Kritik

Locke & Key ist fantasievoll, aber wenig gruselig

Luca Fontana
6.2.2020

«Locke & Key» kombiniert Fantasy und Horror, zumindest in seiner gefeierten Comicvorlage. Die Serie auf Netflix kämpft mit einem langweiligen Anfang und bietet wenig Grusel – liefert dafür eine spannungsgeladene zweite Hälfte ab.

Eines vorweg: In der Review gibt’s keine Spoiler. Du liest nur das, was aus den bereits veröffentlichten Trailern bekannt ist.


Was ich dir aber sicher sagen kann: Wie die Serie auf jemanden wirkt, der zuvor noch nie was von dieser verrückten Geschichte über mystische Schlüssel in einem anscheinend verfluchten Geisterhaus gehört hat. Schlüssel, die das Schicksal der Welt bedrohen. Und was auch immer du über sie zu wissen glaubst – eigentlich weisst du gar nichts.

Ein Hauch von «The Haunting of Hill House»

Rendell Locke (Bill Heck) ist tot. Grausam ermordet. Die Hinterbliebenen – seine Ehefrau und drei Kinder – suchen einen Neuanfang. Das Ahnenhaus der Locke-Familie, das Keyhouse, soll helfen, über den tragischen Verlust hinwegzukommen. Denn zu bleiben, wo die Tragödie passiert ist, kommt nicht in Frage.

Im Keyhouse angekommen ist es der zehnjährige Bode (Jackson Robert Scott), der als erster das Flüstern der Schlüssel hört, die alle im Keyhouse, wohlbehütet, verborgen sind. Nun, keine gewöhnliche Schlüssel. Es sind Schlüssel mit magischen Fähigkeiten. Einer verwandelt den Träger in einen unsichtbaren Geist. Ein anderer kann Türen öffnen, die einen überall hinbringen. Besitzergreifung, Gestaltwandlung und Reparatur sind andere Schlüssel-Kräfte.

Aber Bode und seine älteren Geschwister, Kinsey (Emilia Jones) und Tyler (Connor Jessup), müssen feststellen, dass die Schlüssel nicht alles sind, was sich im Keyhouse verbirgt. Bald schon macht eine hasserfüllte Kreatur (Laysla De Oliveira) Jagd auf die Kinder – und auf die Schlüssel.

Die Saga des Unverfilmbaren

So alt sind die «Locke & Key»-Comics von Autor Joe Hill – Sohn des Stephen King – und Zeichner Gabriel Rodriguez gar nicht. Der erste Comic erschien 2008. Versuche, die Vorlage zu adaptieren, gab es dennoch schon zu Hauf. Sie scheiterten alle.

Auftritt Netflix.

Aber eben. Da ist eine erste Hälfte, die vieles will, aber nicht so recht weiss, wo sie die Prioritäten setzen soll. Und eine Casting-Entscheidung, die nervt.

Die erste Staffelhälfte: Nicht so gruselig, wie gehofft

Die ersten vier, fünf Episoden – insgesamt sind da zehn à 50 Minuten – laufen in etwa so ab: Oh, da ist ein neuer Schlüssel. Was kann der wohl? Ah, das kann er. Super spassig, die Fähigkeit. Aber jetzt ist erstmal Zeit für Highschool-Mobbing-Drama. Ende.

Das wirkt wirr und uninspiriert.

Um noch eins draufzusetzen: Jackson Robert Scott als Bode Locke ist eine Fehlbesetzung.

Überhaupt: Wo bleibt der unheimliche Horror, für den die Dark-Fantasy-Comic-Serie so gerühmt wird?

In der Serie selbst ist wenig davon zu sehen. Wo in der Vorlage offenbar teils verstörend brutale Bilder à la «It», «Hellraiser» oder «Braindead» sind, erleiden die Charaktere in der Serie kaum mehr als ein, zwei Kratzer hie und da. Vom Feeling wie bei «The Haunting of Hill House», das Vorlage, Trailer und Inhaltsangabe versprechen, ist im Endprodukt kaum was zu sehen. Unheimlich ist hier mehr so im «Harry Potter»-Stil.

Da habe ich mir mehr erhofft.

Die zweite Staffelhälfte: Ein Crescendo bis zum Schluss

So zahm und uninspiriert – teils sogar nervig – die ersten Episoden gewirkt haben, so viel besser sind die letzteren.

Solche Momente streuen die Macher immer wieder ein. Dadurch bekommt die Geschichte eine Tiefe, die «Locke & Key» zu deutlich mehr macht als eine anspruchslose Fantasy-Story, die anfangs vergessen hat, spannend zu sein.

Das zieht sich bis zum Schluss der ersten Staffel so durch. Ein Steigerungslauf, den ich nach dem schwachen Start kaum zu erhoffen wagte.

Fazit: Eine Achterbahnfahrt, die zum Schluss die Kurve kriegt

In seinem Kern ist «Locke & Key» mehr Fantasy als Horror. Der Trailer und das Bisschen, was ich über die Comics im Vorfeld gelesen habe, haben mich etwas anderes hoffen lassen. Das viel grössere Problem als die unerfüllten Erwartungen ist allerdings die erste Staffelhälfte, die zahm, uninspiriert und oft einfach nur langweilig ist – da hilft auch die noch so optisch schön umgesetzte Magie nicht.

Zum Glück gibt’s da aber noch die zweite Hälfte, die einiges rausreisst. Gerade in Punkto Spannung, wenn ein Geheimnis nach dem anderen gelüftet wird und der grosse Zusammenhang endlich klar wird. Wenn das also die Richtung ist, in die eine durchaus mögliche zweite Staffel gehen würde – vielleicht noch einen ganzen Zacken gruseliger als die erste Staffel –, dann bin ich dabei.


«Locke & Key» läuft ab dem 7. Februar 2020 auf Netflix.

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Ich schreibe über Technik, als wäre sie Kino, und über Filme, als wären sie Realität. Zwischen Bits und Blockbustern suche ich die Geschichten, die Emotionen wecken, nicht nur Klicks. Und ja – manchmal höre ich Filmmusik lauter, als mir guttut.


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