
Meinung
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von Philipp Rüegg
Winzige Fluggeräte könnten eines Tages Blüten bestäuben oder nach Vermissten suchen. Doch bislang waren sie nicht in der Lage, sicher zu landen. Forschende haben sich nun die langen Beine von Schnaken zum Vorbild genommen.
Sie heisst zwar RoboBee, also Roboterbiene, doch mit dem schwarz-gelb gestreiften Hautflügler hat die Minidrohne auf den ersten Blick wenig zu tun. Das winzige, autonom umherschwirrende Fluggerät erinnert eher an eine Schnake. Das hat vor allem damit zu tun, dass das Maschinenwesen zwar schon fliegen, tauchen und schweben kann wie ein echtes Insekt – nur mit der Landung haperte es bislang. Die Lösung: Lange, gelenkige Beine wie die von Schnaken oder Weberknechten, die ihm den Übergang von der Luft zum Boden erleichtern und ein sanftes Aufsetzen ermöglichen. Das berichtet ein Forschungsteam von der Harvard School of Engineering jetzt im Fachmagazin «Science Robotics». Videos zeigen, dass es ihnen gelungen ist, das künstliche Insekt von einem Pflanzenblatt aus starten und dort auch wieder landen zu lassen.
Neben den langen Beinen hat der Roboter auch eine aktualisierte Steuerung erhalten, die ihm hilft, beim Anflug abzubremsen. Diese Verbesserungen schützen die empfindlichen piezoelektrischen Aktoren der RoboBee, die bei unsanften Landungen und Kollisionen leicht brechen können. «Früher mussten wir sie bei der Landung kurz über dem Boden abschalten, einfach fallen lassen und beten, dass sie aufrecht und sicher aufkommt», sagt der Ingenieur und Mitautor Christian Chan in einer Pressemitteilung. Problematisch war die Landung auch deshalb, weil das Flugobjekt so klein und leicht ist. Es wiegt nur ein Zehntel eines Gramms und hat eine Flügelspannweite von drei Zentimetern. Mit dem Flügelschlag erzeugt die Drohne Luftwirbel, die ihr ausgerechnet in Bodennähe die Stabilität nehmen.
Um das Problem zu beheben, haben sich Christian Chan und sein Kollege Nakseung Hyun bei der Neukonstruktion der Landeeinheit von der Natur inspirieren lassen. Geeignete Beine fanden sie in der biologischen Überfamilie der Tipuloidea. Dazu gehören unter anderem Moosmücken, Stelzmücken und Schnaken. «Das Verhältnis von Spannweite zu Körpergrösse unserer RoboBee ähnelte schon vorher dem der Tipuloidea», erklärt Chan. Sie stellten fest, dass die Insekten über lange, gegliederte Fortsätze verfügen, die ihnen wahrscheinlich die Fähigkeit verleihen, ihre Landungen abzudämpfen. Anhand von Exemplaren aus der Datenbank des Harvard Museum of Comparative Zoology erstellte das Team Prototypen verschiedener Beinarchitekturen und entschied sich für ein Design, das der Beinsegmentierung und Gelenkanordnung der Tipuloidea ähnelt.
Die winzige Grösse und die insektenähnlichen Flugfähigkeiten der RoboBee, die bereits seit 2012 entwickelt und fortlaufend verbessert wird, bieten faszinierende Möglichkeiten für künftige Einsatzgebiete, einschliesslich des Umweltmonitorings und des Katastrophenschutzes. Eine von Chans Lieblingsanwendungen, so heisst es in der Mitteilung, sei die künstliche Bestäubung. Die Vorstellung, dass eines Tages Schwärme von RoboBees autonom in Gärten und über Feldern herumschwirren, ist dann aber vielleicht doch eher etwas für Sciencefiction-Filme.
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