Hintergrund

Jack Tramiel: Wie der knallharte Tycoon Commodore auf die Siegerstrasse führte

Kevin Hofer
28.5.2020

Er war so skrupellos wie John D. Rockefeller. Sein Geschäftsmodell befeuerte die PC-Industrie wie Henry Fords Model T die Massenproduktion von Automobilen. Jack Tramiel, ein gnadenloser, Zigarre kauender Tycoon, eroberte die PC-Industrie in den 1970ern mit seinen Commodore-Computern.

Mit diesem Geschäftsmodell führt Tramiel Commodore auf die Siegerstrasse. Der PC-Gigant verkauft als erster eine Million Stück eines Computers. Der spätere Commodore 64 verkauft sich gar über 20 Millionen mal – viermal so viel wie der Apple II. Damit setzt der Unternehmer über eine Milliarde Dollar um.

Wie hat der gebürtige Pole das geschafft?

Vom Holocaust-Überlebenden zum Geschäftsmann

Nachdem er von amerikanischen Truppen befreit wird, treibt sich Tramiel zwei Jahre lang in Europa herum und nimmt Gelegenheitsjobs an. Er lässt sich sogar in ein psychiatrisches Sanatorium einweisen, damit er gratis essen kann.

1947 heiratet er Helen Goldgrub. Mit der Frau, die er im Konzentrationslager kennengelernt hat, bleibt er bis an sein Lebensende zusammen. Danach geht er in die Vereinigten Staaten, tritt der Army bei und lernt dort, wie man Schreibmaschinen repariert. Nach seiner Entlassung fährt er Taxi, kauft mit einem GI-Darlehen von 25 000 Dollar ein Schreibmaschinengeschäft in der Bronx und ändert die Schreibweise seines Nachnamens.

Anfangs der 50er Jahre verlegt er sein Geschäft nach Toronto, wo er Familie hat und die Gesetze den Import von Schreibmaschinen aus Europa erleichtern. Mittlerweile hat er die Büromaschinenfirma Commodore Business Machines (CBM) gegründet. Gemäss eigener Aussage, wählt Tramiel den Namen, weil er bei einer Taxifahrt, einen Opel Commodore sieht. Das ist jedoch nicht möglich, weil der Commodore erst 1967 auf den Markt kommt.

Das Geschäft mit Taschenrechnern und der Einstieg ins Computerbusiness

Im Gegensatz dazu ist Commodore in Europa mit seinen Taschenrechnern eine feste Grösse. Mit dem PET etabliert sich Commodore hier auch auf dem PC-Markt. Aber das ist eine andere Geschichte. Hier geht es um Jack Tramiel, der vor allem in den USA aktiv ist und nur am Rande mit den Ablegern Commodores auf dem Rest der Welt zu tun hat.

Der Hammer-Deal mit Microsoft und VIC 20

Wer kann da nicht zugreifen?

Ein alter Konkurrent taucht auf und geht unter

Tramiel und Commodore müssen sich erneut Texas Instruments geschlagen geben. Mitte 1981 machen die Ingenieure Robert Russell und Robert Yannes Tramiel den Vorschlag, aus den bestehenden Chips von Commodore den Nachfolger des VIC 20 zu bauen. Kostengünstig einen neuen Rechner zu bauen, ist ganz nach Tramiels Geschmack. Er ist einverstanden. Im September 1982 kommt der C64 auf den Markt.

Ein Preiskampf zwischen Texas Instruments und Commodore entbrennt. Kurz vor der Veröffentlichung des C64 gewährt Texas Instruments eine Rückzahlung von 100 Dollar auf dem TI-99/4A. Zu diesem Zeitpunkt kostet der Neunundneunziger 300 Dollar ohne den Abzug, der VIC 20 250 und der C64 sind mit 600 Dollar angekündigt. Commodore senkt in der Folge den Preis des VIC 20 auf 175 Dollar. Trotzdem verkauft sich der Neunundneunziger an Weihnachten 1982 besser.

Beim C64 fährt Commodore eine aggressive Werbestrategie, in der die Konkurrenz von Apple und IBM niedergemacht wird.

Beim C64 trennt sich Commodore endgültig vom Verkauf in spezialisierten Läden. Obwohl Tramiel ihnen verspricht, dass sie den C64 verkaufen dürfen, ist der Computer wenige Tage nach dem Weihnachtsgeschäft auch in den Regalen der Detailhändler zu finden.

Commodore regiert den Markt für Heimcomputer. Tramiel ist an der Spitze. 100 Aktien, die 1977 zu weniger als 2 Dollar pro Aktie gekauft wurden, sind 1983 mehr als 70 000 Dollar wert.

Das Aus bei Commodore

Im Januar 1984 tritt Tramiel als Präsident, Geschäftsführer und Direktor von Commodore zurück. Gründe für seinen Rücktritt werden keine genannt. Hinter vorgehaltener Hand wird von Reibungen zwischen ihm und Irving Gould gesprochen.

Monate später kauft Tramiel die Abteilung für Heimvideospiele der Atari Corporation. Nachdem Atari gegenüber Nintendo und anderen Konkurrenten an Boden verliert, verkauft er das Unternehmen und zieht sich Mitte der 1990er in den Ruhestand zurück, um sich mit Risikokapital und Immobilien zu beschäftigen. Tramiel stirbt am 8. April 2012 in Monte Sereno, Kalifornien.

41 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


Computing
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Hintergrund

Interessantes aus der Welt der Produkte, Blicke hinter die Kulissen von Herstellern und Portraits von interessanten Menschen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    Gary Kildall: Der Beinahe-Gates

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    Der Mikrocomputer: Dank Bastlern und Enthusiasten zum Erfolg

    von Kevin Hofer

  • Hintergrund

    Sergej Lebedev und der erste sowjetische Computer

    von Kevin Hofer