Kritik

Absurd, verstörend und zwischendurch unglaublich schön: «Karma: The Dark World» im Test

Kevin Hofer
27.3.2025

Es ist lange her, dass mich ein Spiel derart ratlos zurückgelassen hat wie «Karma: The Dark World» – das meine ich positiv. Der Mix aus orwellscher Welt mit Ideen, die aus den Federn von David Lynch oder Hideo Kojima stammen könnten, hat mich völlig in ihren Bann gezogen.

Eigentlich will ich nicht mehr, kann ich nicht mehr. Soeben habe ich einen Lichtschalter betätigt, worauf daneben die Worte «Schau nicht zurück» erschienen sind. Als klassischer Angsthase habe ich selbstverständlich nicht zurückgeschaut und bin einfach weitergegangen. Jetzt habe ich ständig das Gefühl, dass mich etwas verfolgt. Bevor ich mir den nächsten dunklen Raum anschaue, brauche ich erst mal eine Pause.

Ein andermal steuere ich einen Würfel, der in einer Umgebung aus Strichen seinen Platz finden muss. Der reduzierte Grafikstil lässt die totalitäre Welt noch mal inhaltsloser erscheinen. Ausser weissen Strichen auf schwarzem Grund ist da nichts. Das vermittelt mir ein Gefühl von Ohnmacht und grosser Traurigkeit in der harten Welt von «Karma».

Es gibt aber auch Momente voller Hoffnung und Farbe. Diese wirken im Kontrast zum Rest geradezu kitschig. Sie währen aber nicht lange, denn das, was «Karma» verdammt gut kann, ist Horror.

Sowohl die «Realität» als auch die Kopfwelten sind verstörend

Bereits die «Realität» in Karma ist der blanke Horror. So laufe ich nach dem Erforschen des «Winston Research Institute» durch die Strassen der namenlosen Stadt. Überall begegne ich den Typen mit Röhrenfernsehern statt Kopf. An der einen Ecke schnappen sie sich einen Dissidenten und vor dem Eingang des Thought Bureaus werde ich Zeuge einer öffentlichen Exekution.

Das Bureau selbst ist ein steriler Gebäudetrakt. Überall hängen Propagandaplakate oder finden sich Hinweise zum korrekten Verhalten. Überwachungskameras sind omnipräsent. Im Wartezimmer sitzt ein Typ neben mir, der offenbar mit den Nerven am Ende ist und nicht mehr zwischen seiner Realität und den Köpfen, in die er eintaucht, unterscheiden kann.

Und dann ist da der Befragungsraum. Hier sitzen mir Sean und später eine weitere Person hinter einer Glasscheibe gegenüber. Mit einer Kappe, die ich mir aufsetze, dringe ich in ihre Köpfe ein und versuche so den Fall um Sean Mehndez zu lösen.

Gepaart wird das Ganze mit einem atmosphärischen Soundtrack und tollen akustischen Effekten, die mir immer wieder einen Schauer über den Rücken jagen.

Was ich nicht verstehe, ist die Namensgebung der Charaktere. Das Game spielt im fiktiven Ostdeutschland zur Zeit des Kalten Krieges. Wieso der Hauptcharakter einen englischen Namen trägt, ist mir schleierhaft. Auch sonst wirkt das Spiel der chinesischen Entwickler eher britisch als deutsch.

Die Sprachausgabe gibt es zudem nur in Englisch und Chinesisch. Die Synchronsprechenden machen in der englischen Version einen guten Job. Sie sind glaubwürdig und nicht zu theatralisch. Am besten gefällt mir aber nicht Daniel, sondern der Sprecher von Sean, der glänzt.

«Karma: The Dark World» wurde mir von Wired Productions zur Verfügung gestellt. Ich habe die PC-Version getestet. Das Spiel ist für PC und PS5 erhältlich.

Fazit

Toller Horror, der mich auch ratlos zurücklässt

Stehst du auf Horrorspiele und magst die Werke von George Orwell, David Lynch oder Hideo Kojima ist «Karma: The Dark World» für dich Pflichtstoff. Die Welt ist verstörend und beklemmend. Der Horror ist nicht plump mit Jump Scare nach Jump Scare, sondern subtil und überrascht immer wieder. Es sind nicht Monster, die mir Angst einjagen – auch wenn es die gibt –, sondern die menschliche Psyche. So muss guter Horror sein.

Hinzu kommt die wunderschön schaurig präsentierte Welt. Viele Einstellungen würde ich mir auch als Bild an die Wand hängen. Hier haben sich die Entwickler von ihren Vorbildern inspirieren lassen und das Ganze genial umgesetzt. Das Sounddesing lässt mir zudem mal um mal das Blut in den Adern gefrieren.

Drei kleine Kritikpunkte habe ich dennoch. Erstens ist da die Geschichte, die so verwirrend ist, dass sie auch abschrecken kann. Zweitens finde ich es seltsam, dass das Spiel in Ostdeutschland spielt, aber viele Charaktere englische Namen tragen und es keine deutsche Sprachausgabe gibt. Drittens bietet das Spiel gameplaymässig wenig, was aber am Typus Walking Simulator liegt.

Kannst du mit diesen Punkten leben, solltest du dir «Karma: The Dark World» auf jeden Fall anschauen. Auch, weil es mit acht bis zehn Stunden Spielzeit relativ kurz ist.

Pro

  • wunderschön schaurige Inszenierung
  • subtiler Horror
  • verwirrende Geschichte...

Contra

  • ...verwirrende Geschichte
  • keine deutsche Sprachausgabe bei einem Spiel, das in Deutschland spielt

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Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.


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