Hintergrund

The Keep: Ein langweiliges Spiel mit spannendem Hintergrund

David Lee
16.12.2022

Zufällig entdecke ich auf meiner C64-Nachbildung ein Spiel namens «The Keep». Je mehr ich über dessen Hintergründe erfahre, desto weiter fällt mir die Kinnlade herunter.

Es gibt im Labyrinth viele Türen. Um sie zu öffnen, muss ich genügend Schlüssel einsammeln. Jeder Schlüssel passt in jede Tür. Meine Lampe geht irgendwann aus – wenn ich bis dann den Ausgang aus dem Labyrinth nicht gefunden habe, ist das Spiel zu Ende. Ansonsten komme ich ins nächste Labyrinth. Ich kann eine Übersichtskarte einblenden, die Levels sind je nach Wunsch vordefiniert oder zufällig generiert.

So weit, so langweilig. Aber der Entwickler dieses Spiels hat grossen Respekt verdient, weil er mit absurd wenig Ressourcen auskommen muss.

Ein Spiel von 2011 für einen Computer von 1980

Das Spiel erschien im Jahr 2011. Es gibt einige Spiele in dieser Sammlung, die erst im 21. Jahrhundert, lange nach der Blütezeit des C64, erschienen sind. The Keep ist aber kein Spiel für den C64, sondern für den VIC-20 – im deutschsprachigen Raum auch als VC-20 bekannt. Das ist der Vorgänger des C64, und er kann mit meiner Nachbildung «The C64» ebenfalls emuliert werden. Auf dem Original-C64 laufen VIC-20 Spiele nicht.

Eigentlich für Spiele ungeeignet

Mit anderen Worten: Der VIC-20 hat nicht viel mehr Rechenleistung als dein Toilettenpapierhalter.

Eine Ansteuerung einzelner Pixel ist auf dem VIC-20 sowieso nicht möglich. Die Maschine kennt keinen Grafikmodus; sie kann nur Buchstaben, Zahlen und andere Zeichen darstellen. Angesichts des winzigen Arbeitsspeichers verständlich. Aber wie will man so grafische Spiele programmieren?

Viel häufiger als mit dem Standard-Zeichensatz arbeiten Games mit eigenen, angepassten Zeichensätzen. So kommen durch die Hintertür dennoch pixelgenaue Grafiken auf den VIC-20. Figuren oder grössere Grafiken setzen sich aus einem oder mehreren Zeichen zusammen.

Vieles wird dadurch schwieriger als mit einem richtigen Grafikmodus. Um die Bewegung flüssig aussehen zu lassen, wäre es nötig, eine Figur pixelweise statt zeichenweise zu verschieben. Dafür müsste man aber für jede Figur alle Zwischenstufen zwischen zwei Zeichenpositionen als separate Zeichen hinterlegen. Die Menge der dafür nötigen Zeichen beisst sich mit dem Mikro-Arbeitsspeicher des VIC-20.

Angesichts dieser Umstände ein 3D-Spiel zu programmieren, grenzt an Wahnsinn.
Doch der Wahnsinn hat Methode.

Das Unvermeidliche: Doom auf dem VIC-20

Drucker, Bankomaten oder alte Handys haben mehr Leistung als der VIC-20. Und beim Schwangerschaftstest wurden sowohl der Bildschirm als auch der Prozessor ausgetauscht. Somit sticht der VIC-20-Port selbst in diesen komplett verrückten Doom-Portierungen noch als besonders ehrgeizig heraus.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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