen, die zur Marke passen – «von Fans für Fans».

Simpson schwärmt davon, auch neuartige Produkte auf den Markt zu bringen, die bisher nur als Fan-Rendering existieren. So sei etwa Augmented-Reality-Hardware denkbar – aber alles unter dem Motto: Ehre die Vergangenheit, erfinde die Zukunft.

Fan-Rendering einer Retro-inspirierten Konsole.
Fan-Rendering einer Retro-inspirierten Konsole.
Quelle: Cem Tezcan

Ein erstes Produkt kündigt Simpson auch gleich (nicht) an: Das Video über die Details des Kaufs und die Zukunft von Commodore endet mit einem Cliffhanger, als Simpson das neue Produkt enthüllen möchte. Ob es tatsächlich bereits ein Produkt gibt, bleibt also abzuwarten.

Ein leidenschaftliches Team soll am Start sein

Ursprünglich wollte Simpson nur die exklusiven Rechte an der Commodore-Marke kaufen. Doch anstelle eines Lizenzvertrags bot ihm Commodore BV, der letzte Rechteinhaber aller Commodore-Marken, stattdessen das ganze Unternehmen zum Kauf an. Ein niedriger siebenstelliger Betrag sei nach harten Verhandlungen dafür fällig geworden.

Bislang ist aber nur ein kleiner Teil des Kaufpreises bezahlt, wie Simpson zugibt. Für einen Teil davon hat er einen Kredit aufgenommen, andere Anteile übernahmen Angel Investors. Das sind wohlhabende Privatpersonen, die selbst Leidenschaft für das Projekt aufbringen und sich mit Kapital und Erfahrung daran beteiligen. In Zukunft soll es möglich sein, sich selbst durch den Kauf von Anteilen einzubringen.

Zum neuen Commodore-Team gehören einige Fans wie Sean Donohue und Leo Nigro. Die beiden betreiben das Projekt «My Retro Computer», das Commodore-artige Hardware vertreibt. Nigro war zeitweise CTO (Chief Technical Officer) bei Commodore.

Sean Donohue und Leo Nigro bieten Commodore-Fanprodukte an.
Sean Donohue und Leo Nigro bieten Commodore-Fanprodukte an.
Quelle: Sean Donohue

Auch weitere frühere Commodore-Offizielle sind mit dabei: Bill Herd (1982-1986 Lead Engineer), Michael Tomczyk (1980-1984 Assistent des erfolgreichen Commodore-Chefs Jack Tramiel), eine frühere Produktdesignerin, ein Hardware-Supporter sowie weitere Personen, die leitende Funktionen bei Commodore bekleideten. Sie alle bieten Erfahrungen, Beratung und sicherlich teilweise auch Kapital an.

  • Hintergrund

    Jack Tramiel: Wie der knallharte Tycoon Commodore auf die Siegerstrasse führte

    von Kevin Hofer

Falls du Lust hast, kannst du auch selbst beim Projekt mitmachen. Simpson gibt an, dass noch Merchandise-Designer und ein Social Media Manager gesucht werden.

Titelbild: «Perifractic»

10 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Fühlt sich vor dem Gaming-PC genauso zu Hause wie in der Hängematte im Garten. Mag unter anderem das römische Kaiserreich, Containerschiffe und Science-Fiction-Bücher. Spürt vor allem News aus dem IT-Bereich und Smart Things auf.


Computing
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    «The Social Network II»: Das Drama hinter Zuckerbergs Imperium geht weiter

    von Kim Muntinga

  • Hintergrund

    Von «Metal Gear» bis «Death Stranding» – das steckt hinter der Beliebtheit von Entwicklerlegende Hideo Kojima

    von Cassie Mammone

  • Hintergrund

    Der Rotzbengel unter den Kinofilmen wird 50

    von David Lee

2 Kommentare

Avatar
later