Hintergrund

Razer Phone: Mein liebster Ziegel

Es ist gross, klotzig, minimalistisch und grossartig. Das Razer Phone beeindruckt von A bis Z. Mit Ausnahme von K wie Kamera-App. Denn die ist Schrott. Aber ich habe einen Fix gefunden.

Das Razer Phone ist gigantisch. Es ist eckig, massig und vom Design her sehr, sehr männlich. Das erstaunt nicht weiter, denn Razer – ein Konzern, der sich mit der Herstellung von Gaming Hardware einen Namen gemacht hat – hat seit Jahren hauptsächlich Gamer als Publikum. Wenn wir uns schnell eine Statstik ansehen, dann wird klar, dass Frauen im Online Gaming immer noch in der Minderheit sind, auch wenn sie in den vergangenen Jahren stark aufgeholt haben.

  • World of Warcraft: 77% der Spieler sind männlich
  • Dragon Age Inquisition: 52% männlich
  • Heroes of the Storm: 85% männlich
  • DOTA 2: 94% männlich
  • League of Legends: 86% männlich
  • StarCraft II: 95% männlich

Das auf Videogames spezialisierte Marktforschungsinstitut Quantic Foundry hat diese Zahlen im Jahr 2016 veröffentlicht und ist zum Schluss gekommen, dass über alle Genre und Plattform-Grenzen hinweg nur 18.5% der aktiven Gamer Frauen sind.

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Das widerspiegelt sich auch im Design der Gaming Hardware. Harte Kanten, Ecken, Vierecke und Dreiecke sind Designelemente, die typischerweise in maskulinen Produkten verwendet werden. Oder andersrum: Wenn etwas einem Mann gefallen soll, dann hat es Ecken, Kanten und Quadrate. Wenn eine Frau das Ding mögen soll, wird es abgerundet und mit Kreisen designt. Auf der Suche nach einem schönen PC Case ist meine Kollegin Léonie de Montmollin zu folgendem Fazit gekommen.

Das Angebot ist extrem «männlich» im Design: Viel Schwarz und Anthrazit, und wenn Farbe, dann gekoppelt mit Formel-1-Fahrzeug-Design (wieso?!). Ich bin zugegebenermassen nicht die Zielgruppe, und ich will auch nicht für rosafarbene Cases plädieren, aber gebt den Ästheten unter den PC-Nutzern doch gutes Design!
Léonie de Montmollin

Das Razer Phone kennt also sein Publikum. Damit habe ich bedingt ein Problem. Ich bin zwar gegen nichtssagendes Unisex-Design, das irgendwie für alle oder keinen gemacht ist, aber hier tut sich Razer keinen besonderen Gefallen.

Razer Phone (64 GB, Black, 5.70", Single SIM, 12 Mpx, 4G)
Smartphone

Razer Phone

64 GB, Black, 5.70", Single SIM, 12 Mpx, 4G

Das Razer Phone ist ein Gerät, an dem so ziemlich jede und jeder Freude haben wird.

Razer klotzt

Die Werbung für das Razer Phone könnte zielgruppenspezifischer nicht sein. Ein Fehler. Gaming, Gaming, Gamer können gamen, Gaming Gaming, blablabla. Ich als erklärter «Ich spiel dann und wann mal wieder was»-Gamer bin davon eingangs recht abgestossen. Ich baue zwar Super Nintendos selbst, aber dann ist es für mich irgendwie getan. Der Weg ist das Ziel und so.

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Aber hier bin ich zwiegespalten. Denn obwohl ich jetzt das Design und die Werbestrategie verteufelt habe, so ist die Schamlosigkeit des Razer Phones eines meiner liebsten Aspekte an dem Ding. Es ist ein Ziegel. Es ist schwer, gross und macht viel Krach. Und das macht es sehr, sehr gut. Warum hier also auf Unisex-Design zurückfallen oder irgendwie sonst die Core Message verwässern? Antworten habe ich keine, Gedanken aber viele.

Der Fingerprint Scanner an der Seite funktioniert überraschenderweise extrem gut

So, genug von Geschmack und Geschlecht. Warum tut sich Razer keinen Gefallen mit dem Marketing, das Gamern dieses Phone schmackhaft machen will? Das Razer Phone ist ein Gerät, das sehr wahrscheinlich Ende des Jahres nochmal auftauchen wird, in der Liste der Phones des Jahres. Denn die kommende Flaggschiff-Smartphone-Generation wird dem Razer Phone wohl weitgehend unterlegen sein.

Die Specs klingen absurd im Kontext dessen, was wir uns vom Smartphone-Markt gewöhnt sind. Wo sich andere Phones mit 4 Gigabyte RAM zufrieden geben und Szenebeobachter Telefone mit 6GB feiern, setzt Razer mit 8GB einen oben drauf. Dies gepaart mit dem stromsparenden Snapdragon 835 System on a Chip und einem 4000 mAh starken Akku lässt das Phone zu einem Biest werden, das seinesgleichen sucht.

Dazu noch der 120 Hertz Bildschirm, der das Bild auf deinem Screen 120 mal pro Sekunde neu aufbaut und so alle Animationen butterweich und sanft wirken lässt. Von der brachialen Kraft unter der Haube keine Spur.

Allgemein habe ich es im Test nie geschafft, das Phone auch nur ansatzweise zu stressen. Egal, was ich probiert habe – Games, Video, Apps, dann alles möglichst gleichzeitig –, das Razer Phone ist nie auch nur ansatzweise langsam geworden. Zu Beginn des Tests hat mich Kollege Philipp Rüegg gefragt, ob der Bildschirm mit seinen 120 Hertz, die zuerst manuell aktiviert werden müssen, nicht zu viel Akku frisst. Nein, Philipp, tut er nicht. Am Ende eines Arbeitstages habe ich zwischen 40 und 70 Prozent Akku vorig. Jüngst habe ich das Phone komplett entladen. Das hat etwa 48 Stunden gedauert, mindestens 12 davon habe ich mit Youtube auf Endlos-Playlist verbracht. Dann Taschenlampe.

Das Razer Phone ist unkaputtbar.

Das Leid mit der Kamera-App

Das Razer Phone hat aber eine grosse Schwäche: Die Kamera-App. Die App ist, genau wie beim Essential PH-1, zu schlecht für die verbaute Hardware.

Die Kamera-App im Razer Phone lässt arg zu wünschen übrig
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  • Es dauert mehrere Sekunden, bis ein HDR-Bild aufgenommen wird. Wehe, dein Motiv bewegt sich in dieser Zeit
  • HDR ist per default eingeschaltet, auch wenn das die Kamera unendlich viel langsamer macht
  • Kein künstlicher Bokeh-Effekt
  • Keine manuellen Einstellungen, die zwar andere Kameras auch nicht haben, aber ich erwarte das fast von einem Kraftpaket wie dem Razer Phone

Schlimmer noch. Seit dem jüngsten Update stürzt die App regelmässig ab. Was genau die Abstürze verursacht, habe ich nicht herausfinden können, denn Availability eines Services auf einem Phone ist für mich etwas vom Wichtigsten. Wenn die mitgelieferte Kamera-App nicht performt, oder eine andere App, dann bin ich in Kürze sauer.

Razer, da macht ihr ein Hammerphone, das die Flaggschiffe des vergangenen Jahres einfach mal so einstampft und dann verhunzt ihr eure Kamera? Gohts no?!

Die Lösung für die Kamera-App

Da Android aber mehr Plattform als Betriebssystem ist, steht es jedem und jeder frei, eigene Apps zu programmieren oder – sofern der Coder das erlaubt – andere Apps zu modifizieren. Google ist da in der Regel kulant. Daher haben findige Programmierer der Android-Community xda-developers die Kamera-App der Google-Pixel-Geräte für andere Android-Geräte zugänglich gemacht.

Auf dem Razer Phone installiert bietet die App, die du manuell installieren musst, folgendes:

  • RAW Support
  • Schnellere Bilder in HDR+
  • Ausgleich von oft vorkommenden Bildfehlern und Verzerrungen

Aber das Ganze hat einen Haken. Der Port der App ist nicht spezifisch für das Razer Phone gemacht. Daher kann es sein, dass die App etwas instabil läuft oder die Frontkamera gar nicht mehr angesprochen werden kann. Weiter unten versuche ich, die optimalen Settings für das Razer Phone zu finden. Denn der Port ist die Arbeit wert und das Phone an sich macht wieder viel Spass.

App Sideload: So geht's

Damit du eine App manuell installieren kannst – also ausserhalb des Google Play Stores – musst du das deinem Gerät zuerst erlauben.

  1. Geh in die Settings
  2. Geh auf Security
  3. Aktiviere Unknown Sources

Jetzt steht deinem Abenteuer mit dem sogenannten Sideloading nichts mehr im Wege. Aber bemerke: Die App, die wir hier auf das Razer Phone installieren ist nicht ausschliesslich für die Hardware des Geräts gemacht. Es kann also sein, dass die App instabil läuft.

Kamera-App scheisse? Kein Problem!

Ferner muss ich dich hier darauf hinweisen, dass wir von digitec keinerlei Haftung für allfällige Schäden an deinem Gerät übernehmen können. Auch können wir für solche Lösungen keinen Support bieten. Ich versuche, dir mein Wissen vollständig zu vermitteln, aber nachher bist du auf dich alleine gestellt.

Aber: Grossen Schaden anrichten kannst du mit dem Sideload der App nicht. Sollte wirklich nichts mehr gehen: App wieder deinstallieren, Phone neu starten, gut ist.

  1. Lade dir den Camera Port herunter
  2. Installiere die App
  3. Öffne die App
  4. Fertig

Jetzt kannst du eigentlich schon Fotos schiessen und du wirst schnell merken, dass die Kamera schneller ist und die Bilder weit weniger verschwommen kommen. Die Frage drängt sich auf: Warum zum Teufel kriegt das Razer nicht von Haus aus hin?

Du kannst die App auch zusätzlich noch konfigurieren. Laut xda developers User soonpark funktionieren die folgenden Einstellungen am besten:

  • Model: Pixel XL (corr)
  • Support Level Override: ZSL
  • Supported HW Level Back Camera: Full
  • Supported HW Level Front Camera: Level_3
  • Panorama Resolution: High
  • Save Location: On
  • Camera Shutter Sounds: Off
  • Volume Key Action: Volume
  • Config Camera: Pixel 2017 Hardware Zsl Hdr+
  • Buffers Size: 3 (default)
  • Total Imagereader Imagecount: 15 (others)
  • hdr+ burst frame count: 8 (Nexus 6)
  • Calculation hdr+ imagereader image count: Others
  • Back Camera photo resolution: (4:3) 12.2 Megapixel
  • Front Camera photo resolution: (4:3) 8.0 Megapixel

So. Fertig.

Das Razer Phone habe ich fest in mein Herz geschlossen. Es ist schamlos klotzig, minimalistisch und ein Bollwerk der Technologie. Es leistet viel, frisst wenig Saft und ist im Handling ein kleiner Traum. Wenn du ein Phone willst und auf masslos übertriebene Specs nach dem Motto «weil wir können» stehst, dann ist das dein Phone. Du musst nicht mal zwingend Gamer sein um das Phone zu wollen oder gern zu haben. Es reicht, wenn du einfach nur ein verdammt gutes Phone willst.

Razer Phone, wir sehen uns am Ende des Jahres in der Best-of-Liste wieder.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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