Hintergrund

SnowHaze – Der sichere Browser, von Schweizer Studenten entwickelt

Die Idee kam den Studenten um Yvan Monneron auf einer Wanderung nach einer Diskussion über die Privatsphäre. Jetzt ist er Teilhaber einer GmbH und Mitgründer des Projekts SnowHaze, einem sicheren Browser für Apples iOS-Plattform.

Wenn Studenten auf Wanderung gehen

Yvan sitzt im T-Shirt und Shorts auf dem Sofa im digitec-Office. In seiner Hosentasche: ein iPhone. Denn dort lebt sein Produkt, sein Browser, SnowHaze. «Wir wollten einen Browser machen, der den Datenschutz einfach zugänglich macht und in den Vordergrund stellt», sagt er.

Warum?

«Die meisten Browser scheren sich von Haus aus nicht um die Privatsphäre der Nutzer», sagt er. Browser können zwar nachgerüstet werden, unter Chrome sind das Plugins wie NoScript, AdBlock Plus oder Ghostery und andere Browser sind auch so aufgestellt. Doch das bedingt, dass sich ein Nutzer aktiv mit dem Thema beschäftigt, Wissen hat und dann auch noch die Fähigkeit, Plugins zu installieren und in Betrieb zu nehmen.

«Die Sache ist die: Deine Daten werden überall vermarktet und auf ewig irgendwo genutzt», sagt Yvan. Seine Stimme wird lauter, er wird leidenschaftlich. Denn diese Erkenntnis ist diejenige, die einst dazu geführt hat, dass er und sein Team SnowHaze, mittlerweile eine GmbH, erschaffen haben. «Wir waren in den Semesterferien auf einer Wanderung und haben darüber diskutiert, wohin all die Daten, die wir verteilen, gehen.» Der Grundstein für SnowHaze war gelegt.

SnowHaze sieht aus wie jeder andere Browser auch und funktioniert mit Ausnahme der Einstellungsfreiheit auch genau gleich

Metadaten als Gefahr

Chrome ist gratis, Facebook ist gratis und Treuekarten wie Migros Cumulus und die Coop Supercard sind gratis. Doch sind sie das wirklich? «Nein, denn Daten sind in der heutigen Welt eine wertvolle Ressource», sagt Yvan. Der 22jährige erklärt. Er erklärt das anhand der Coop Supercard, die genau gleich funktioniert wie die Migros Cumulus Card.

  • Die Coop Supercard wird bei jedem Einkauf eingescannt
  • Die Coop Supercard hat eine Nummer, die deinem Namen zugeordnet ist
  • Somit kann eine Karte einem Einkauf zugeordnet werden
  • Coop kann also analysieren, was du kaufst

Es fällt Coop ein leichtes, festzustellen, was Menschen in einem gewissen Alterssegment kaufen, denn die Daten hast du ihnen bei der Bestellung der Supercard ausgehändigt

Die persönlichen Daten im Bestellformular

Angenommen, du bist 30 Jahre alt. Dann könnte dein Einkauf unter anderem folgenden Markern zu Analysezwecken zugeschrieben werden:

  • Filiale
  • Alterssegment
  • Berufstätig ja/nein? ← Basiert auf Einkaufszeit
  • Geschlecht: Männer kaufen selten Tampons, Frauen selten Aftershave
  • Beziehungsstatus: «Schatz, kannst du mir schnell ein Aftershave kaufen?»

«Wenn wir Google oder Chrome oder Safari verwenden, passiert nichts anderes», sagt Yvan. Unsere Daten werden gesammelt, analysiert und zu Werbezwecken verkauft. Sei das nun vom Browser selbst oder von Websites, die wir als User besuchen. «Und genau gegen diese Daten tut kein Browser etwas», sagt Yvan.

Wenn du noch mehr über Metadaten hören willst, hier ein Talk, der thematisiert, was alles mit Metadaten angestellt werden kann.

Das Beispiel mit der Kundenkarte im Supermarkt

Tatsächlich finden sich in den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Supermarkt-Kundenkarten zahlreiche Hinweise auf Datenkorrelation. Die folgenden Zitate sind am 30. Mai 2017 den AGBs auf supercard.ch entnommen worden.

Daraus zieht Yvan einen Schluss, der im Internet unter Privatsphären-Aktivisten schon seit Jahren ein Mantra ist: Wenn es gratis ist, dann bist du nicht der Kunde. Du bist das Produkt, das verkauft wird.

Original von Oliver Widder

Bemerkenswert an den AGBs der Supercard ist übrigens auch, dass nirgendwo in der Anmeldung Daten zur Haushaltsgrösse, dem Hausbesitz und der Einkommensklasse abgefragt werden. Diese Daten werden aus deinen Einkäufen abgelesen.

Die Cumulus-Karte der Migros funktioniert übrigens genau gleich, aber die AGB sind nicht so ausführlich aufgeschlüsselt.

Genau dasselbe, so hält Yvan fest, geschieht auch mit Daten, die Nutzer bei Facebook, Reddit, Google und sonst überall hinterlassen. Bei digitec auch, übrigens.

Die Kontrolle in den Nutzerhänden

Darum also SnowHaze. Der Browser, basierend auf Apples Webkit, bringt die Sicherheitsoptionen nahe an den User. Auf dem iPhone genügt ein Klick auf das Zahnrädchen auf dem Screen und die Sicherheitsoptionen sind da. «Uns ist wichtig, dass die Optionen wirklich Optionen sind», sagt Yvan. Es ginge darum, dass die User eine informierte Entscheidung treffen können, wie viel von ihrer Privatsphäre sie aufgeben wollen.

SnowHaze erklärt alle Einstellungen leicht verständlich

Kurz: Mit SnowHaze können auch IT-Security-Unbetuchte verstehen, was JavaScript tut und warum es eine Gefahr sein kann.

Aber: JavaScript wird nicht von Haus aus zwingend blockiert. Denn die Wahl, ob du JavaScript willst oder nicht, liegt bei dir. Mit einem ganz normalen Schieber kannst du JavaScript ein- oder ausschalten.

Der Ritterschlag von den Experten

Der Podcast gilt unter Security- und Privatsphärenaktivisten als einer der grossen Informationsquellen, wo Unterhaltung klein, Wissen dafür aber gross geschrieben wird. Und in der zehnten Episode empfehlen die zwei Moderatoren ab dem Marker 46:40 SnowHaze und loben die Einstellungsvielfalt.

Mein neuer iOS Homescreen. Anders würde ich das nicht mehr wollen

Doch bevor er sich Gedanken über eine allfällige Android-Version machen kann oder über Investoren, ist Yvan wieder Student: «Das Semesterende steht bevor. Jeder Student ist dann mit Uni-Stress beschäftigt».

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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