
Kritik
«Avatar: The Way of Water»: Du glaubst, alles gesehen zu haben? Denk nochmal drüber nach
von Luca Fontana
Neuer Monat, neue Streaming-Tipps. Ob Netflix, Disney+, Apple TV+ oder Prime Video: Hier erfährst du, was diesen Juni auf den Streaming-Diensten läuft.
Warum sollte man nie Cola und Bier gleichzeitig trinken? Weil man dann colabiert. Was aber auf jeden Fall geht, ist, sich meine neuesten Serien- und Film-Tipps anzuschauen. Und dann in die Kommentarspalte zu schreiben, welche Serien und Filme ich vergessen habe.
Für einmal dauerte es etwas länger als die mittlerweile zum Industrie-Standard gewordenen 45 Tage, ehe ein Kinofilm in die weltweiten Streaming-Kataloge zum Kaufen oder Leihen wechselte. Fast ein halbes Jahr, genau gesagt. Wohl, weil Disney den andauernden Kinoerfolg nicht durch einen zu frühen Streaming-Release kannibalisieren wollte. Mittlerweile hat «Avatar: The Way of Water» ganze 2,3 Milliarden US-Dollar an den Kinokassen eingespielt – nur «Avengers: Endgame» und der erste «Avatar»-Film waren erfolgreicher. Kommen sehen habe ich den Erfolg nicht. Zu viel Zeit ist seit 2009 vergangen, als der erste Film mich in die immersive Welt Pandoras entführte. Ich dachte, der Hype wäre durch. Die Fantasie ausgebrannt. Die Faszination gestorben.
Ich habe falsch gedacht.
«Eine Sekunde. Genau so lange braucht Regisseur James Cameron, um mich und mein gesamtes Mindset zurück nach Pandora zu bringen», schrieb ich im Review oben. Cameron ist ein Meister seines Fachs. Kaum einer versteht das Medium «Kino» so gut wie er. Denn es sind nicht die originellsten Geschichten oder raffiniertesten Dialoge, die seine Filme auszeichnen – Qualitäten, ja, aber Qualitäten, die auch zu Hause bei «Netflix and Chill» funktionieren. Es sind die grossen Momente, die geradezu nach «Das musst du im Kino gesehen haben!» schreien. Regisseure, die Filme dieser Art machen, gibt es nicht mehr viele. Chris Nolan vielleicht. Oder Denis Villeneuve. Gareth Edwards würde ich auch noch dazuzählen. Aber sonst?
Start: 7. Juni
Wo: Disney+
Unheimlich. Einfach nur unheimlich. Nicht, weil «The Crowded Room» eine Horror-Serie im klassischen Sinne wäre. Aber weit weg vom Genre ist sie nicht. Und Tom Holland scheint sein meist übertrieben nervöses Schauspiel endlich auf ein neues Niveau zu hieven. Gesehen habe ich das bisher selten. Zuletzt 2020 in Netflix’ «The Devil All The Time» – grossartiger Film. Darum freue ich mich umso mehr auf «The Crowded Room».
Worum es geht? Die Mini-Serie erzählt die fiktive Geschichte des Danny Sullivan, der nach seiner Verwicklung in eine Schiesserei von Polizistin Rya Goodwin (Amanda Seyfried) vernommen wird. So kommt Rya – und damit wir als Publikum – Sullivans Lebensgeschichte nach und nach auf die Spur. Und bald wird klar, dass er noch viel mehr Geheimnisse verbirgt, von denen nicht einmal sein kranker Geist selbst weiss.
Wie gesagt: Danny Sullivan ist ein fiktiver Charakter. Seine Geschichte basiert aber auf der wahren Story des Billy Milligan. Die verrate ich an dieser Stelle natürlich nicht. Und willst du dir den Film anschauen, ohne das Ende bereits zu kennen, rate ich dir, auch nicht auf den Link da oben zu klicken.
Start: 9. Juni
Wo: Apple TV+
Wer kennt sie nicht, die extra-scharfen Snacks von Cheetos – selbst hier in Europa? Die kleinen, roten Stängel sind einfach Kult. Hierzulande wohl wegen der beinahe alljährlich wiederkehrenden Super-Bowl-Werbungen. In Ländern, wo’s die Snacks tatsächlich gibt, kennt man sie, weil sie einfach nur verdammt scharf sind. Jetzt bekommen die Stängel-Chips ihren eigenen Film. Oder besser: Ihr Erfinder bekommt einen Film. Nämlich Richard Montañez.
Wer ist Richard Montañez? Geboren wurde er in einer mexikanisch-amerikanischen Einwanderer-Familie in Kalifornien. Als eines von zehn Geschwistern wuchs er in einem Wanderarbeiterlager ausserhalb von Los Angeles auf. Später brach er die Schule ab und wurde Hilfsarbeiter, ehe er 1976 im Alter von 18 Jahren Hausmeister beim amerikanischen Chips-Unternehmen Frito-Lay wurde. Dort gelang ihm ein ausserordentlicher Coup: Als eine Cheetos-Maschine kaputt ging, nahm Montañez eine Ladung geschmacksneutraler Snacks mit nach Hause und würzte sie mit mexikanischen Gewürzen – also richtig, richtig scharf. Den wachsenden Latino-Markt vor Augen, pitchte er die Idee dem damaligen CEO Roger Enrico. Der nahm die Idee auf und lancierte sie auf einen Testmarkt in Los Angeles. Der Erfolg war so durchschlagend, dass es 1992 zur landesweiten Einführung kam. Mittlerweile sind die Snacks Kult, und manche behaupten sogar, dass Flamin’ Hot Cheetos das Unternehmen Frito-Lay vor dem damals drohenden Untergang gerettet habe.
Vom Immigranten, über den Hausmeister, zum Unternehmensretter: Wenn das mal nicht der amerikanische Traum ist.
Start: 9. Juni
Wo: Disney+ (Star)
Na, endlich. Ganze vier Jahre hat uns Netflix auf die nächste Staffel warten lassen. In einer der besten Anthology-Serien überhaupt werden fünf voneinander unabhängige Kurzgeschichten erzählt. Was «Black Mirror» so populär macht? Wohl die oftmals unheimlich genauen Vorhersagen einer technologischen Zukunft, die wir hätten kommen sehen sollen, weil sie gar nicht so weit von unserer aktuellen Realität entfernt ist. Dazu eine gehörige Portion Gesellschaftskritik, die meist voll ins Schwarze trifft.
2016 etwa feierte die Episode «Nosedive» aus der dritten Staffel Premiere. Darin ging’s um eine Gesellschaft, in der sich Menschen gegenseitig Ratings geben. Für das Aufhalten einer Tür. Für ein freundliches Lächeln. Gutes Aussehen. Kuchen. Je besser das persönliche Rating, desto besser der soziale Status und desto umfangreicher der Zugang zu staatlichen und institutionellen Services. Fällt das Rating unter einem bestimmten Wert, werden entsprechende Rechte entzogen – bis hin zum kompletten sozialen Ausschluss. Was dazu führt, dass Menschen in der Öffentlichkeit eine nie endende falsche Fassade ihres möglichst optimalen Selbst aufrechterhalten, in ständiger Angst leben, von anderen (ab)gewertet zu werden. Klingt doch gar nicht so viel anders, als was wir bereits heute in unseren sozialen Medien tun?
Start: 15. Juni
Wo: Netflix
Unter «Star Trek»-Fans herrscht Unruhe. Gerade älteren Generationen, die mit Ikonen wie James T. Kirk oder Jean-Luc Picard aufgewachsen sind, fällt es schwer, mit den jüngeren und moderneren «Star Trek»-Serien warm zu werden. «Discovery» etwa. Oder die Kinofilme der Kelvin Timeline. Von «Nu Trek»-Schrott ist da oftmals die Rede. Selbst das von Patrick Stewart produzierte «Picard»-Spin-off musste sich ab der zweiten Staffel heftige Kritik gefallen lassen.
Dann aber die grosse Überraschung: Eine «Nu Trek»-Serie hat’s tatsächlich geschafft, alle Fans zu vereinen: «Strange New Worlds». Was sie richtig macht? Sie nimmt das Beste aus Star- und Nu-Trek und mixt es gekonnt zusammen. Namentlich die episodische Monster-of-the-Week-Struktur, wie sie die originale Star-Trek-Serie der 1960er-Jahre zelebrierte. Allerdings mit wiederkehrenden Themen, was bereits «The Next Generation» aus den 1990ern richtig gemacht hat. Dazu die frische, moderne Optik aus den Nu-Trek-Serien. Das Beste daran ist aber der unheimlich sympathische Cast rund um Anson Mounts Captain Christopher Pike. Der war gemäss «Star Trek»-Lore der erste Captain der U.S.S. Enterprise, ehe James T. Kirk ihm schliesslich nachfolgte. Für «Trekkies» ist die zweite Staffel darum Pflicht.
Start: 15. Juni
Wo: Paramount+
Chris Hemsworths «Extraction» war – zusammen mit «6 Underground» – der Beginn einer neuen Ära bei Netflix. Nicht, dass der Streaming-Gigant zuvor keine Filme produzierte. Aber «Extraction» war einer der ersten grossen Action-Blockbuster des Hauses, die genauso gut im Kino hätten laufen können – ja, vielleicht sogar eher auf die grosse Leinwand als auf den kleineren heimischen TV gehört hätten.
«Extraction» entwickelte sich indes zum meistgeschauten Netflix-Film des Unternehmens, der den Weg für ähnlich bombastische Filme wie «The Grey Man» und «Red Notice» ebnete. Was «Extraction» besonders macht, sind seine sauber gefilmten und höchst kreativen Action-Choreos wie in «John Wick», aber vermischt mit der brachialen Gewalt und dem hin und wieder überbordendem Bombast eines Michael-Bay-Films. Action-Herz, was willst du mehr?
Start: 16. Juni
Wo: Netflix
Einst lebten die reptilienartigen Skrulls auf ihrem Heimatplaneten Skrullos. Aber als das Kree-Imperium verlangte, ihre Welt der Herrschaft der Kree zu unterwerfen, widersetzten sich die stolzen Skrulls – und bezahlten mit der Zerstörung ihrer Heimatwelt. Nur ein paar Tausend überlebten den Genozid. Fortan nutzten sie ihre gestaltwandlerischen Fähigkeiten, um auf fremden Planeten Zuflucht zu finden und sich unter die Bevölkerung zu mischen. Auch auf der Erde.
Ihr Plan? Einfach zu überleben. Zumindest, bis eine fanatische Skrull-Gruppe in ihrem religiösen Eifer befindet, dass die Erde rechtmässig ihnen zusteht. So fädeln sie einen hinterlistigen Plan ein, in dessen Zuge die Erde infiltriert und insgeheim Avengers durch Skrull-Doppelgänger ersetzt werden – um dann eine geheime Invasion zu starten.
So zumindest die Comics. Die «Secret Invasion»-Geschichte wurde dort zwischen 2008 und 2009 erzählt und gilt als eine der besten Comic-übergreifenden Arcs überhaupt. Den grossen Reiz macht nämlich die Frage aus, wem wir als Lesende überhaupt noch trauen können. Schliesslich konnte sich jede – und zwar wirklich jede – Figur plötzlich als böser Skrull entpuppen. Selbst Iron-Man oder Captain America. Und was mit den «echten» Charakteren in den letzten Jahren passiert war – ob sie überhaupt noch lebten –, galt es herauszufinden. Das in Serienform zu adaptieren, dürfte eine Mammut-Herausforderung sein. Aber Showrunner Kyle Bradstreet – Emmy-nominiert für sein Wahnsinnswerk «Mr. Robot» – traue ich nichts Geringeres als die beste MCU-Serie aller Zeiten zu. In diesem Sinne: Hello, friend.
Update 14. Juni, 18:00 Uhr:
Ab sofort ist mein Review zu den ersten beiden Folgen online. Enjoy!
Start: 21. Juni
Wo: Disney+
Er gilt als Liebling der «The Witcher»-Fans und als einer der «ihren»: Schauspieler Henry Cavill, der in seiner Freizeit Computer baut und beinahe seine Rolle als Superman verpasste, weil er mitten in einem «World of Warcraft»-Raid» den Hörer nicht abnahm. Nunmehr ist klar, dass die dritte «The Witcher»-Staffel die letzte sein wird für ihn.
Schuld daran dürfte die Richtung sein, die die Serie vor allem gegen Ende der zweiten Staffel genommen hat. Cavill gilt nämlich als grosser Fan der Bücher von Autor Andrzej Sapkowski und Verfechter einer möglichst buchgetreuen Adaption. Tatsächlich sagte Showrunnerin Lauren Schmidt-Hissrich einst, dass sich die Serie vor allem an den Büchern, nicht an den populären Games halten würde. Mittlerweile scheint niemandem irgendwas des Quellmaterials mehr heilig zu sein. Das bestätigte auch Witcher-Co-Autor Beau DeMayo, der preisgab, dass einige seiner Kollegen nicht nur die Bücher, sondern auch die Games regelrecht hassen. Zu viel für Cavill, der die Reissleine zog und «The Witcher» nach dieser dritten Staffel verlässt.
Start: 21. Juni
Wo: Netflix
Es ist weniger die Story, die diese Serie interessant macht, sondern mehr deren Konzept. Denn «Hijack» ist ein Thriller, der in Echtzeit die Geschichte eines entführten Flugzeugs auf seinem siebenstündigen Flug nach London erzählt. Jede der sieben Folgen entspricht dabei einer Stunde und wird in Echtzeit erzählt – ähnlich wie damals in der Kultserie «24». Während die Behörden am Boden verzweifelt versuchen, herauszufinden, was in dem entführten Flugzeug vor sich geht, ist es an Bord der Maschine Schauspieler Idris Elba, der den Widerstand gegen die Entführer plant. Seine Prämisse: Lass sie glauben, sie hätten die Kontrolle …
Start: 28. Juni
Wo: Apple TV+
Spätestens seit Netflix’ Animationsfilm «Klaus» aus den spanischen SPA Studios bin ich grosser Fan davon, Netflix-Animationsfilmen eine Chance zu geben. Voilà: Vorhang auf für «Nimona», basierend auf die gleichnamigen und von der Kritik gefeierten Comic-Büchern.
Ursprünglich wurde der Film vom «Ice Age»-Studio Blue Sky produziert und hätte 2020 in die Kinos kommen sollen. Aber Verschiebungen standen dem Release im Weg: Zuerst kaufte Disney 20th Century Fox, das Mutterhaus von Blue Skye. Dann kam die Pandemie, die das Animationsstudio nicht überlebte; im April 2021 wurde es geschlossen. Schliesslich nahm sich Filmstudio Annapurna Pictures dem Projekt an, gab es «Ron’s Gone Wrong»-Studio DNEG Animation zur Fertigstellung und verkaufte die Vertriebsrechte an Netflix. Und wir dürfen uns auf einen neuen Animationsfilm freuen.
Start: 30. Juni
Wo: Netflix
Abenteuer in der Natur zu erleben und mit Sport an meine Grenzen zu gehen, bis der eigene Puls zum Beat wird — das ist meine Komfortzone. Zum Ausgleich geniesse ich auch die ruhigen Momente mit einem guten Buch über gefährliche Intrigen und finstere Königsmörder. Manchmal schwärme ich für Filmmusik, minutenlang. Hängt wohl mit meiner ausgeprägten Leidenschaft fürs Kino zusammen. Was ich immer schon sagen wollte: «Ich bin Groot.»