
Hintergrund
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von Michelle Brändle
Wer sich mit Videospielen beschäftigt, kennt den Namen Hideo Kojima. Entweder liebt man seine merkwürdige Herangehensweise an Games oder man findet ihn überbewertet. Ein Erklärungsversuch für die Faszination Kojima.
Am 26. Juni 2025 war es endlich soweit: Nach zahlreichen cineastischen Trailern ist mit «Death Stranding 2: On the Beach» das neuste Spiel von Kojima Productions erschienen. Das stellt den Gründer und Chef des Studios erneut in den Mittelpunkt zahlreicher Diskussionen – ist Kojima genial oder schlicht überbewertet?
Ich liebe die wirren Zwischensequenzen, auch wenn ich sie nicht alle verstehe. Andere Spielerinnen und Spieler können beim Anblick der komischen Cutscenes nur mit den Schultern zucken. Ich liebe auch die zahlreichen Liefermissionen und das behäbige Gameplay. Skeptiker schreiben «Death Stranding» deshalb als langweiligen «Walking Simulator» ab.
Eines ist klar: Hideo Kojima löst starke Reaktionen aus. Doch wieso polarisiert der legendäre Entwickler so fest? Was steckt hinter der Faszination Kojima? Ich mache das an fünf Punkten fest, die mit dem Lebenslauf des Entwicklers aus Japan fest verflochten sind.
Laut eigenen Angaben in seiner X-Biografie besteht Kojimas Körper aus 70 Prozent Filmen. Diese Leidenschaft entsteht bereits früh im Kleinkindalter. Und zwar führen die Eltern des kleinen Kojima die Familientradition ein, jeden Abend einen Film zu schauen. Für den jungen Kojima ist es erst Schlafenszeit, wenn der Abspann des Filmes auf dem Fernseher läuft.
Hier dürfte es dem Spieleentwicker zugute gekommen sein, dass seine Eltern Fans von westlichen Filmen sind. Diese Einflüsse schaffen es später in seine Spiele, die deswegen auch ein breites Publikum ausserhalb Japans erreichen.
Durch die familiären Filmabende und den Kamera-Kauf eines Freundes beeinflusst, erwacht die Leidenschaft zum Filmemachen beim jungen Kojima. Ein Filmproduzent wird er jedoch nie – er schlägt den Weg zum Spieleentwickler ein.
Kojimas Begeisterung für die Filmproduktion wird zum festen Bestandteil seiner Karriere in der Videospielbranche. «Metal Gear Solid» für die Playstation 1 ist eines der frühesten Spiele, die auf eine cineastische Inszenierung setzen. Dafür wird es bis heute gelobt. Diesen Einfluss spüre ich auch deutlich in «Death Stranding 2», als ich bewundernd die erste Zwischensequenz mit Protagonist Sam betrachte.
Es ist erstaunlich, dass Kojimas filmreife Zwischensequenzen so viele Fans begeistern. Schliesslich brechen sie oftmals mit Konventionen, die man aus traditionellen Filmen kennt. Es ist fraglich, ob Kojimas Regie- und Produktionsstil überhaupt im klassischen Medium Film funktionieren würde.
So fasst er sich zum Beispiel nie kurz. Die Dialoge in seinen Spielen dauern lange an. Der Beweis: «Metal Gear Solid 4» steht im Guinness-Buch der Rekorde, weil es mit einer Dauer von 71 Minuten die längste Zwischensequenz in einem Videospiel hat. Nicht ganz Spielfilmlänge, aber trotzdem genug Zeit, um eine Tüte Popcorn zu besorgen. Bei «Death Stranding» dauern die Zwischensequenzen zum Glück nicht ganz so lange. Die Dialoge über in Kodex-Eintragungen erklärte Phänomene wie «BTs», «BBs», «Whiteouts», die «UCA», «Repatriates», «Extinction Entities» werfen aber mehr Fragen auf als sie beantworten.
Auch wenn das Zwischensequenz-Wirrwarr so manches Publikum verschreckt, bringt Kojima frischen Wind in die Gaming-Branche. Eigentlich soll ihm diese in den 1980er-Jahren lediglich die Tür zur Filmbranche öffnen. Deswegen fängt er – des damals schlechten Rufs der Spielebranche und den Warnungen seiner Verwandten zum Trotz – 1986 bei Konami an.
Nach der Mitarbeit an zwei Spielen übernimmt Kojima die Leitung für «Metal Gear» für den japanischen Heimcomputer MSX2. Kojima möchte eigentlich lieber für die erfolgreichere Famicom-Konsole (in Europa und den USA das NES) entwickeln. Die Arbeit am Computerspiel stellt sich später aber als Segen heraus. Weil der Computer mehr Leistung hat, kann Kojima komplexere Gameplay-Mechaniken einbauen. Die Spielfigur Snake muss sich durch eine Militärbasis schleichen und direkten Begegnungen mit feindlichen Soldaten aus dem Weg gehen. Klingt heute unspektakulär, vor 40 Jahren war die Idee aber bahnbrechend.
Damit prägt Kojima das Stealth-Genre (Schleichspiele) für kommende Generationen – ein frühes Beispiel seiner Rolle als Visionär in der Spielebranche.
«Metal Gear Solid» ist mit sieben Millionen verkauften Einheiten auf der Playstation 1 ein riesiger Hit. Der Weg zu Kojimas langfristigem Erfolg ist damit geebnet.
In den Folgejahren erscheinen in Zusammenarbeit mit Konami mehrere Nachfolger von «Metal Gear Solid» für diverse Playstation-Konsolen. Die Kooperation mit dem japanischen Publisher verschlechtert sich über die Jahre hinweg aber deutlich, bis sich die zwei Parteien 2015 trennen.
Die Trennung von Kojima und Konami hat für viele Spekulationen gesorgt. Weder Konami noch Kojima äussern sich öffentlich zu den Beweggründen. Die Stimmung rund um die Entwicklung des bis dato fünften und letzten Hauptteils der «Metal Gear Solid»-Reihe ist geladen. So entstehen die wildesten Gerüchte um die Beweggründe für Konami, Kojima die Teilnahme bei den Game Awards 2015 zu verbieten.
Ebenfalls zu dieser Zeit wird das Projekt rund um «P.T.» eingestampft, das die eingeschlafene «Silent Hill»-Reihe wiederbeleben sollte. Viele Elemente daraus, wie die involvierten Prominenten, werden später in «Death Stranding» übernommen – dem ersten Spiel, das Kojima nach der Konami-Trennung mit seinem neuen Studio (Kojima Productions) veröffentlicht. Bis heute hätten viele Horror-Fans «P.T.» gerne gesehen – vielleicht auch, weil die Demo nach der beendeten Zusammenarbeit aus den Stores genommen und damit zur «Lost Media» gehört.
Durch diese schwierige Trennung steht Kojima wie ein missverstandenes Genie da. Konami wird von vielen Fans als «die Bösen» gesehen, die einen legendären Spielemacher ohne Grund vergrault haben. Es liegt nahe, dass bei einer Auseinandersetzung zwischen einer einzelnen Person und einem Unternehmen die Sympathie beim Menschen liegt. Vor allem wenn dieser Mensch hinter einem beliebten Franchise steckt und dessen zukünftige Projekte sehnlichst erwartet werden.
Dazu kommt, dass Kojima sich auf Social Media als Fan inszeniert. Hier ein Promi-Selfie, da ein Foto eines Kinobesuchs – Filmempfehlung inklusive. Er wirkt damit nahbar und andere Fans haben direkt einen Bezug zu ihm, anders als zu zahlreichen anderen Personen in der Spielebranche. Im Gegensatz zu «normalen» Fans belässt es Kojima aber nicht bei Selfies – er integriert seine Lieblingsschauspieler in seine Games.
Bestes Beispiel für Kojimas Promi-Sammelwut sind die beiden «Death Stranding»-Games:
Die Promi-Besetzung in den «Death Stranding»-Spielen hat auch noch einen anderen Vorteil: Das Publikum sieht bekannte Gesichter und erkennt die Stars dahinter. Dieser Wiedererkennungswert nimmt Fans zusätzlich mit. So kann ein Blick auf das Gesicht von Norman Reedus Lust auf einen «The Walking Dead»-Serienmarathon machen. Ich bin zum Beispiel durch den ersten Teil auf den Schauspieler Mads Mikkelsen aufmerksam geworden. In «Death Stranding» spielt er die tragische Rolle von Cliff Unger.
Zuletzt sind die Spiele von Kojima einfach auch verdammt merkwürdig. Das schadet ihrem Ruf aber nicht, im Gegenteil. In «Metal Gear Solid» nehmen Einzelpersonen schwere Gefährte wie Helikopter oder Panzer locker auseinander. Überhaupt haut die Reihe einen Twist nach dem anderen raus.
«Death Stranding» ist, was die Weirdness angeht, aber auf einem anderen Level. Bei der Story, die kaum jemand beim ersten Anlauf versteht, stapeln sich die unerklärlichsten Elemente. Wenn Spielfigur Sam stirbt und wiedergeboren wird, spiele ich die Seele, die zurück in den toten Körper schwimmt. Dazu tauche ich über seinen Mund in seine Speiseröhre ein. Am Ende blicken mir dann die Kulleraugen eines Babys entgegen, das genüsslich an seinem Daumen nuckelt. Das ist schon ziemlich «weird».
An anderer Stelle beruhige ich mein Baby durch Pinkeln. Ein Charakter stoppt seinen Herzschlag alle paar Minuten für eine Reise ins Jenseits. Und auch diese schräge Konversation mit «Super Mario»-Referenz existiert tatsächlich so im Spiel:
«Princess Beach»?! Du siehst aber, die Liste könnte ewig lang sein. Der Punkt ist: Die merkwürdige Natur von Kojimas Spielen macht für Teile des Publikums ebenfalls einen gewissen Charme aus. Das passt zur innovativen, kreativen und avantgardistischen Natur seiner Entwickler-Karriere.
Als Spielerin weiss ich, dass mich ein Game aus der Feder des japanischen Entwicklers mit einer offenen Kinnlade zurücklassen wird. Und das ist in einer Branche, bei der AAA-Studios kaum Risiken eingehen, Gold wert. Das beweist auch die Tatsache, dass Kojima Productions nach «Death Stranding 2» nicht vor dem Aus steht. Mit bestätigten Spielen wie «OD» und «Physint» gibt es noch einiges von Kojima Productions, auf das wir uns freuen können.
Meinen ersten Text über Videospiele habe ich mit acht Jahren geschrieben. Seitdem konnte ich nicht mehr damit aufhören. Die Zeit dazwischen verbringe ich mit meiner Liebe für 2D-Husbandos, Monster, meinen Krawallkatzen und Sport.