Kritik

«Avatar: The Way of Water»: Du glaubst, alles gesehen zu haben? Denk nochmal drüber nach

Luca Fontana
13.12.2022

Es mag nicht das meisterwartete Kinospektakel des Jahres sein, aber bestimmt das schönste: «Avatar: The Way of Water» ist nicht nur ein Genuss fürs Auge, sondern hat mich so tief bewegt wie lange kein Film mehr.

Eines vorweg: In diesem Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur Infos, die aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt sind.


«Atme, Luca. Atme.» Es ist, als ob eine Stimme aus einer fremden Welt zu mir spricht. «Wach auf», sagt sie sanft.

«Ich will nicht», antworte ich. «Lass mich noch ein bisschen länger bleiben, hier auf Pandora, dem fünften Mond des Gasriesen Polyphemus. Lass mich noch etwas bei den uralten Meeresvölkern verweilen. Bei den mächtigen Felsen der drei Brüder, dem stürmischen Meer trotzend. Und bei den Tulkun, riesigen Wal-ähnlichen Wesen, die wie Nomaden von Ort zu Ort ziehen. Bitte…»

Aber die Stimme – die Realität –, wird ungeduldig. Plötzlich geht die Beleuchtung an, das gleissende Licht holt mich zurück in den Kinosaal, in dem ich schon lange vergessen hatte zu sitzen. Vor mir läuft der Abspann: «Avatar: The Way of Water», die Fortsetzung von «Avatar», ist vorbei, und ich weiss noch gar nicht so recht, wie ich das Gesehene in Worte fassen soll.

Darum geht's in «Avatar: The Way of Water»

Über ein Jahrzehnt hielt der Friede an. Aber die Erde liegt im Sterben, und die Menschheit braucht eine neue Heimat. Mit neuen Technologien, Waffen und Armeen kehren die Himmelsmenschen nach Pandora zurück, unerbittlicher denn je. Und mit ihnen ein alter, totgeglaubter Feind.

Zurück nach Hause, nach Pandora

Es schien, als ob es «Avatar» nie gegeben hätte. Und wenn, dann kämen die Fortsetzungen viel zu spät. Die Welt hat sich längst weitergedreht. Marvel und DC dominieren die grossen, visuellen Kinospektakel – ausserhalb von Superhelden-Verfilmungen lässt sich die breite Masse kaum mehr vor die grosse Leinwand locken.

Aber dann: diese eine Sekunde.

Hätte ich jemals gedacht, dass mich der Anblick der Hallelujah-Berge auch 13 Jahre nach dem ersten Teil noch einmal aus den Latschen hauen könnte? Überhaupt nicht. Mittlerweile habe ich eh alles, was mich überraschen könnte, schon einmal auf der grossen Leinwand gesehen.

Fast möchte ich weinen vor Glück.

Der Regisseur und seine Vision

Das Wasser, Camerons grosse Liebe

Aber was kann eine Fortsetzung, die 13 Jahre auf sich warten lassen hat, überhaupt noch bieten? Nun, tatsächlich überraschend viel. Dabei hätte ich es besser wissen müssen: Cameron wäre nicht Cameron, wenn er so lange an Story, Kamerasystemen, Algorithmen und Tauchtrainings für seine Schauspiel-Riege gewerkelt hätte, um letztlich nur «more of the same» zu bieten.

Zugegeben: Das Story-Rad erfindet «The Way of Water» bestimmt nicht neu. Es bietet aber deutlich mehr als eine offensichtliche Abkupferung aus «Pocahontas» und «Dancing with Wolves», wie es noch im ersten Teil war. Gerade die Familiendynamik rund um Jake, Neytiri und ihre Kinder gibt der Fortsetzung eine deutlich reifere Note. Sie bietet sogar die eine oder andere Überraschung. Dramatik. Und Romantik… Zumindest ein wenig.

«Was ist nur los mit dir? Seit wann bist du so sentimental?», denke ich mir. Denn schon zum zweiten Mal droht mir die Wucht der Bilder, Freudentränen in die Augen zu treiben.

Wir erinnern uns: Die vielleicht grösste Faszination von «Avatar» lag in dessen Regenwäldern. Gerade nachts verwandelte sich dort alles Lebende in ein biolumineszierendes Naturschauspiel aus der Tiefsee, das die Welt noch nicht gesehen hatte – einfach an der Oberfläche.

Fazit: Das schönste Spektakel des Jahres

«Avatar: The Way of Water» hätte vieles sein können. Repetitiv. Uninspiriert. Unnötig. Gerade, wenn ich bedenke, wie viel Zeit seit dem ersten Teil verstrichen ist. Zu lange Pausen zwischen Filmen desselben Franchises wirken oft lähmend, wenn es darum geht, die Magie des Vorgängers zu reproduzieren. Daran scheiterte schon die «Hobbit»-Trilogie. Oder schlimmer: «Matrix: Resurrection».

Ich will zurück. Zurück nach Pandora.


«Avatar: The Way of Water» läuft ab dem 14. Dezember im Kino. Laufzeit: 192 Minuten. Freigegeben ab 12 Jahren.

Titelfoto: Bild: Disney / 20th Century Studios

172 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


Filme und Serien
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Kritik

Welche Filme, Serien, Bücher, Games oder Brettspiele taugen wirklich etwas? Empfehlungen aus persönlichen Erfahrungen.

Alle anzeigen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Kritik

    «Tron: Ares» ist schön und laut – nur mutig ist er nicht

    von Luca Fontana

  • Kritik

    «Indiana Jones 5»: Verhunzt ist anders – aber grossartig auch

    von Luca Fontana

  • Kritik

    «The Flash» and the Multiverse of Madness – aber diesmal wirklich

    von Luca Fontana