
Ratgeber
Blitzfotografie, Teil 1: Warum überhaupt blitzen?
von David Lee
Was ist möglich mit nur einem einzigen portablen Blitz? Wir reissen die Klappe weit auf und behaupten: Selbst ein Promi-Foto von Starfotograf Marco Grob mit aussergewöhnlichem Licht können wir nachstellen.
Thomas Kunz ist der Fotograf in Diensten der Digitec Galaxus AG. Tom liebt Challenges, wie wir spätestens seit seinem Versuch mit der rosa Kinderkamera wissen. Also geben wir ihm eine neue Aufgabe. Er soll die Lichtsituation in diesem Foto von Starfotograf Marco Grob nachstellen.
Und zwar mit nur einem portablen Blitzgerät. Kein Studioblitz, kein Zweitblitz, kein Hilfslicht. Denn wir wollen zeigen, was mit nur einem portablen Blitz möglich ist.
Bevor wir mit dem Shooting beginnen, macht Tom eine kurze Analyse. Er vermutet, dass sich die Beleuchtung aus zumindest zwei Quellen zusammensetzt, die beide als Lichtpunkte im Auge zu sehen sind. Der grössere, rechteckige Lichtpunkt ist eine Softbox. Damit wird die sehr schwache Grundbeleuchtung erzeugt. Das kleinere runde Licht ist ein Studioblitz mit Reflektor. Diese hat keine Softbox und erzeugt das harte Licht in der Bildmitte mit den starken Schattenlinien. Der Blitz ist nur im einen Auge zu sehen, das andere liegt ja im Schatten.
Neben den Augen verrät auch die Nasenspitze einiges über das Licht. Die Reflexion deutet darauf hin, dass die Hauptlichtquelle etwa auf der gleichen Höhe steht wie das Gesicht.
Links von uns aus gesehen ist die Backe und das Ohr ebenfalls schwach beleuchtet. Diese dritte Lichtquelle könnte ein Reflektor sein oder ein Blitz, dessen Licht mit einem Snoot kanalisiert wird. Dann wären es insgesamt drei Lichtquellen.
Tom darf aber nur eine Lichtquelle benutzen, das sind in dieser Challenge nun mal die Bedingungen. Denn wir wollen zeigen, dass du es mit einem gewöhnlichen Blitzgerät genauso gut hinkriegen kannst. Oder auch nicht. Die Messlatte hier liegt hoch. Dass ich als Model herhalten muss, obwohl ich überhaupt nicht aussehe wie Colin Firth, ist noch das kleinste Problem.
Die Grundidee ist simpel. Das Blitzgerät soll von schräg vorne ein hartes Licht erzeugen. Zwischen dem Blitz und meinem Gesicht wird eine schwarze Abdeckung so aufgestellt, dass nur ein Teil des Blitzlichts auf das Gesicht trifft. Durch die Abdeckplatte entsteht diese harte Kante, die senkrecht durch das Gesicht läuft.
Die andere, ebenfalls dunkle Seite soll einfach dadurch zustande kommen, dass sie nicht dem Blitz zugewandt ist und dadurch weniger reflektiert.
Das verfeinern wir später, indem wir einen selbstgebastelten Reflektor verwenden. Der kann aus Alufolie oder irgendeinem anderen gut reflektierenden Material bestehen. Das hier ist ein Stück beschichteter Karton.
So einfach die Idee, so schwierig ihre Ausführung. Nur selten gelingt es, die Schattenlinie genau am richtigen Ort auf dem Gesicht zu platzieren. Bewege ich meinen Kopf nur wenige Millimeter, stimmt der Verlauf nicht mehr. Anders als bei einem Dauerlicht sieht Tom die Situation immer erst, wenn das Foto bereits geschossen ist. Testblitzen ohne Foto hilft ein wenig, aber nicht allzu viel.
Mit unserer Aufstellung zu Beginn der Session muss ich den Kopf stärker zur Seite drehen als in der Vorlage. Sobald ich den Kopf im korrekten Winkel halte, wird ein zu grosser Teil des Gesichts beleuchtet.
Tom korrigiert dies zuerst, indem er den Blitz stärker zur Seite stellt. Dann aber wirft die Nase einen zu grossen Schatten. Also schiebt er den Blitz wieder stärker ins Zentrum. Es bleibt aber schwierig. Die Ausrichtung ist ein Gemurkse, das wohl kein Promi dieser Welt über sich ergehen lassen würde. Die Fotosession von Marco Grob mit Steve Jobs dauerte drei Minuten und achtundvierzig Sekunden. Die von Tom mit mir dauerte fast zwei Stunden.
In diesem Versuch ist der Nasenschatten zu dominant. Für meinen Geschmack sind auch die Faltenschatten viel zu betont. Tom versichert mir, dass ich nur wegen dem unvorteilhaften Licht so alt aussehe. Ein anderes Manko in diesem Foto: Der Hintergrund ist nicht regelmässig ausgeleuchtet; das konnte Tom aber im Lauf der Session beheben.
Die Platzierung des Schattens ist zwar mühsam, aber mit genug Fleiss und Geduld ist sie möglich. Mit anderen Worten: Dies ist mit nur einem Aufsteckblitz deutlich schwieriger als mit einem komfortablen Studio-Setup. Aber es geht.
Was hingegen so gut wie unmöglich ist: Die Lichtstimmung richtig hinzukriegen. Der nackte Blitz ohne Softbox erzeugt ein Licht, das extrem hart ist. Die beleuchteten Partien sind zu hell, der Rest zu dunkel. Es entsteht eine Stimmung, die ganz anders ist als im Original.
Tom experimentiert im Lauf der Session mit einer selbstgebastelten Softbox für den Aufsteckblitz. Diese besteht aus einem Stück transparentem Papier, das er über den Blitz klebt. Das erzeugt zwar ein Licht, das der Stimmung im Original näher kommt – aber mit diesem weichen Licht ist die markante Schattenlinie im Gesicht nicht mehr möglich.
Beim nachträglichen Aufhellen in Lightroom entsteht ein ungewollter HDR-Effekt. Das Licht wirkt unnatürlich, unfreundlich.
Das ist der Shot, der vermutlich dem Original am nächsten kommt, im Direktvergleich mit dem Original.
Eigentlich gar nicht so schlecht. Und was den Zeitaufwand betrifft, muss ich meine Aussage von oben relativieren. Die eigentliche Fotosession mit Steve Jobs dauerte zwar keine vier Minuten, aber natürlich beinhaltet das Drumherum eine Menge Arbeit. Zum Beispiel der Aufbau des ganzen Setups, für den Grob sicher Assistenten hatte. Beim Bild von Colin Firth ist zudem offensichtlich, dass einiger Aufwand in Make-up und Nachbearbeitung steckt, der in unserem Versuch fehlt.
Fazit: Mit einem einzigen Blitz ist viel möglich, aber nicht alles. Diese Challenge hat uns die Grenzen von einer einzigen Lichtquelle aufgezeigt. Vor allem macht es die Sache nicht einfacher, sondern eher komplizierter. Mehrere Lichtquellen kosten zwar mehr und dauern zu Beginn etwas länger zum Aufstellen, aber wenn das Setup mal funktioniert, geht es schneller und besser.
Tom sieht es ganz ähnlich: «Die Challenge ist gescheitert, aber es war auch eine verdammt schwierige Aufgabe.» Alles in allem finden wir beide, dass mit nur einer Lichtquelle erstaunlich viel möglich ist. Vor allem, wenn du bereit bist, stundenlang zu experimentieren und zu optimieren, und jemanden findest, der das mit sich machen lässt.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.