Kritik

«Spider-Man: Across the Spider-Verse»: Ein atemberaubender und bombastischer Ritt durchs Multiversum

Patrick Vogt
31.5.2023

«Spider-Man: Across the Spider-Verse» zündet ein Feuerwerk mit allen Komponenten, die schon seinen oscarprämierten Vorgänger ausgezeichnet haben und so grossartig machen. Für die ganz grossen Emotionen hat's bei mir dennoch nicht gereicht.

Spider-Man ist und war schon immer einer meiner liebsten Superhelden. Als Kind und früher Jugendlicher verschlang ich die Comics regelrecht. Zwischendurch herrschte zwischen mir und den Superheldinnen und Superhelden auch einige Zeit Funkstille. Das änderte sich spätestens 2002, als ich 25 Jahre alt wurde und Sam Raimi’s «Spider-Man» ins Kino kam.

Auch wenn ich mit Tobey Maguire als Peter Parker irgendwie nie ganz warm wurde, so warf mich der Film doch zurück in meine Kindheit. Er erinnerte mich an all die faszinierenden, spannenden und unbeschwerten Stunden, die mir Superhelden-Comics – vor allem die von Spider-Man – beschert hatten. Seither bin ich wieder voll dabei, jedenfalls wenn’s um Filme oder Serien aus den Welten von Marvel und DC geht. Und nachdem mich schon «Spider-Man: Into the Spider-Verse» aus den Socken gerissen hatte, war völlig klar, dass ich mir die Fortsetzung keinesfalls entgehen lasse. Und es hat sich gelohnt: Die Macherinnen und Macher liefern mit «Spider-Man: Across the Spider-Verse» erneut ab, und wie!

An dieser Stelle sei gesagt: Du kannst bedenkenlos weiterlesen. Die folgende Filmkritik enthält keine Spoiler. Du erfährst hier nicht mehr, als ohnehin schon bekannt und in Trailern zu sehen ist.

«Spider-Man, Spider-Man, does whatever a spider can»

Seit den Geschehnissen aus «Spider-Man: Into the Spider-Verse» ist ein gutes Jahr vergangen. Miles Morales kümmert sich als freundliche Spinne aus der Nachbarschaft um Ruhe und Ordnung in Brooklyn.

Die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft ist wieder da.
Die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft ist wieder da.
Quelle: Sony / Marvel

Im richtigen Leben schlägt er sich mit Sachen rum, die einen 15-Jährigen nunmal beschäftigen, typische Struggles eines Teenagers halt: Mutter und Vater, die ihn nicht verstehen, die eigene Zukunft … und dann wäre da auch noch Gwen Stacy aka Spider-Woman aus dem ersten Teil. Sie geht Miles einfach nicht mehr aus dem Kopf, auch wenn die beiden buchstäblich Welten trennen.

Gwen wiederum arbeitet mittlerweile in geheimer Mission und hat im Multiversum alle Hände voll zu tun. Als sie dabei auf Miles Erde landet, kommt es zum Wiedersehen.

Upside down, Girl you turn me…
Upside down, Girl you turn me…
Quelle: Sony / Marvel

Als Miles erfährt, für wen Gwen arbeitet, kommt es, wie es kommen muss: Er gerät auf einen wilden Ritt durch die verschiedensten Welten. Dabei trifft er auf alte Bekannte und neue Verbündete, mit denen er mehr gemeinsam hat, als er dachte. Gleichzeitig braut sich eine Gefahr zusammen, die verheerende Folgen für das ganze Multiversum haben könnte. Und je weiter sich Miles dabei von seinen Liebsten entfernt, desto mehr wird es für ihn eine Reise zu sich selbst.

This Rodeo is going to be a wild one.
This Rodeo is going to be a wild one.
Quelle: Sony / Marvel

Von «Into» zu «Across»

«Spider-Man: Into the Spider-Verse» kam Ende 2018 ins Kino und war in mehrfacher Hinsicht bahnbrechend. Der eigenwillige und bis dato ziemlich einzigartige Animationsstil wähnt einen zurück in die guten, alten Comics. Dazu der unverschämt auserlesene Soundtrack, der Groove und Vibe des pulsierenden Brooklyn kaum besser einfangen und wiedergeben könnte. Und dann wäre da natürlich die ganze Geschichte um den frischen und unverbrauchten Miles Morales, der unverhofft zu Spider-Man wird und dabei Spider-Persönlichkeiten aus anderen Welten kennenlernt.

«Into the Spider-Verse» räumte zu Recht haufenweise Preise ab, darunter sowohl den Oscar als auch den Golden Globe als bester Animationsfilm. Eine Fortsetzung war bei diesem Erfolg nur eine Frage der Zeit. Diese ist mit «Across the Spider-Verse» nun endlich da, nachdem die Premiere pandemiebedingt um über ein Jahr verschoben wurde. Ob sich das Warten gelohnt hat?

Oh, ja! Der zweite Teil des Spider-Man-Franchise um Miles Morales macht all das richtig, was schon den ersten Teil ausgezeichnet hat. Die Animationen begeistern und sind noch vielfältiger und ausgefallener. Auch beim Soundtrack scheint man erneut nichts dem Zufall überlassen zu haben; ich habe Brooklyn gefühlt und gehört.

Passend zu den begeisternden Bildern und der stimmigen Musik erzählt «Across the Spider-Verse» die Geschichte von Miles Morales durchweg unterhaltsam weiter. Rote Fäden aus dem ersten Teil werden wieder aufgegriffen und verwoben. Erzählt wird erneut mit viel Witz, Leichtigkeit und vor allem: Action! Es werden Fäuste geschwungen, in Hintern getreten und Spinnenfäden geschleudert, soweit das Auge reicht. Das macht beim Zuschauen einen Heidenspass, zumal es den Anschein macht, als wären der Kreativität der Macherinnen und Macher keine Grenzen gesetzt worden. Ohne zu viel zu verraten: So viele Spider-Männer, -Frauen und -Tiere habt ihr bestimmt noch nie gesehen, Gastauftritte und Cameos inklusive.

Wenn das Meme «Realität» wird.
Wenn das Meme «Realität» wird.

Aller Leichtigkeit und Action zum Trotz erhält Miles Morales im zweiten Teil auch etwas mehr Tiefgang. Aus dem «jugendlichen Leichtsinn» in «Into the Spider-Verse» entspinnt sich nun eine Art «Coming of Age»-Geschichte, was mir persönlich gefällt. Die Geschehnisse im ersten Teil haben Miles zweifellos reifen lassen, sowohl als Mensch als auch als Spider-Man. Nun sucht er seinen Platz in der Gesellschaft beider Welten. Dazu kommt, dass sein Doppelleben enorm anspruchsvoll ist. «With great power comes great responsibility», wie alle Spidey-Fans wissen. Und diese Verantwortung zu schultern, ist gerade für einen 15-Jährigen alles andere als leicht.

Was mich zu meiner eigenen Überraschung irgendwie nicht abgeholt hat, waren die vermeintlich traurigsten Szenen. Überraschung deshalb, weil mir bei Rührseligkeiten erfahrungsgemäss sonst sehr schnell die Tränen in die Augen schiessen. Möglicherweise waren diese Szenen zu sehr darauf angelegt oder vorhersehbar, ich kann es selbst nicht wirklich erklären.

Fazit: Her mit dem dritten Teil!

Das ändert nichts daran, dass ich von «Spider-Man: Across the Spider-Verse» begeistert bin. «Höher, schneller, weiter!», scheinen sich die Macherinnen und Macher nach dem ersten Teil gedacht zu haben. Diese Strategie ist aus meiner Sicht voll aufgegangen. Jetzt müssen sie nur aufpassen, dass sie es beim nächsten Mal – 2024, wenn die bereits angekündigte Fortsetzung «Beyond the Spider-Verse» in die Kinos kommt – nicht vollends übertreiben. Nah dran sind sie bereits. Schliesslich hat der Film eine stolze Spielzeit von zwei Stunden und 20 Minuten. Bei zu viel Dauerbombast kann das ermüden.


«Spider-Man: Across the Spider-Verse» läuft in der Deutschschweiz und im Tessin ab dem 1. Juni 2023 im Kino, in der Romandie schon ab dem 31. Mai. Laufzeit: 140 Minuten. Freigegeben ab 10 Jahren, empfohlen ab 12 Jahren.

Titelfoto: Sony / Marvel

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Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen. 


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