Kritik

Das Warten auf Tape 2 hat sich gelohnt: «Lost Records: Bloom & Rage» im Test

Kevin Hofer
16.4.2025
Bilder: Kevin Hofer

Nach dem wohlig warmen ersten Tape von «Lost Records: Bloom & Rage» wird es in Tape 2 düster. Der Abschluss von Dontnods neuestem Spiel ist gelungen, bietet aber noch weniger Gameplay als der erste Teil.

Soll ich die Bücher zuerst in die Schachtel packen und dann die Sprühdose darüber? Oder doch lieber zuerst die Malsachen? Und was mache ich dann mit dem Zauberwürfel? Diese Fragen stelle ich mir zu Beginn von «Rage», dem zweiten Teil von «Lost Records». Als Swann packe ich eine Zügelbox, denn schon bald zieht das Teeniemädchen mit ihren Eltern weg von Velvet Cove, einer verschlafenen Kleinstadt im Norden der USA.

Das Packen ist das Gameplay-Highlight von Tape 2. Denn die Fortsetzung der Geschichte von vier Freundinnen, die 1995 einen magischen Sommer zusammen erleben und sich 2022 zum ersten Mal seither wieder treffen, bietet noch weniger spielerische Interaktion als der erste Teil. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn die Stärke von «Lost Records» liegt in der Erzählung – und die hat es in sich.

Meine Eindrücke zum ersten Teil, der bereits im Februar erschienen ist, kannst du in folgendem Artikel nachlesen.

Insgesamt gefällt mir die Story und ihre Erzählweise sehr gut. Sie berührt mich ähnlich, wie es das erste «Life is Strange» anno 2015 getan hat.

Hinzu kommt ein toller Soundtrack, der dank den rebellischen 90er-Teens auch etwas punkig und grungeig daherkommt – und nicht wie etwa bei «Life is Strange» gefühlt aus 100 Folk Songs besteht.

Die Dialoge sind durchwegs gut geschrieben. Da die Protagonistinnen Teenies sind, finde ich auch jene mit Fremdschämpotenzial nachvollziehbar und irgendwie herzig – welcher Jugendliche sagt nicht Dinge wie: «Dieser Abgrund ist so tief wie deine Seele»? Auch die englische Sprachausgabe gefällt mir – bis auf Corey. Er wirkt auf mich schlicht zu theatralisch. Was mich stört, ist, dass die Lippen teils nicht synchron mit dem Gesagten sind.

Das Gameplay ist halt, was es ist

Beim Gameplay erfindet Dontnod das Rad nicht neu. Mit Swans Kamera, die ich jederzeit auspacken kann, filme ich nicht nur storyrelevante Dinge, sondern auch Tiere, Müll oder die schöne Landschaft. Das ist zwar witzig, aber abgesehen von den Dingen, die ich fürs Fortschreiten der Story filmen muss, optional.

Was mir krass auffällt, ist das Verhältnis der Gameplay-Elemente von Tape 2 im Vergleich zu Tape 1. Die bereits beschränkten Möglichkeiten sind in Tape 2 nochmal drastisch reduziert. Ich muss kaum etwas untersuchen. Auch Rätsel fehlen, alles wird mir auf dem Silbertablett serviert.

Das zweite Tape von «Lost Records: Bloom & Rage» ist seit dem 15. April für Playstation 5, Xbox Series X/S und PC erhältlich. Das Spiel wurde mir von Dontnod für den PC zur Verfügung gestellt.

Fazit

Ein Must Play für Genre-Fans

«Rage», das zweite und letzte Tape von «Lost Records», erzählt die Geschichte von Swann und ihren Jugendfreundinnen im Jahr 1995 und 2022 spannend zu Ende. Das liegt vor allem an den sympathischen Charakteren und gut geschriebenen Dialogen. Es ist das erste Spiel dieses Genres seit «Life is Strange», das mich mit seiner Geschichte derart mitreisst.

Weiter überzeugen mich der Artstyle und Soundtrack. Noch nie haben sich für mich die 90er so schön angefühlt. Ich schwelge beim Zocken immer auch in meinen eigenen Erinnerungen an meine Kindheit und Jugendzeit.

Weniger überzeugend ist das Gameplay. Dieses bietet Genre-typisch wenig neben laufen, sprechen, untersuchen oder dem gelegentlichen Rätsel. In Tape 2 tue ich das sogar noch weniger als in Tape 1.

Apropos Tapes: Die sind mein grösster Kritikpunkt an «Lost Records». Im Gegensatz zu «Life is Strange» erscheint das neue Spiel von Dontnod immerhin nur in zwei statt fünf Teilen. Persönlich hätte ich aber lieber beide Tapes auf einmal gespielt. So bin ich wirklich in der Story drin. Mit zwei Monaten Wartezeit dazwischen kann mein auf ständig neue Inputs getrimmtes Gehirn nicht umgehen. Aber jetzt sind glücklicherweise beide Teile da und ich kann sie allen Fans von Story-getriebenen Spielen empfehlen.

Pro

  • sympathische Charaktere
  • tolles Storytelling
  • geniale Präsentation

Contra

  • hohe Leistungsanforderungen auf PC
  • wenig Gameplay-Elemente

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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