Kritik

«Arc Raiders»: der Extraction Shooter für die Massen

Philipp Rüegg
12.11.2025

Ob alleine oder zu dritt – «Arc Raiders» spielt sich gleich und doch erfrischend anders als klassische Extraction Shooter. Damit trifft das Spiel einen Nerv bei Gelegenheits- und Hardcore-Spielern gleichermassen.

«Don’t shoot» ist die meistgenutzte Geste in «Arc Raiders» und die einzige, die du kennen musst. Die Chancen sind gross, dass du dieses Emote bei der ersten Begegnung mit menschlichen Raidern hörst. In diesem Extraction Shooter gibt es nämlich noch eine grössere Bedrohung und die triffst du deutlich häufiger an: Arcs. Diese Killer-Maschinen beherrschen die Welt, an deren Oberfläche sich nur noch mutige Raider trauen. Anders als in den meisten Genrevertretern endet darum längst nicht jede Begegnung mit Menschen in Feuergefechten. Es ist eine wichtige Zutat, warum «Arc Raiders» ein so breites Publikum anspricht.

Das «Arc Raiders»-Virus breitet sich aus

In meinem Freundeskreis gibt es immer seltener Games, die mehrere gleichzeitig spielen. «Arc Raiders» gehört zu den Ausnahmen. Die Popularität spiegelt sich auch auf Steam wider. Zu Spitzenzeiten waren über 460&nbps;000 Spielerinnen und Spieler online. Nur die Dauerbrenner «Counter-Strike 2», «Dota 2» und «PUBG» liegen davor. An unserer jährlichen LAN-Party am vergangenen Wochenende hat sich «Arc Raiders» schneller ausgebreitet als das Corona-Virus. Es begann mit einem neugierigen Blick über die Schulter und der Frage: «Was zockst du denn da?» Wenige Stunden später flimmerte auf praktisch allen Monitoren die dystopische Maschinenwelt. Das habe ich zuletzt 2017 mit «Playerunknown's Battlegrounds» oder wie es heute heisst «PUBG: Battlegrounds» erlebt.

Praktisch mein ganzer Gamer-Freundeskreis ist «Arc Raiders» verfallen. Das gab es seit «PUBG» nicht mehr.
Praktisch mein ganzer Gamer-Freundeskreis ist «Arc Raiders» verfallen. Das gab es seit «PUBG» nicht mehr.
Quelle: Philipp Rüegg

In «Arc Raiders» wohnen die letzten überlebenden Menschen in einer unterirdischen Stadt namens Speranza. Es ist die Zentrale und das Hauptmenü des Spiels. Hier nehme ich Quests an, verbessere Waffen, baue Ausrüstung und mache mich bereit, an die Oberfläche zu reisen. Das geht alleine oder mit bis zu zwei weiteren Raidern. Zur Auswahl stehen vier Gebiete, die schrittweise freigeschaltet werden.

Sobald das Spiel beginnt, habe ich maximal 30 Minuten Zeit, die menschenleere Welt zu erkunden und meine Taschen mit Beute zu füllen. Das Zeitfenster ist meist kleiner, denn nicht alle Teams starten gleichzeitig auf einem Server. Bevor die Zeit um ist, muss ich einen Lift oder einen Zug aktivieren und damit heil nach Speranza flüchten. Erst dann ist meine Beute in Sicherheit. Werde ich vorher getötet, verliere ich alles, was ich gesammelt habe. Das gilt auch, wenn ich nach Ablauf der Zeit immer noch unterwegs bin. Dann stürzen Meteoriten auf den Boden und alle Übriggebliebenen sterben.

In «Arc Raiders» gibt es kaum etwas Besseres als sich hinter mir schliessende Lifttüren.
In «Arc Raiders» gibt es kaum etwas Besseres als sich hinter mir schliessende Lifttüren.
Quelle: Philipp Rüegg

Wir gegen die Maschinen

Wenn ich meine Freunde frage, warum sie «Arc Raiders» im Vergleich zu anderen Extraction Shooter packt, fallen oft die gleichen Antworten. «Andere Spieler sind überraschend hilfsbereit. Es fühlt sich weniger nach PvP als nach einem kooperativen Survival-Spiel an. Wir gegen die Maschinen», findet ein Freund, der dann auch eher in «ARK: Survival Evolved» oder «7 Days to Die» anzutreffen ist, als in einem Extraction Shooter.

Die Arcs sind das Herzstück des Spiels. Es gibt sie in zahlreichen Variationen. Da gibt es kleine fliegende Drohnen, die Raider aufspüren und grössere Maschinen alarmieren. Sie heissen passend «Snitches» – auf Deutsch Petzer. Die «Rocketeer» sind deutlich grösser und schiessen Raketen. Einen weiten Bogen mache ich um die «Leaper». Diese vierbeinigen Maschinen können weit springen und teilen mächtig Schaden aus. Die grösste von allen ist die Queen. Dieses Monstrum habe ich bisher nur aus der Ferne bestaunt.

Arcs sind tödliche Kampfmaschinen. Mit einem Leaper legst du dich besser nicht auf offenem Feld an.
Arcs sind tödliche Kampfmaschinen. Mit einem Leaper legst du dich besser nicht auf offenem Feld an.
Quelle: Embark Studios

Die Arcs sind faszinierend und bedrohlich zugleich. Ihre Präsenz begleitet jeden Schritt in der Welt von «Arc Raiders». Wenn ich Schränke oder Maschinenteile aufbreche, muss ich immer damit rechnen, sie durch den Lärm anzulocken. Wen meine Lootgier ebenfalls anlocken kann, sind andere Spieler. 15 bis 20 tummeln sich jeweils auf einem Server. Begegne ich als Team einem einzelnen Raider, höre ich meist von weitem, wie er oder sie das «Don’t Shoot»-Emote spamt. Die meisten spielen zusätzlich mit Mikrofon, sodass oft ein paar freundliche Worte ausgetauscht werden.

Spannend wird es, wenn man sich beim Extrahieren begegnet. Die Zeit, bis der Lift oder der Zug kommt, die Tore sich öffnen und sich hinter einem wieder schliessen, zählt zu den stressigsten Momenten. Ich weiss nie, wie locker den anderen der Abzugsfinger sitzt. Umso schöner ist es, wenn man sich wie im Wilden Westen gegenübersteht, der Zeigefinger Millimeter über der linken Maustaste schwebt und plötzlich eine tiefe Stimme brummt: «Are you cool? You’re cool» und wir beide tatsächlich cool bleiben.

Begegnungen mit anderen Spielern sind immer nervenaufreibend.
Begegnungen mit anderen Spielern sind immer nervenaufreibend.
Quelle: Embark Studios

Andere Raider sind erstaunlich oft freundlich gesinnt. Die Ungewissheit gehört zum Reiz des Spiels. Einmal muss ich zusehen, wie meine sogenannten «Teamkameraden» ohne mich den Lift benutzen. Prompt schiesst mir, zwei Sekunden, bevor ich beim nächsten Lift die Türen schliessen kann, ein feindliches Team in den Rücken. Oder ein vermeintlich harmloser Raider entpuppt sich trotz mehrmaligem «Don’t shoot» als Judas und greift mich an, sobald ich mit Looten abgelenkt bin.

Missionen in Häppchengrösse

Apropos Looten: Hier kommt ein weiterer, wichtiger Punkt zum Tragen. «Arc Raiders» ist viel einsteigerfreundlicher als andere Extraction Shooter», ergänzt ein anderer Kumpel von mir. Denn auch wenn ich vor dem Extrahieren abgemurkst werde, stehe ich nicht mit leeren Händen da. Zum einen gibt es Quests zu absolvieren, die mich mit Ressourcen belohnen. Zum anderen habe ich in der Basis meinen treuen Hahn Scrappy, der mir ebenfalls regelmässig Beute mitbringt. Ich kann ihn sogar mit lustigen Hüten schmücken.

Scrappy wartet in der Basis auf mich und hat immer ein paar Ressourcen für mich dabei. Woher, will ich lieber nicht wissen.
Scrappy wartet in der Basis auf mich und hat immer ein paar Ressourcen für mich dabei. Woher, will ich lieber nicht wissen.
Quelle: Philipp Rüegg

Ein entscheidender Unterschied ist auch die Spiellänge. «Ich mag es, dass ich selbst bestimmen kann, wie lang oder kurz eine Mission wird», findet ein Freund, der abgesehen von unserer LAN-Party nur noch selten zockt. Weil das Inventar in «Arc Raiders» limitiert ist, bin ich oft schon nach dem ersten grösseren Gebäude überladen. Oder ich finde eine seltene Blaupause, die ich nicht aufs Spiel setzen will. Dann extrahiere ich an der nächstmöglichen Stelle und springe nach zehn Minuten bereits in die nächste Partie.

«Arc Raiders» funktioniert auch gut alleine. Dann erhält das Spiel eine ganz andere Dynamik. Ich spiele dann noch vorsichtiger und meide gegnerische Teams so gut wie möglich. Kommt es doch zur Konfrontation, alarmiere ich gerne mal patrouillierende Arcs, um die anderen Spieler unter Druck zu setzen. Idealerweise schleiche ich mich in der Hitze des Gefechts unbemerkt davon.

Loote in Massen statt Massen

«Ich finde, das Looten extrem belohnend. Es ist nicht einfach Masse. Es sind wichtige Ressourcen und du musst wählerisch sein. Finde ich dann mal etwas Besonderes, freue ich mich riesig», schreibt ein weiterer Freund in unserem Gruppenchat. Dem kann ich nur beipflichten. «Arc Raiders» ist das pure Gegenteil von «Borderlands». Waffen sind Mangelware und Ressourcen suche ich gezielt für bestimmte Upgrades meiner Werkbank oder einer Waffe.

Das Lager ist im Nu voll und besonders anfangs ist mir vollkommen schleierhaft, was ich behalten soll und was nicht.
Das Lager ist im Nu voll und besonders anfangs ist mir vollkommen schleierhaft, was ich behalten soll und was nicht.
Quelle: Philipp Rüegg

Was ich trotz aller Einsteigerfreundlichkeit kritisiere, sind die Menüführung und das Ressourcenmanagement. Die Menüs von «Arc Raiders» sehen schick aus, aber auch nach etlichen Stunden finde ich mich nur schwer damit zurecht. Sie sind von jeglicher Logik befreit. Mal sind Menüs am oberen Bildschirmrand, mal unten, mal dazwischen. Will ich eine Werkbank verbessern, muss ich jede einzeln anklicken und danach einen weiteren Reiter öffnen, nur um herauszufinden, ob ich genügend Ressourcen für ein Upgrade habe.

Während sich das Looten gut anfühlt, überfordert mich das Lagermanagement in der Basis. Es gibt unzählige, farbkodierte Ressourcen, die im Nu das Inventar zumüllen. Denn auch in der Basis ist der Platz limitiert. Ressourcen kann ich recyceln, um verschiedene andere Ressourcen daraus zu gewinnen. Aber selbst Gegenstände mit einem Diamantsymbol, die vermeintlich nur zum Verkaufen sind, werden teilweise zum Craften benötigt. Hier den Überblick zu behalten, ist fast unmöglich. Dass es auf Reddit Listen, gibt, welche Items ich behalten, welche ich verkaufen und welche ich recyceln kann, sagt alles. Während unserer LAN-Party mutierten die erfahrenen Spieler zu Fremdenführern, die von Tisch zu Tisch wanderten und die immer gleichen Fragen beantworteten.

Bei Händlern in der Basis nehme ich Quests an oder kaufe Gegenstände.
Bei Händlern in der Basis nehme ich Quests an oder kaufe Gegenstände.
Quelle: Philipp Rüegg

Auch die Fähigkeiten, die ich durch gesammelte Erfahrungspunkte freischalte, reissen mich nicht vom Hocker. Der Skilltree sieht wie alles im Spiel schick aus, aber es gibt kaum interessante Verbesserungen. Leiser Türen aufbrechen oder schnellere Ausdauer-Regeneration, wenn ich getroffen werde, sind zwar nützlich, beeinflussen meinen Spielstil aber nicht dramatisch. Mehr Gewicht zu tragen, ist da schon das Höchste der Gefühle.

Positiv sind wiederum die Quests. Sie dienen gleichzeitig als Tutorial für Spielmechaniken. Ich lerne Schritt für Schritt, wie ich mit der Welt interagieren kann. Zum Beispiel, dass die rollenden Kugel-Arcs namens Fireball einen Fireball Burner enthalten. Den kann ich als Granate verwenden. Oder dass ich diese rechteckigen Metall-Boxen, die ich manchmal finde, zu einer Field Station schleppen muss. Dort stecke ich sie in eine Maschine, die mich anschliessend mit Ressourcen belohnt.

Dass ich dieses eckige Teil in diese Maschine stecken kann und dafür Ressourcen erhalte, lerne ich über eine Quest.
Dass ich dieses eckige Teil in diese Maschine stecken kann und dafür Ressourcen erhalte, lerne ich über eine Quest.
Quelle: Philipp Rüegg

Was das Spiel zusätzlich hervorhebt, ist die eigentliche Welt. Die vier Regionen, die es auch in schwierigeren Nachtvarianten gibt, heben sich deutlich voneinander ab. Das Startgebiet «Dam Battlegrounds» besteht aus einem Staudamm, umgeben von Sümpfen und Wäldern. «Burried City» ist eine unter Sanddünen versunkene Stadt. «Spaceport» wird von Raumschiffüberresten dominiert und in der Mitte prangen zwei riesige Türme. «The Blue Gate» schliesslich ist eine teilweise verschneite Berglandschaft mit kleineren Ortschaften und Tunneln.

Jede Karte hat ihren eigenen Charme und könnte direkt aus dem Kopf des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag stammen. Die riesigen Industrieanlagen, verlassenen Städte und Arc‑Überreste, die auf einen grossen Krieg hindeuten, zaubern eine faszinierende Welt auf den Bildschirm, deren Geheimnisse das Spiel nach und nach lüftet. Auch für meinen eigenen Raider gibt es kreative Skins, die ich mit Rucksäcken und Taschen optisch ausschmücken kann.

Obwohl «Arc Raiders» beeindruckend aussieht, schlägt es nicht übermässig auf die Performance. Selbst auf Mittelklasse-PCs läuft das Spiel anständig. Hinzu kommt das Sounddesign, welches das unheimliche, bedrohliche Gefühl und die gleichzeitige Melancholie perfekt einfängt.

Die Welt von «Arc Raiders» ist einzigartig.
Die Welt von «Arc Raiders» ist einzigartig.
Quelle: Embark Studios

«Arc Raiders» ist verfügbar für PC, PS5, und Xbox Series X/S. Die PC-Version wurde mir von den Embark Studios zur Verfügung gestellt.

Fazit

So Hardcore oder Casual, wie ich möchte

«Arc Raiders» trifft die richtige Balance aus Herausforderung und Zugänglichkeit. Ich bestimme selbst, ob ich bis zur letzten Minute durch die Hochrisikogebiete schleiche oder bereits nach zehn Minuten einen Ausgang ansteuere. Die Extraktion ist auch dann mit Nervenkitzel verbunden. Erst wenn sich die schützenden Türen hinter mir schliessen, lässt die Anspannung nach. Dann geniesse ich den befriedigenden Schlusssound, der über den Schriftzug «Returning to Speranza» hinweg dröhnt.

Lange hält es mich nicht im sicheren Hafen, bevor mich das Abenteuer wieder an die Oberfläche zieht. Die schaurig schöne Welt, die seelenlosen Maschinen und andere Raider, die mal Freund, mal Feind sind, garantieren, dass kein Ausflug wie der andere wird. Geht mal eine Extraktion in die Hose – und das wird es –, ist der Schmerz über die verlorene Beute zu verkraften. Zur Not spendet mir mein Hühnchen in der Basis Trost und ein paar Ressourcen. Vielleicht lege ich mich das nächste Mal auch nicht 100 Meter vor dem Ausgang mit einem Snitch an, der seinem Namen nämlich immer gerecht wird.

Pro

  • sieht fantastisch aus
  • tolle Dynamik aus Kämpfen gegen Menschen und Maschinen
  • befriedigender Beute-Suche
  • Spieldauer selbst bestimmbar

Contra

  • Ressourcen-Management ist ein Graus
  • unübersichtliche Menüs

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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken. 


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